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Text

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box 36//8
1. Panphlets offorints
denn dies
wirbelt der Dichter durcheinander: denn so ist's im Leben. Dreimal gibt er ein
nd. Zwar
Erwachen aus dem Trugspiele sicheren Besitzes: des Besitzes der Frau im „Para¬
, wird
celsus“ und in der „Gefährtin“, des Besitzes der Macht im „Grünen Kakadu“.
er nicht
„Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug“, so lautet das Leitwort der Samm¬
Er wird
lung. So spielt Paracelsus mit dem eitlen Waffenschmied, der ihn nur für einen
dlungen
Gaukler hält, als er ihm im hypnotischen Schlafe zeigt, was das Weib des
ur mit
Waffenschmiedes, Justina, begehen könnte.
d das
Es war ein Spiel! Was sollt es anders sein?
Ibsen,
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
und schien es noch so groß und tief zu sein!
ester
Mit wilden Söldnerscharen spielt der Eine,
ein Andrer spielt mit tollen Abergläubischen.
ns¬
Dielleicht mit Sonnen, Sternen irgendwer, —
mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns.
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.
So spielen in der „Gefährtin“ mit dem Professor Robert Pilgram sein Weib
und sein Assistent: es gibt keine Gefährtin. So spielt das Volk mit den Adligen
in der Groteske „Der grüne Kakadu“. Es ist in Paris am Abend des 14. Juli
1789. In der Kneipe Prospères, einer Spelunke, spielen zur Erheiterung adliger
Gäste die Schauspieler Prospères Verbrecherszenen. Wie verfolgt stürzt einer
herein, berichtet von Taschendiebereien — ein anderer erzählt, wie er ein haus
angezündet —, wie er einen umgebracht, ein dritter. Der Wirt begrüßt die hoch¬
adligen Gäste als Schurken und Schweine, die hoffentlich nächstens das Volk
umbringen würde. Und das alles am Tage des Bastillensturmes, wo das wahr
wird, was der Wirt und Theaterdirektor, man weiß nicht, ob im Spiel oder
von herzen wünscht. Am meisten verwischen sich die Grenzen zwischen Spiel
und Wirklichkeit, als henri, der genialste Schauspieler der Truppe, den schau¬
dernden Gästen erzählt, er habe eben den Liebhaber seiner ihm gestern an¬
getrauten Frau in der Garderobe erstochen, erstochen den herzog von Cadignan.
Und henri spricht so natürlich, daß der Wirt, der von den Beziehungen der
beiden weiß, selbst glaubt, es ist wahr. Und grausig geisterhaft: es wird wahr.
Wie der herzog eintritt, sticht henri ihn nieder. Bastillenstürmer dringen ein.
An der Leiche des herzogs lassen sie die Freiheit leben. Die adligen Gäste, auch
eine Marquise, die wollüstig schauernd, neugierig alles eingesogen, fliehen. Die
Groteske ist Schnitzlers theaterwirksamstes, freilich auch etwas erklügeltes Stück.
Drei Jahre später nehmen die vier Einakter „Lebendige Stunden“ (1902)
einen ähnlichen Dorwurf wieder auf, nur eingeschränkt auf eine bestimmte
Menschenart. Wie stehen, das ist der Gegenstand, im flüchtigen Spiel des Lebens
die Künstler zum Erlebnis? Lebendigen Stunden, die sonst nicht länger lebten, als
der letzte, der sich ihrer erinnert, geben sie „Dauer über ihre Zeit hinaus“ sagt
der erste Einakter — mögen sie auch der menschlichen Träger solcher Stunden
vergessen. Mögen auch die herzensbeziehungen zwischen zwei Menschen, ihre
eigenen wie die fremden, für sie nur Wert haben, wenn sie Augenblicke zeitigen,
da sie das Werk erleuchten, sagt der zweite. Und der vierte, das Lustspiel „Lite¬
ratur“ wendet das Thema satirisch, wenn er den Künstler und die Künstlerin
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Lebend
Stunde
Arthur
Schnitzler