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Hugo v. Hofmannsthal.
nach dem plötzlichen Tode des Geliebten
für ihn nur eine Liebelei gewesen, schöpft
Enschlicher Quelle, wirkt ergreifend, ist gut
aus Ende geführt. Es ist bis heute
ktendster Veitrag zum lebendigen Drama
geblieben.
her steht sein „Einsamer Weg“ (1904), ja,
kinen Auftritt zwischen Vater und unehe¬
den ich für das Stärkste von Schnitzlers
halte. Leider finden sich in diesem sehr
allerlei Unklarheiten, und durch eine nur
kugende Doppelhandlung wird unsere Teil¬
Ermüdung hin und her gerissen. Bleiben
hnitzlers dramatischem Lebenswerk außer
einige ungemein feine, plandersame, wir¬
ter, so „Der grüne Kakadn“, „Das Abschieds¬
e unter dem Gesamttitel „Anatol“ ver¬
lchen Stücklein, die von weitem an Hart¬
innern. Das liebenswürdigste Lustspielchen
ist „Die Frage an das Schicksal“; kein
izose macht dies geistreicher.
fmannsthal aus Rodann bei Wien,
huldet uns immer noch ein eignes Stück,
In ungeheuern Ruhmesvorschuß bei seinen
dlich tilge. Von seinen kleinen älteren
Hochzeit der Sobeide“ „Die Frau im
Tor und der Tod“) haftet nur eine wohl¬
he im äußern Ohr; von einem Nachklingen
be ich nichts gespürt. Wortmusik, Tief¬
nsterei — doch wie gedankenarm und im
sch ist all dieses Getue! In seinen größeren
annsthal durchweg ein Nachdichter. Wie
in den letzten Jahren an Shakespeare,
inn von Aue, Grillparzer, Browning, wie
iener Beer=Hofmann in seinem „Grafen
Berlin.
Ernst Hardt.
rtig
darstellungen des letzten Menschenalters. Der aufrege
den Wirkung des Stückes und des Spiels konnten sich
selbst solche Zuschauer nicht entziehen, die hinterher auf
den großen Abstand zwischen der „Elektra“ des alten
Sophokles und der des jungen Österreichers hinwiesen.
Ich stehe auch nicht an, zu erklären, daß abgesehen
von den überragenden Schönheiten der Sopholleischen
Tragödie — mir Hofmannsthal in einem wesentlichen
Punkte den furchtbaren Stoff stilgerechter als der große
Grieche behandelt hat. Was in der „Elektra“ geschieht,
und was den Geschehnissen vorausgegangen ist: Gatten¬
mord, Verfolgung der eignen Kinder durch die Mutter,
Aufstachelung des Bruders durch die Schwester zur Er¬
mordung ihrer Mutter, endlich die Abschlachtung hinter
der Bühne, doch so, daß wir den Todesschrei der beiden
Opfer hören, dazu der anfeuernde Ruf der Schwester
an den Bruder zur Wiederholung des Todesstreiches:
kein Drama der Weltliteratur bietet ähnliche Greuel
dar, und zu ihrer Darstellung gehört ein Stil, der
nicht wie der des Sophokles edel tönt und schönt, wo es
nichts zu tönen und zu schönen gibt.
Ich schließe der Landsmannschaft wegen hier ein Wort
über den österreichischen Schiller=Preisträger und seinen
deutschen Preisgenossen an: über Karl Schönherr und
Ernst Hardt. Karl Schönherr, geboren 1868 im tiro¬
lischen Arams, hatte sich schon durch sein Drama „Sonn¬
wendtag“ (1902) einen guten Namen gemacht, ohne uns
von einer unzweifelhaften Begabung für das Drama zu
überzeugen. Sein preisgekröntes Stück „Erde“ hatte ich
bald nach dem Erscheinen im Buch gelesen, manchen kräf¬
tigen Auftritt darin gefunden, doch nie ist mir dabei der
Gedanke gekommen, es sei das Stück, das die Bedingungen
des Schiller=Preises erfüllte. Indessen, die Geschichte dieses
Richard Veer=Hofmann.
Preises mit seinen Verteilungen und Nichtverteilungen hat
uns so bescheiden gemacht, daß wir schon sehr zufrieden
sind, wenn der Preis ein nicht wertloses Stück und einen
Dichter belohnt, von dessen Streben wir noch Gutes
erhoffen dürfen.
Ernst Hardt, geboren 1876 in Grandenz, war bis¬
her als Lyriker besser bekannt denn als Dramatiker. Sein
Schauspiel „Der Kampf ums Rosenrote“ hatte mir beim
Lesen vor einigen Jahren den Eindruck gemacht, den so
viele halbgute Stücke hervorrufen: dieser Dichter versteht
kräftig einzusetzen, doch versagt ihm die Hand zur kraft¬
vollen Weiterführung. Sein doppeltgekröntes romantisches
Die deutschen Dramatiker der Gegenwart. II.
Karl Schönherr.
Drama „Tantris der Narr“ ist ein gutes Stück Lyrik —
ein Drama, vollends ein wirksames Bühnenstück ist es
nicht. Auch hier aber wollen wir uns freuen, daß ein
wirkliches Talent ermutigt wird.
Ich mag nicht endigen, ohne eines Seitenschößlings
unseres gegenwärtigen Dramas zu gedenken: der Brettl¬
kunst. Sie ist ja längst dem Schicksal literarischer Moden
verfallen, deren Dauer in der neusten Zeit kaum die der
Krawattenmoden erreicht, und etwas bleibend Wertvolles
hat sie nicht hinterlassen. Dennoch hat sie einen begabten
Tramatiker, zwar nicht hervorgebracht, doch in den Vorder¬
grund gezogen: Hanns v. Gumppenberg, geboren 1866
in Landshut. Da in Deutschland ein jeglicher von den
Kanzleiräten und Registratoren der Literatur in ein be¬
stemmtes Jach geschoben wird, so hat sich Gumppenbera
gefallen lassen müssen, daß man ihn in die Schieblade
der Brettldramatiker gestopft hat, und das ist ein wahres
Unglück für diesen echten dramatischen Dichter geworden.
Sein dramatisches Vermögen reicht vom ausgelassensten
Bühnenscherz, von den zwerchfellerschütternden „Über¬
dramen" über das zierliche Bühnentändelspiel („Die Minne¬
königin“) und das echte Lustspiel („Münchhausens Ant¬
wort“) zum tiefen Gedankendrama und gipfelt in seinem
höchsten Wurf, dem „Messias“, dem dichterisch wertvollsten
Christusdrama unserer Literatur. An dem Dramatiker
Gumppenberg begeht die deutsche Bühne schweres Unrecht,
daß sie seine künstlerisch reifen Schöpfungen nicht beachtet.
Ich kann von ihm nicht scheiden, ohne seines unvergleich¬
lichen Büchleins zu gedenken: „Teutsches Dichterroß, in
allen Gangarten vorgeritten“. Ich kenne in keiner Lite¬
ratur eine so künstlerische, zugleich so ausgelassene Samm¬
lung von dichterischen Parodien.
Hanns v. Gumppenberg.