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Der hervorragendste aller Dekadenten ist der schon öfter erwähnte Wiener
Arthur Schnitzler. Obgleich seine Dichtungen, vornehmlich. Seenenbilder
(„Anatol 1893“) vom denkbar stärksten Déendenee=Kolorit durchsättigt sind und
darum den Leser in die unbehaglichste Stimmung von der Welt versetzen, erscheinen
sie doch durch ihre Aufrichtigkeit und Selbsterkenntnis geadelt. Mit peinlicher
Akkuratesse seziert der Dichter seine Probleme, und erklärt dem stannenden Leser
resigniert=lächelnd die angefanlten Körperstellen. An Geist vermag sich mit ihm kein
einziger Dekadent zu messen. Schnitzlers Werken sprühen förmlich von feinen, geist¬
reichen Gedanken und Sentenzen. Er ist gewissermaßen der Klassiker der Déendenee,
aber darum nicht minder krank, als die übrigen.
Der Haupttenor seiner litterarischen Thätigkeit ist entweder das „süße Mädl“
d. i. ein Vorstadtmädchen, das in der Stadt „geliebt“ wird und wieder liebt, bis
nun bis der eine der beiden Theile etwas anderes gefunden hat, oder es ist eine
von den umgekehrten Asra's, die gegen Champagner und Anstern eventuell Bontons
u. ä. ihre Reize im Aufstreich an den Mann bringen, der sich nicht lumpen läßt.
Ab und zu kommt eine verheirathete Frau daran, deren Mann (natürlich!) als ein
höchst dummer und höchst langweiliger Patron geschildert wird und die darum in
den Armen eines blasirten Burschen, der alle Menschen, sich ausgenommen, verachtet,
die ihr gebührende Erniedrigung zur Dirne findet. Die Männer, welche Schnitzler
in seinen Lust=Mädliaden und Ehebrücheleien schildert, sind in jeder Beziehung
unerqnickliche, marklose, feige Geschöpfe, die für gar nichts anderes, als für die
Befriedigung des Geschlechtstriebes Sinn haben = geradezu infam handelt Anatol,
als er am Abend vor seiner Hochzeit eine Dirne zu sich nimmt, um in deren Armen die
Nacht zu verleben, während ihm noch die Küsse seiner Braut auf den Lippen brennen.
Das heißt man doch die ethische Verluderung auf die Svitze treiben! Wenn irgend
#e sehr traurige Spezialität der
eines von den sogenannten „Wiener Witzblättern“
einzigen Kaiserstadt!“), die den Witz in der Gemeinheit und den Humor in der
Frechheit suchen, wenn solch' ein Blatt derlei in seinen schmutzigen Spalten bringt,
so kann man##s ruhig hinnehmen, falls jedoch Jemand dergleichen die Lüsternheit
litzelnde Sächelchen als Litteraturwerk anerkannt wissen will, so muß dagegen ent¬
schieden Verwahrung eingelegt werden. Schon wegen der Einseitigkeit, die sich hier
aus spricht; sobald man nur eines von diesen dramatischen Feuilletons gelesen hat,
so kennt man auch schon alle anderen. Es ist eine trotz alles Aufwandes an Geist
ermüdende, quälende Lektüre, das stete ass de kemmes stumpft die Aufmerksamkeit
ab und die subtile Selbstquälerei des Anntole, nicht etwa wegen der ethischen Ver¬
luderung, sondern lediglich aus der Frage: „ist sie (die Dirne!) dir treu?“ hervor¬
wachsend, wirkt auf die Dauer langweilig und widerlich. Schnitzlers Dramen „Das
Märchen“, „Liebelei“ „Freiwild“. Die Gefährtin“ 2c. gehen im Ganzen und
Großen auf denselben Pfaden, das Erstgenannte ist das Bedeutendste (vielleicht eben
deshalb im Deutschen Volkstheater durchgefallen), die Anderen (obzwar im Hok¬
burgtheater aufgeführtf fingegen unsäglich matt und abgestanden.
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Lzied.
Solunge deine Zauber walten,
icht mit dem Pag wollt' ich dich tauschen,
Ist das geliebte Praumbild mein;
Du schattenliefe, süsse Nacht;
Dem eignen Herzschlag darf ich lauschen. Her Pag bringt klarere (estalten,
Marf träumen, was mich selig macht. Bringt alten Kummer, neue PPein.
Josef Stowasser.
Wien.