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1. Panphlets brints
Kakadu“, „Die Frau mit dem
„Der junge Medardus“
h die Königin seiner Novellen,
nd manches andere Werk noch
und ästhetischem Kunstwert
Dichter seine versonnenen Ge¬
und nicht in ein entseeltes
lter versetzt hätte.
ob diese Unterlassung immer
r keine Frage ist es, daß der
seines Lebens und Wirkens,
n mit Willen nicht mehr als
sich auftut, sondern als Be¬
deren Gewesen!). Nicht zu¬
mtliche Schriften, die er seit
r dieser Zeitenwende angesetzt,
Erkennen heraus, daß der
um jener Welt und Welt¬
dem Dichter seine sämtlichen
ergestalt nicht mehr mit dem
n Tag mit seinen drängenden
Geschlecht in seiner schweren
tigen Lebens aufzufassen, zu
mt er der Kritik den allbereits
der Unzeitgemäßheit. Er will
scht sein kann und im Grunde
dnisse lösen sich, und Arthur:
Zeitgenossen einst als gelungene
rer Wirklichkeit hingenommen,
nicht minder törichter Weise
einer gehaltlosen Gegebenheit
schwermütiges Märchen von
ibegreiflichen Not menschlicher
u einem Dichter zurückkehren
ültig überwunden schien, hat
Grund. Nicht nur wir haben
bevor das Schlagwort von
brderungen in einem Menschen¬
hnitzler vom sittlichen Relativis¬
Erkenntnis meine Darstellung „Arthur
me“ (Wien 1921), S. 19f. etwas bei¬
akter von Schnitzlers Schriften wohl
enswert ist jedenfalls, daß in Schnitzlers
um Weiher“) der nach dem Bilde seines
orn, ob er gleich in seinen Schriften
hingab und verlor“, als ein heimlicher
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mus, ja Amoralismus seiner Frühwerke sachte aber stetig
zu immer strengerer sittlicher Bewertung vorgeschritten, und
seine neuesten Schriften zeigen ihn desfalls in recht unmittel¬
barer Nähe von den das Ethische so stark betonenden Ex¬
pressionisten. Der Dichter der „Beatrice“ Führer der Ein¬
druckskunst, dachte nicht daran, seine Menschen zu richten.
Wer spricht von Schuld?
(so läßt er den männlichen Helden jenes Drames sprechen)
Im Herbste fallen Blätter,
Im Frühjahr sprießen andre! Sagt ihr drum,
Daß einer schuldig ward? Ich bin es nicht!
Es sei, daß Schuldigsein bedeutet: ew'gen
Gesetzen unterworfen sein. Ist's so,
Dann wartet Schuld von Kindheit auf in uns,
Wie unser Tod in unserm Busen harrt,
Solang' wir atmen.
Aber genau wie sein philosophischer Zeitgenosse Georg
Simmel von einer relativistischen Moralwissenschaft der
bloßen Beschreibung zu einer wertenden Moralwissenschaft fort¬
schritt, so verharrte auch unser Dichter nicht bei der impassiblen
Beobachtung des unbeteiligten Psychologen, er sah das Chaos,
in das die Menschen unweigerlich hinabstürzen müssen, wenn
jegliche Verantwortung von ihnen genommen und die Pflicht
sittlicher Selbstbestimmung geleugnet würde. Tout comprendre,
tout pardonner — hatte er als Devise über sein Jünglings¬
und Manneswerk geschrieben, aber um das 50. Lebensjahr
herum meldet sich der Zweifel, und das Spätwerk kündet
warnend die strengere Weisheit: tout pardonner, c’est tout
perdre. Einst schlossen seine Dichtungen mit der kühlen Fest¬
stellung: „So ist das Leben“ bestenfalls mit dem bedauernden
Zusatz: „Da kann man nichts machen“; ausdrückliche sittliche
Forderungen stellt auch das Spätwerk nicht auf, aber es ruft
immerhin energisch: „So geht es nicht", „Es muß anders
gemacht werden" Kurz, der Dichter bleibt bei der Kritik
stehen, mitten zwischen der impressionistischen Betrachtung und
der expressionistischen Satzung!).
Seit dem „Einsamen Weg“ (1903) beginnt dieser Wandel.
Und, es kann kein Zufall sein, in eben diesem Werke wird
zugleich erstmals ein Motiv angeschlagen, welches man als
das Motiv von Schnitzlers Altersperiode bezeichnen möchte:
eben das Motiv des Alterns. Auffallender, aber für jeden
Kenner Schnitzlers, dieses narzissischen Poeten, dennoch durch¬
aus verständlicher Weise ist dieses Motiv immer nur vom
Gesichtspunkt des Mannes gesehen, die noch schmerzlichere
!) Die Arbeit von Selma Koehler, The question of moral responsability
in the dramatic works of A. S. (Journal of English and Germanic
Philology XXII/3), war mir nicht zugänglich.
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