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Herbert Cysarz.
„Jungem Medardus' nicht unwürdig des „Armen Spielmanns“
und des „Nachsommers und des „Malte Laurids Brigge'
(dieser edelsten Offenbarungen österreichischer Art): eine stilistisch
vornehmlich an Dostojewskis religiösen Realismus und an
Kunt Hamsuns „Mysterien gemahnende Mythisierung eines
der allerverwickeltsten Staaten= und Seelengebilde, die diese
Erde je getragen hat... Im Uebrigen entwickeln aber die durch
den Zerfall des Monarchie=Systems entbundenen Schollen¬
Kräfte vielerorten Willens= Knet= und Spannungs=Energien,
die manche Möglichkeit der Renaissance einschließen (Wildgans
und etliche Jüngere wecken hier gute Hoffnung) und die auch
im „Volks“=Bereich eine gewisse Nachblüte des Anzengruber¬
Dramas gewärtigen lassen. Ein Haupt=Erbe indes der neu¬
romantisch=impressionistischen Wiener Dichtung um 1900 ist
heute auch in psychoanalytischem und individualpsychologischem
Kreis zu suchen: Symptom jener allgemeinen Säkularisierung
von poctischen durch theoretische Momente, die in unseren
Tagen sowohl alle Revolutionen der Dichtung als auch alle
Evolutionen der Wissenschaft speist (viele heutige Umwälzungen
links in der Dichtung und rechts in der Wissenschaft ent¬
springen dem gerade unter uns so epochal sich wandelnden
Verhältnis zwischen Poesie und Theorie, Bild und Begriff,
Kunst und Wissenschaft). Die Dichtung freilich hat zunächst
wie fast sämtlichen Geisteskriegen der Gegenwart auch diese.
Psychologie nur stofflich zu folgen vermocht — vielleicht aber
liegt in der Rückverwandlung psychoanalytischer Struktur (nicht
bloß Stofflichkeit) in dichterische Substanz (nicht bloß Motivik)
ein weiteres Stück der poctischen Zukunft Wiens.
Hierüber freilich brütet Dämmerung unabsehbarer Ueber¬
gänge. Die moribunde Donaumonarchie hat keinen Zola geboren,
keinen Paul de Lagarde, nicht einmal einen Heinrich Mann — nur
Diskussions=Romane. Die einen kennen das Alte nicht mehr (die
Klippe beispielshalber in Werfels „Tod des Kleinbürgers',
der gar einen Zyklus anführen will), die anderen finden das
Neue noch nicht (so Hofmannsthal in seinen jüngsten Lust¬
spielen). Im Deutschen Reich ist vieles Oesterreichische zu nah
verwandt, als daß man gleichsam die historische Gerechtigkeit
walten ließe, und anderseits doch zu fremd, als daß es nicht
zu Mißverständnis kommen müßte. Und überdies ist Wien,
so lang der vielzüngigste Mittelpunkt des vielzüngigsten Gro߬
staats, natürlich nicht binnen einem Jahrzehnt zur Alpen¬
Provinzstadt geworden... Angesichts solcher Schwierigkeiten,
die niemand verschweigen oder verkleinern darf, ruht all unsere
Zuversicht in jener ungeheuren Seelenspannung, die sich immer
wieder als deutschen Wesens Wesen offenbart: Deutschland
ist allezeit die Wiege der großen Zweischneidigen, der Nietzsche
Schiller Fridericus Luther, die nicht gleichmäßig fortstrahlen
wie ein Dante oder selbst gleichsinnig fortgären wie ein Shake¬
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