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1. Panphlets, offprints
Hanns Sachs
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ihre wohltätige Hilfe und dann bleibt nur die letzte dunkle Zuflucht
offen, hinter deren Tore keine innere Zwietracht folgen kann.
Dieses zweite, tragische Ende hat Schnitzler, der das Ringen
zwischen Haß und Liebe zu schildern liebt und oft als Motiv ver¬
wendet, seinen jungen Medardus finden lassen, nachdem ihn das
Schwanken zwischen Liebe und Haß, die er beide mit gleichem
Feuer für die Prinzessin empfindet, aus allen menschlichen Beziehungen
herausgerissen und vom Helden zum Narren entwertet hat. Wohl
niemals vorher wurde das Problem dieses Zwiespalts mit so viel
Klarheit angeschaut, mit so viel Unerschrockenheit durchgeführt. Aus
dem ersten Ausbruch des Hasses tönt schon die mitgeborene Liebe
heraus und wo immer dann das eine von beiden Gefühlen das
Wort führt, klingt das andere, bald stärker, bald schwächer mit.
Diese Ambivalenze wie der von Bleuler eingeführte Fachausdruck
unserer Wissenschaft lautet, steckt im Keim schon im Agidius¬
Stoffe, wo sie zunächst dem Vater der Prinzessin gilt. Agidius
muß sich natürlich für gerettet halten. Er wundert sich nicht über¬
mäßig, denn sein Haß gegen den König war immer sehr von Be¬
wunderung unterzündet.“ Wir haben schon davon gesprochen, daß
auch die Prinzessin ein Doppelantlitz zu führen beginnt. Was dort
unbestimmt aufdämmerte, ist im Medardus als Hauptmotiv in die
Mitte der Handlung getreten. Nach diesem Punkte streben alle
Fäden zusammen: Alles Vorhergehende dient nur als Zündschnur,
um diese Mine springen zu lassen, und das jähe, überraschende
Ende kommt von hier aus wie der Blitz us einer Wolke, die den
Himmel schon längst verdüstert hat.
Das Ineinanderweben von Liebe und Haß hat der Dichter noch
ein anderes Mal, in der Novelle =Der tote Gabrielz in den Mittel¬
punkt gestellt. Hier tritt die liebend-Hassende nur einen Augenblick
aus den Schleiern, die ihr Wesen verdecken, hervor, um gleich
wieder dahinter unterzutauchen. Der scheinbar kühle und objektive
Ton der Erzählung hält das Geheimnis ihrer Seele bis ans Ende
fest, das nicht zögernd und schrittweise, sondern in einem Strahl
plötzlicher, fast schmerzhafter Klarheit zugleich dem Mann, an dem
sie ihr Schicksal erlebt, und dem Leser enthüllt wird.
Die schärfste Seelenanalyse eines in Liebe und Haß gegen
dasselbe Mädchen Befangenen gibt die Novelle „Der Mördert.
Alfred beginnt seine sanfte und zärtliche Geliebte zu hassen, weil
sie ihm als Hindernis einer neuen, ersehnten Verbindung gilt, erst
versucht er die Herzkranke durch seine Umarmungen zu töten und,
da dies mißlingt, greift er zum Gift. Das Auftauchen des im Unbe¬
wußten längst gehegten Todeswunsches als Mordplan, der plötzlich
in völliger Durchdachtheit, in allen Details vollendet, vor seiner Seele
steht, ist ein schönes Beispiel der intuitiven Einsicht des Dichters in
das Walten psychischer Mächte. Aber in all seinem Groll und
seinen finsteren Plänen verschwindet die Liebe niemals und selbst
nach der äußersten Tat des Hasses denkt der Mörder seines Opfers
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