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Panphlets Offorints
Nicht genug daran, daß die tragische Aurelie=Falkenir¬
wie mein Freund Max einer
Geschichte mit der ironischen Verführerkomödie gewaltsam ver¬
ihres Daseins die Atmosphäre
knüpft und dadurch einheitliche Tönung unmöglich wird, daß
#utiger gestalten. Warum noch
die Linien des Inhalts wie des Gehalts verwirrt und un¬
n? Verlangen Sie Leistungen
übersichtlich werden, sind in das Theaterstück auch noch eine
.Gibt
Frühlingswind?
Reihe anspruchsvoller Episoden eingelegt, wie die vom
säftigung, als die Summe der
dämonischen Hahnrei Westerhaus!) und seiner nymphomanen
es Glücks, in diesem irdischen
Gattin Julia, eine Handlung, die fast den ganzen zweiten
Neu ist an der Gestalt des
Akt der Dichtung einnimmt und die, wenigstens was die
gkeit, die seelische Unbeschwert¬
Qual und Erniedrigung einer solchen Ehe betrifft, bereits
unkomplizierte Einheitlichkeit
in dem Ehepaar Natter (Bankdirektor wie Westerhaus!) des
erische, Schwerblütige, Unaus¬
Weiten Lands“ vorgebildet erscheint — und im Grunde schon
st ausnahmslos allen Schnitz¬
in dem paradoxen Liebespaar des „Grünen Kakadu“ Ebenso
leignet, mangelt ihm gänzlich.
drängt auch, was mit Seraphine geschieht, gegen Ende des
Vorgänger im Gesamtwerk des
Stücks zu stark in den Vordergrund und steht der Haupt¬
Mann sahen wir schon in den
— störend im Wege. Die Liebes¬
handlung — wie diese ihr
Anina, Flaminia und Teresa
nacht, die das Mädchen (gleich Anna Rosner eine Subli¬
sprichwörtliche Herzenbrecher
mierung des „süßen Mädels"*) Max gewährt hat, läßt sie
lehnt diese Bezeichnung als
ein Kind erwarten, und sie ist darüber keineswegs trostlos oder
auch nur erschrocken, sondern restlos glücklich — ein Gefühl,
das sie in Art und Intensität mit anderen ledigen Müttern
Nein, ich war zur Stelle,
uberei Natur
Schnitzlers teilts).
ch verriet ich keine,
Die Ueberladung des Stücks mit Handlung, Episoden
blieb mein Herz.
und Problematik (und unsere Analyse beschränkte sich auf das
Schmetterling Max von einer
Wichtigste, weit entfernt von Vollständigkeit der Aufzählung)
ist kein vereinzeltes Ereignis in Schnitzlers Schaffen. Gerade
hie je die Vorgängerin zu ver¬
seine wertvollsten Schriften leiden an diesem Ueberfluß,
poll für ihr Geschenk. — Auch
„Der Einsame Weg“ „Das weite Land“, „Der Weg ins
eine Dirne zu flüchtiger Lust
Freie“. Das kommt daher, daß dieser Dichter, und zwar vor
in der „Frau mit dem Dolche“
allem als Dramatiker, nach gewissermaßen naturwissenschaft¬
Abwesenheit ihres Gatten von
licher Methode verfährt, indem es ihm weniger um die Ge¬
t den Jüngling Lionardo zu
staltung einmaliger Menschenindividnen zu tun ist als um
ggenommen, aber darum besteht
die Findung psychologischer Gesetze, die aus der Begrübelung
meinschaft zwischen ihnen; denn
typischer „Fälle“ sich ihm ergebent); er verfährt wie der Arzt,
zu tun?
t dir schön getan?
Seinen charakteristischen Ausspruch: „Das Nisiko, das ist der Sinn
1)
ie andern Frauen:
meines Lebens“ mag man neben ein ähnliches Wort des Herrn von Gudar
hab' ich gewartet“?
(„Die Schwestern") halten, das Körner, S. 180; in Schnitzlers
aut von diesen Lippen,
Gedankenkreis eingestellt wird.
fschrei wilder Lust?
2)
Vgl. Körner, S. 102ff. Wohnt sie doch sogar in der Vorstadt!
so war es nie!
3) Vgl. Körner, S. 32.
d Max von allen drei Jung¬
1) So führt ein gerader Weg von Schnitzlers psychologischer Dichtung zu
der charakterologischen Theorie seiner neuesten Schrift: Der Geist im
etwas mehr Zärtlichkeit und
Wort und der Geist in der Tat“ (Berlin, S. Fischer, 1927), in der der
zusammenhängt, daß Schnitzler
Autor seit einigen geringfügigen medizinischen Fachschriften seiner
Lieblings= und Urmotiv seiner
Jugendjahre zum erstenmal wieder als Betrachter, nicht als Gestalter
ptiv vom Scheiden mitten aus
erscheint. Die kleine Arbeit ist ein bedeutsamer Beitrag zu der an noch
jungen Wissenschaft von den Menschentypen und überdies ein sehr wert¬
Zwang und Qual und Ekel
voller Kommentar zum Verständnis von Schnitzlers dichterischer Absicht
und Leistung. Und so fremd Form und Inhalt dieser Schrift seine
Gemeinde zunächst anmuten mögen, die Filiation all der neuartigen
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