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2. Cuttings
BskarT. Walzer, Bumfichtragen der Segenwart.
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kum. „Warum unheimlich ?a erwidert ein auch das naturaliltisch erzogene Publikum
unserer Tage an einer durchaus nichtillusio¬
anderer, MMich beruhigt das sehr. So lange
niitischen Inszenierung seine helle Freude
das Gesindel zu Späßen aufgelegt ist,
haben kann, bezeugt mit gleicher Stärke die
kommt's doch nicht zu was Ernitem. Und
Darltellung, die Shakespeares „Was ihr wollte
wie hier alles in wechselnden Farben schillert,
so bewegt sich in dem Kreise der Dirnen,
auf Reinhardts Deutschem Theater findet.
die von Schauspielerinnen nur gespielt wer¬
Sie bedeutet einen der nachhaltiglten Erfolge
des genialen Dramaturgen.
den, eine ci=devant=Marquise, die in ihrem
Inneriten eine weit echtere Dirne ilt als alle
Reinhardt wird heute von den Vorkämpfern
der nichtillusionistischen Bühne vielfach als
dargeltellten; sie ilt zum eritenmal in dem
Spelunkenkabarett, aber sie fühlt sich da wie
Hauptitütze naturaliltischer Bühnendekoration
hingeltellt. Ohne Zweifel hat er gelegentlich
zu Hause und plätschert mit Behagen in dem
gemireten Kaschemmensumpf.
der Wirklichkeit faft schrankenlos seine Bühne
ausgeliefert. Aber schon sein Prinzip, jedes
Das Spiel der Strolche wird immer natur¬
Stück nach eigenen, seinem Wesen ent¬
wahrer. Ein Angitlicher aus der Gruppe der
Kavaliere flültert: Es ilt erschreckend, die
sprechenden Gesichtspunkten auszultatten,
Leute meinen es ernit. Die Revolutions¬
nähert ihn dem Versuche Schumachers.
Ebenso wie Schumacher nicht daran denkt,
phrasen klingen so bedrohlich; die Illusion
die Ausitattungsweise seines #Hamletg einem
steigt. Da erscheint Henri, der Star der
anderen Stücke aufzupfropfen, ebenso will
Truppe. Er erzählt mit allen Zeichen der
Wahrheit, daß er seine Frau mit dem Herzog
Reinhardt naturaliltisch inszenieren, wenn er
eine naturaliltische Dichtung, nichtillusioniitisch,
von Cadignan überrascht und den Herzog
getötet habe. Alle wissen, wie sehr er seine
wenn er ein Werk vor sich hat, das auf Wirklich¬
keitswirkungen von vornherein verzichtet. Das
Frau liebt, wie eifersüchtig er ilt, und wieviel
Grund zur Eifersucht seine Frau ihm gibt.
Prinzip ift unanfechtbar, ift wohl das sicherite
In demseiben Augenblick dringt die Nach¬
und feltefte Ergebnis aller Bemühungen, die in
ricit, daß die Baltille erktürmt sei, in die
den letzten Jahren der Wiedergeburt der
Spelunke. „Freiheit, Freiheitle dröhnt es
Bühne gedient haben. Ob in der Anwendung
durchs Haus. Alle Bande scheinen gelöft.
des Prinzips Reinhardt ftets das Rechte triftt,
Der Wirt und Theaterdirektor, überzeugt, daß
darf dabei offene Frage bleiben. Doch für
„Was ihr wolltg hat er einen ebenso origi¬
Henri wirklich der Mörder Cadignans sei,
nellen wie wirkungsvollen und dem Kunft¬
meint, nun, nach dem Fall des Bollwerks der
werk gerechten Rahmen gefunden. Die De¬
Tyrannei, brauche die Ermordung eines Her¬
korationen sind ganz einfach gehalten. Mitten
zogs nicht weiter Geheimnis zu bleiben: Jetzt
brauchft du dich nicht mehr zu fürchten,
durch die Drehbühne zieht sich eine breite
ruft er Henri zu, bjetzt kannit du's in die
Bahn, rechts und links von grünen Wänden
eingeschlossen, die die sorglich geschorenen
Welt hinausschreien. Ich hätte dir schon vor
Baumreihen eines Parks andeuten. Diese
einer Stunde sagen können, daß sie die
Bahn wird durch eine Erhöhung, die quer
Geliebte des Herzogs ilt.c Entsetzt schreit
über ihrer Mitte liegt, in zwei Hälften geteilt;
Henri auf: SSie war seine Geliebte? Sie war
beide Hälften können abwechselnd als besondere
die Geliebte des Herzogs? Ich hab’ es nicht
Szenen benützt werden. Den Hintergrund
gewußt ... er lebt ... er lebt.e Alles war
bildet der ewige Prospekt: ein freier Durch¬
nur Spiel gewesen. Eine ungeheure Bewegung
blick auf den Horizont eröffnet sich also
geht durch die Versammelten. Da betritt der
zwischen den Baumreihen. Senkrecht zur
Herzog von Cadignan den Raum. Henri
Achse der Gartenszenen ist auf einer Seite
ftürzt auf ihn los und Itößt ihn nieder. Das
der Drehbühne ein schlichter Platz aufgebaut,
Spiel ilt ganz und gar Wahrheit geworden.
umrahmt von gemalten Häusern, auf der
Die Illusion hat sich in Wirklichkeit umgesetzt.
andern eine Trinkitube. Das Zimmer in
Die bloße Exiftenz des »Grünen Kakadug,
Olivias Hause ift durch ein einfaches Lein¬
dann aber der Beifall, den er gefunden hat,
wandzelt versinnbildlicht, das vom Schnür¬
beweift unwiderleglich, daß auch dem Theater
von heute die reiche Beweglichkeit Illusion
Dekoration der Drehbühne verdeckt. Durch
erweckender und gleich wieder sie zerltörender
Dramatik nicht abhanden gekommen ist. Daß diese Anordnung ist ein Umbau der Dreh¬
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