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2. Cuttings box 37/2
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Deutsche Reichszeitung (Bonn, 24. 1.kurzes Harmonium-Vorspiel, dann einige ein¬
1000). Der gestrige Vortrag, den Herr Marcell
leitende Worte des Recitators und hierauf die
Salzer aus Wien in der „Dramatischen Ge¬
erste Nummer „Josef und seine Brüder“. Das
sellschaft“ hielt, wies sehr zahlreichen Besuch
waren ja bekannte Laute aus längst ent¬
auf. Der grosse Saal des „Goldenen Stern“
schwundenen Tagen der seligen Kinderzeit,
war überfüllt. Wie bei seinem ersten Auftreten
und wie machtvoll und ergreifend klangen
hierselbst, soerrang Salzer auch diesmal grossen
sie, wie die nun folgende Hymne aus dem
Erfolg mit den von ihm meisterhaft wieder¬
Hohenlied, eine Dichtung voll berückender
gebenen Dichtungen Wiener Zeitgenossen.
poetischer Schönheit und morgenländischer
General-Anzeiger für Bonn und Um¬
Phantasie, von diesen Lippen. Geradezu ge¬
gegend (24. 1. 1900). — Der Saal war über¬
waltig aber war die Wirkung der Legende
füllt und die Erschienenen wussten der
von Simson und Delila, in ihrer kurzen,
„Dramatischen Gesellschaft“ Dank, dass sie
prägnanten und dramatisch bewegten Schil¬
den jungfrohen Wiener zu einem zweiten
derung. Ueberzeugungsvoller können wohl
Auftreten in Bonn veranlasst hatte. Salzer
die Sänger und Priester jener Zeit ihrem
bewährte sich auch gestern als echter Meister
Volke die Geschichte seines den Verführungs¬
der Vortragskunst. Das sprudelte über von
künsten eines Weibes erlegenen Helden und
Frische und Lebenswärme, namentlich in den
die Vernichtung seiner Feinde nicht ge¬
Wiener Gestalten, die er aus zeitgenössischen
schildert haben. Die bekannte Heine'sche
Dichtungen heraushob.
Ballade „Belsazar“, mit welcher der erste
Bremen, Weser - Zeitung (13. 2. 99).
Theil des Abends schloss, bot dem Künstler
Wenn wir heute ausnahmsweise über einen
Gelegenheit, den düsteren Inhalt auch ohne
Vortragsabend im Verein „Vorwärts“ be¬
Anwendung des sonst so sehr beliebten
richten, so geschicht es, weil sich Herr
pathetischen Tones voll und ganz zur
Marcell Salzer aus Wien, der dort gestern
Geltung zu bringen. Der zweite Theil, mit
Abend als Recitator zum ersten Male in
den Gedichten Paul Julius Immergrün's be¬
Bremen aufgetreten ist, als ein Künstler in
ginnend, war vorwiegend heiterer Natur¬
seinem Fach gezeigt hat. Er besitzt eine
Ganz besonders gefiel der herzinnige Ton,
feine Empfindung und ein modulationsfähiges
den Herr Salzer in den „Mutterliedern“ an¬
Organ, und er verschmäht es, aufdringlich,
zuschlagen wusste. Von den ebenfalls mit
mit unkünstlerischen Mitteln zu wirken, er
Meisterschaft vorgetragenen Goethe’schen
weiss auf die einfachste Weise den ver¬
Balladen sei des „getreuen Eckhard“ mit
schiedenen Stimmungen und den Personen,
seinen Anklängen an die goldene Kinderzeit
die er charakterisiren will, gerecht zu werden.
gedacht.
Hervorragend war die Wiedergabe von Ernst
Die Wahl des litterarisch werthvollen
von Wildenbruchs „Orakel“ Bahr’s „Die
Dialogs „Weihnachtseinkäufe“ aus Arthur
schöne Frau“ und vor allem Morgenstern's
Schnitzler’s „Anatol“ war eine glückliche.
„Das Pferd“ aber auch die Dichtungen von
Es ist ein Cabinetstück, wenn es, wie hier,
Rosegger und Liliencron wurden mit Recht
in fein pointirtem graciösen Plauderton des
sehr beifällig aufgenommen.
Wiener Dialects zum Vortrag gelangt. Nicht
Bremer Nachrichten (13. 2. 99). Ein
minder gefiel die Schlussnummer des Abends
guter Gedanke der Unterhaltungscommission
„Sanct Nothburga’s Erdenreise“, welche das
vom Verein „Vorwärts“ ist es gewesen,
Publikum in die animirteste Stimmung ver¬
Bremen zur Bekanntschaft mit dem Recitator
setzte. Die plastische Vorführung der biederen
Marcell Salzer aus Wien zu verhelfen. Der
Schutzpatronin, ihre schlimmen Erfahrungen
Künstler führte sich durch den Vortrag der
bei den sündigen Bauern erregten die grösste
Ernst von Wildenbruch'schen Novelie „Das
Heiterkeit. Reicher Beifall lohnte den Wiener
Orakel“ ein und eroberte sich mit dieser ein¬
Gast für seine künstlerischen Darbietungen.
fachen Kindergeschichte sofort die Position.
Bremer Tageblatt und Generalanzeiger
Gab sie ihm doch Gelegenheit, sein schmieg¬
(31. 1. 1900). Herr Recitator Marcell Salzer
sames, modulationsfähiges Organ zu zeigen,
aus Wien erfreute und entzückte am Sonn¬
die verschiedensten und verschiedenartigsten
tag im Verein „Vorwärts“ die überaus zahl¬
Stimmungen ernster und heiterer Natur zur
reich erschienenen Damen und Herren durch
charakteristischen Darstellung zu bringen!
seine vorzüglichen Darbiefungen, denen das
Und das versteht Herr Salzer vortrefflich,
Auditorium mit wahrem Vergnügen lauschte.
ohne je durch Uebertreibungen abzustossen.
Den Recitator unterstützt sein äusserst sym¬
Der Humor kam besonders in der „Lyrik“
pathisches und modulationsfähiges Organ.
von Detlev von Liliencron zur Geltung: Das
Zum Vortrage gelangten zunächst Dichtungen
Gewitter, Bruder Lüderlich, Betrunken, Die
biblischen Inhaltes, die mit Harmoniumspiel
Musik kommt. Als echter Wiener zeigte
eingeleitet und beschlossen wurden. Ferner
sich Herr Salzer in der reizenden Humoreske
wurden Werke des kürzlich in Amerika ver¬
von Bahr „Die schöne Frau“, die ihm auch
storbenen Dichters Immergrün, der aus
Gelegenheit bot, in der Wiedergabe des
Hastedt stammt, recitirt, die grossen Beifall
Dreher seine Zungenfertigkeit zu beweisen.
fanden. Nachdem dann noch Dichtungen von
Als er nach einer längeren Pause wieder die
Goethe und Schnitzler vorgetragen waren,
Bühne betrat, wurde er so glänzend empfangen,
kam auch der Humor zu seinem Rechte.
dass ihm wohl kein Zweifel mehr an der
Den geschätzten, stets gerne gesehenen und
Gunst des zahlreich erschienenen Publikums
gehörten Gast ehrte das Publikum durch
bleiben konnte.
stürmischen Applaus.
Bremer Courier (14. 2. 99). Wenn es
Breslauer Zeitung (aus dem Feuilleton
wahr ist, was manche Aerzte und auch
vom 4. 2. 98). Ein künstlerisches Ereigniss
andere Leute gesagt haben, dass Lachen ge¬
vollzog sich vorgestern Abend im Musiksaale
sund ist, dann hat der Wiener Recitator,
der Universität. Marcell Salzer, welcher vor
Herr Marcell Salzer, Anspruch auf den Ruhm,
ein paar Tagen in der Berliner freien
Vielen zur Gesundheit verholfen zu haben;
litterarischen Gesellschaft Sensation erregt
denn wohl selten ist in einer Versammlung
hatte, las Dichtungen moderner Autoren
so viel und so herzlich gelacht worden, wie
An Temperament, feinsinniger Anempfindung
gestern Abend in der Veranstaltung des
des Vortragstiles ist Marcell Salzer derseibe
Vereins „Vorwärts“. Gewiss ist Herr Salzer
gebliehen, an Leichtigkeit und Fülle der
aber auch ein ganzer Künstler, dem für
Nuancirungen, an Volubilität und Gliederung
seine schwierige Aufgabe, den Dichter nur
der Sprache, an differenzirter Ausarbeitung
durch das Wort zu interpretiren, alle Töne
der Recitationsstücke hat er ganz ausser¬
und Register zur Verfügung stehen. Der
ordentlich gewonnen. — Der köstlichste Ge¬
rauschende Beifall, der dem Recitator bei
nuss des Abends war der Vortrag der beiden
jeder Nummer, nainentlich zum Schluss, zu
lyrischen Nummern „Die Musik kommt“ und
Theil wurde, wird ihm gesagt haben, dass
„Bruder Lüderlich“ von Detlev v. Liliencron.
er bei einer Wiederkehr einer freundlichen
Er erfüllte den Beweis, dass die moderne
bi zum letzten Worte nicht mehr los. Das
umfänglichste und litterarisch bedeutendste
Stück des Abends war die Novelle „Das
Pferd“ von Chr. G. Morgenstern. Sie beginnt
mit der köstlichen Ch#rakteristik eines Wiener
Bummlers, der einst bessere Tage gesehen
hat und nun den Gram im Fusel ersäuft.
Seine nächtliche Wanderung durch die Gassen
Wiens ist mit jenem echtem Humor geschildert.
hinter dem die Thräne lauert. Herr Salzer
las gerade diese Novelle mit meisterlicher
Vollendung.
Breslauer Morgen-Zeitung (27. 11. 98.)
Freie Litterarische Vereinigung.
Herr Marcell Salzer hatte auch diesmal ein
treffliches Programm zusammengestellt; er
wollte die Hörer angenehm unterhalten und
so flocht er aus den poetischen Beiträgen,
die ihm Fontane, Arno Holz, Lilieneron und
Schnitzler boten, einen Kranz zusammen, in
welchem heitere Laune und wuchtiger Ernst,
in welchem die flüchtige Plauderei und die
gedankenreiche Betrachtung in künstlerisch
abgetontem Wechsel zu ihrem Rechte kamen.
Herr Salzer hatte die Wahl seiner Vortrags¬
stücke derart getroffen und liess dieselben
in solcher Folge auf die Corona wirken, dass
die Stimmung der Hörenden einer harmonisch
auf- und niedergleitenden Wellenlinie glich.
Ueber die rhetorische Souveränität, mit
welcher Herr Salzer jedes sich ihm dar¬
bietende Vortragsproblem meistert, brauchen
wir kein Wort mehr zu verlieren. Herr
Salzer durchtränkt das, was er liest, mit
plastischem Leben. Auf den Wogen seines
klangvollen, registerreichen Organs segelt die
neckische Plauderei siegreich einher, kämpft
sich die Leidenschaft durch das brandende
Meer und packt uns mit ehernen Fängen.
Das Publikum spendete dem Recitator wieder¬
holt den wärmsten Beifall und dürfte mit
den Leistungen des Interpreten nicht minder
zufrieden gewesen sein, wie mit der von ihm
gtroffenen Auswahl seiner dichterischen Vor¬
tragsprobleme.
Schlesische Zeitung (4. 2. 98). Der
Vorleser, Herr Marcell Salzer aus Wien, ent¬
faltete alle Vorzüge seiner rühmlich be¬
kannten Interpretationskunst. Durch seine
von feinem litterarischen Verständniss zeu¬
gende, den Reichthum künstlerischer Mittel
und deren geschickte Verwendung offen¬
barende Vortragsweise erzielte er mit jedem
einzelnen Stücke hohe Wirkung und erntete
nach jeder Nummer den lebhaften Beifall der
dankbaren Hörerschaft
Fontane-Abend.
Schlesische Zeitung (27. 11. 98). Am
letzten Vortragsabend der Freien Litterarischen
Vereinigung, für den Herr Marcell Salzer aus
Wien gewonnen war, hörte man viel Schönes
und mancherlei Amüsantes in durchweg
meisterhafter Interpretation. Salzer gestaltete
den ersten Theil des Abends zu einer kleinen
Gedenkfeier für den Altmeister Theodor
Fontane, und zwar speciell für den bei
Weitem nicht nach Verdienst bekannten
Lyriker Fontane. Die getroffene reich¬
haltige Auswahl kennzeichnete vortrefflich
den feinen, oft auch drastischen Humer, die
abgeklärte Lebensweisheit und den kern¬
haften, gesunden Patriotismus des Dichters,
der dabei „keinen Sinn für Feierlichkeiten“
besass und für alle prunkenden Aeusserlich¬
keiten nur lustigen Spott übrig hatte. Hatten
diese Poesien die Hörerschaft sichtliet.
warint und Vieliden zu mme Heiterkeit hin¬
gerissen, so war dann die Wirkung der
Balladen „Gorm Grymme“, „Die Brücke am
Tay“ u. a. wuchtig, tief ergreifend. Ein
prächtigerer Abschluss, als ihn Salzer gab,
hätte sich wohl überhaupt nicht finden
lassen; er beschloss die Reihe mit einer der
letzten und sinnigsten Dichtungen des ver¬
storbenen Sängers, die selbst bereits eine
Hluldigung für einen grossen Todten wur -