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der Forschung im allgemeinen garantiert. Sie alle
ser Herkunft.
haben also ethische Ziele, in deren opferfreudiger Ver¬
folgung sie unsere Bewunderung verdienen. Man hat
hitzler, Wedekind, Beer=Hofmann,
wohl gemeint, Schnitzler wolle besonders den jüdischen
Shaw, Anzengruber.
Professor Bernhärdi als Menschenfreund gegen Geist¬
semitischer und germanischer
lichkeit und Politik als Trumpf ausspielen, ich kann
wahrhaftig keine Kleinigkeit.
aber keine wesentlich verschiedene Behandlung der
passiert, daß er Dramen sah
Hauptfiguren finden. Darum wirki auch der Achtungs¬
g zu haben, welcher Rasse der
beweis des Priesters vor dem Professor ganz natürlich.
es nicht fast unglaublich an,
Beide sind Ehrenmänner, die beide auch etwas Politik
deutsche Dramatik geben soll,
treiben, nämlich ihren inneren Pflichttrieb den
ei uns ansässigen Juden sich
äußeren Umständen anpassen, ohne ihn doch zu schä¬
und im Sinne des allge¬
digen. Gesunde, nicht übertriebene Anschauungen
ndens dichten, sondern auch,
reden aus ihnen, aber diese Anschauungen sind rein
en im Grunde ein Einerlei
ethisch bestimmte: in dem ethischen Moment erblicke
nlicht nach Rassenmomenten
ich den Hauptcharakter des Schnitzlerschen Dramas.
Die Themen, die Schnitzler¬
Auch in den anderen mir bekannten Dramen
d Shaw, Beer=Hofmann und
Schnitzlers, in „Liebelei", „Anatol“, „Der Ruf des
unterscheiden sie sich denn
Lebens" u. s. w. finde ich die gleiche charakteristische
sind Probleme menschlichen
Note. Das Denken aller Figuren ist egoistisch oder
nicht überall dieselben? Der
altruistisch bestimmt. Das Gute und Böse, menschliche
esonders das Verhältnis des
Leidenschaft und Stumpfsinn. Liebe und Haß spielen
senen Ich oder das zu Gott
darin die Hauptrolle, also das Verhältnis von Mansch
allgemeinen Idee, zur Frei¬
zu Mensch unter der Richtschnur von Gesetzen, die als
hrheit, aber diese Sonder¬
überlieferte oder selbstver=ndliche unerbittlich Berück¬
nicht auf die Rassen aufge¬
sichtigung fordern. Das individuelle Verhalten hat
rall gibt es religiöse und
sich por inneren oder äußeren Befehlen zu verant¬
eDenker, bei den Germanen
worten. Das wird je vom Pubiikum gar nicht als
Juden. Ist da nicht alle Un¬
etwas Besonderes empfunden und ist auch nur das
herein als Künstelei abzu¬
Echo alltäglichen Erlebens, dem wir auf Schritt und
Tritt um uns her begegnen.
bkenne ich, was einer Unter¬
Minder alltäglich muten die Probleme an, wesche
igentümlichkeiten entgegen¬
Wedekind behanbelt. Ueber Frank Wedekind zunächst
Beeinflussung. Man kann ja
eine die Rasse betreffende Bemerkung. Wedekind hat
den ursprünglichen Anlagen
zum Vater einen Ostfriesen, aber seine Mutter stammt
d doch der Ansicht sein, daß sie
aus Ungarn und durch sie dürfte, gemäß dem Literatur¬
Lenken in „einem“ Staat, an
historiker Adolf Bartels, der in diesen Fragen beson¬
tituten, Schulen und Lebens¬
ders genau unterrichtet ist, eine jüdische Blut¬
Besuch „derselben“ Theater.
beimengung sich ergeben haben, die, wie Porträt und
verwischt, Völker und Rassen
Verhalten bezeugen, ausschlaggebend für des Dichters
ähnlicher werden. Die Mög¬
Eigenart gewesen ist. Jedenfalls habe ich ein Recht,
Anpassung wird niemand
Wedekind als jündischen Dichter zu beurteilen.
In der Welt strebt alles nach
Wedekind, der vor einem Jahre Verstorbene, ist
nach Ausgleich von Rassen¬
einer der umstrittensten modernen Dramatiker, ge¬
ge ich da gleich, wie entstanden
schmäht von vielen, bewundert von nicht wenigeren,
Differenzen, die sich später
ein Typ. der rücksichtslos die zweideutigsten Existenzen
Doch wohl nur durch eine Ten¬
auf die Bühne stellte und die sie als Helden verherr¬
ntrasten, und sollte denn diese
lichte. Ich enthalte mich auch hier des Urteils, ob mir
sein? Sollte sie nicht auch
seine Gestalten sympathisch sind oder nicht, darauf
scheidenden Eigenschaften er¬
kommt es nicht an, jedenfalls sind es Gestalten, die in
für selbstverständlich und finde
der Wirklichkeit immer gelegentlich auftreten und in
nur gestärkt, wenn ich eben
ihr vorbildlich wirken. Unstreitig unterscheiden sie sich
betrachte. So sehr auch eine
von den Schnitzlerschen Gestalien. Diese handeln im
fleichung hier nachweisbar ist.
Banne von Gesetzen, wenn sie auch dagegen sündigen.
och, gleichsam unterirdisch, die
Wedekinds Gestalten aber handeln nur im Banne der
e, die, man kann vielleicht
eigenen Kraftveranlagung, der sie alle anderen Inter¬
ßtsein des Dichters, ja gegen
essen unterordnen. Es sind Kraftmenschen, sogenannte
etzen. Wer einmal darauf auf¬
Uebermenschen, richtiger gesagt: Willkürmenschen,
der hört bald hier und dort
Abenteurer, kühne leidenschaftliche Gestalten, die sich
heraus, die beweisen, daß
gegen Gesetze aufbäumen und die Freiheit predigen.
Erbgut ist, das klar zu er¬
Wohin wir auch in die Wedekindschen Dramen sehen,
tigste Kulturaufgabe bedeutet.
überall begegnet uns dieser Typ. In „Frühlings¬
denn versuchen, im modernen
erwachen“ kämpfen schon die Knaben um das Recht
n zu treffen, die sich auf
der Persönlichkeit, in „Erdgeist“. „Büchse der Pan¬
lches Denken beziehen. Ich be¬
dora“, „Franziska“. „Schloß Wetterstein“.
ung jüdischer Dichter. Dabei
„Marquis von Keith“ werden leidenschaftlich bewegte
ranien herausgreifen, die zum
Figuren dargestellt, die sich selbst genießen, durch die
henden germanischen Werken
eigene Kraft behaupten wollen, die dabei die Bewun¬
Hier eine Auslese zu treffen,
derung anderer finden, fast immer aber zuletzt dem
appe Zeit.
Ansturm des Durchschnitts, der sich nicht dauernd mi߬
tt dem angefangen sei, wähle
achten läßt, unterliegen. Am reinsten kommt, wie
or Bernhardi“ Ein ungemein
mir scheint, die Wedekindsche Eigenart in dem Schau¬
Drama, von dem ich aber —
spiel „Karl Hetmann, der Zwergriese“, auch Hidalla
berücksichtigenden — sogleich
genannt, zum Ausdruck,
m nicht seine ästhetische Be¬
Hier tritt uns Wedekind selbst in seinem Streben
mposition. Sprache, Gedanken¬
nach Schönheit, Freiheit. Uebermenschentum, Persön¬
ern nur eine rassige Eigenart.
lichkeit entgegen. Der ganze Sinn des Stückes offen¬
der Stellungnahme der Ge¬
bart sich in den folgenden Worten Hetmanns:
enschlicher Pflicht. Der Inhalt
„Als wäre ich je in meinem Leben auf etwas an¬
von Ihnen bekannt sein. Ein
deres als nur auf den Genuß ausgegangen! Seit ich
Bernhardi, verweigert einem
zu denken begann, kämpfe ich um Erhöhung meines
Zutritt zu einer Sterbenden,
vor ihrem Tode Momente des Lebensgenusses!“ hne Meee. ue u
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tinn Pa e r
Schnitzler; nur der Typ der Persönlichkeiten wechselt,
um die Persönlichkeit dreht sich aber alles. Das gilt
nun auch für den dritten jüdischen Dramatiker, den
wir noch berücksichtigen wollen, für Richard Beer¬
Hofmann.
Vor Jahren sah ich von Beer=Hofmann den
„Grafen von Charolais“ und er machte auf mich einen
tiefen Eindruck wegen der ungeheuren ethischen Kraft,
die daraus sprach. Ein Ritter opfert alles Glück seinem
Ideal von Ehre und Pficht: das erinnerte mich an die
klassischen französischen Dramen Racines und
Corneilles, die auch die Tugend zum höchsten Gesetz
erheben. Doch in dem neuen Drama des Dichters,
in „Jaäkobs Traum“, das vom Burgtheater aufge¬
führt ward, begegnet uns eine andere Note. Da be¬
gegnet uns das Ringen eines Messias nach klarer Er¬
fahrung der eigenen ungeheuren Bestimmung.
Jaäkob, der Erzvater, der aus der Heimat flieht, weil
er den Bruder Edom — in der deutschen Bibel Esau
genannt — um sein Erstgeburtsrecht betrog, ringt
in der Wüste mit den Engeln Gottes und mit Gott
selbst, bis er vollkommen erkannt hat, was Gott mit
ihm bezweckt. Es ist zugleich das Ringen des jüdischen
Volkes um Erkenntnis seiner Aufgabe. In den ge¬
waltigsten Gedanken steigert sich das Stück; so tief
haben wenige Menschen in ihre eigene Veranlagung
hineingeleuchtet als Jaäkob als jüdischer Messias in
sich selbst, und wir vernehmen so erschütternde Worte
von Stolz und Freiheit, Gottes= und Menschengröße.
vom Zwecke der Schöpfung und des Menschendaseins,
daß wir gebannt dem unerhörten Ringen lauschen.
Auch wer ganz anders empfindet, wird davon gepackt.
denn eben das Verhältnis Gott und Mensch wird in
jüdischem Sinne vor uns aufgetan.
Nur dieses Ringen interessiert uns hier. Das
Verhältnis Jadkobs zu Edom und auch zu dem
fönikischen Sklaven Idnibaäl ist wohl meisterhaft ge¬
zeichnet, aber nur insofern wesentlich im Stücke, als
es das seelische Aufstreben Jaükobs nach der vollen Er¬
leuchtung kennzeichnet und darum auf das folgende
vorbereitet. Jaäkeb erweist sich bereits hier als Held.
der die Seelen anderer wunderbar zu erschüttern und
zu meistern vermag, aber seine ganze Größe offenbart
sich doch erst in der Zwiesprache mit den von Gott ge¬
sandten Engeln, mit dem Warner Samäel, das ist
dem Vertreter der Kreatur gegenüber Gott, und mit
Gott selbst. Die Engel fordern bedingungslose Unter¬
werfung Jaskobs unter die Pläne Gottes, der mit
ihm das Größte vorhabe. Samäel warnt ihn vor
solcher Größe, die ihm nur entsetzliches Leid bringen
werde. Zu den Engeln sagt er:
„Ich lästre nicht! Ich kann nur nicht lobsingen.
Gleich euch, die ihr euch sonnt in seinem Strahl!
Doch euren Sang mit Zimheln und Posaunen.
Ihn übertönt furchtbar der Schrei der Qual,
Der aufsteigt, ewig aufsteigt, niemals endend.
Aus seiner Welt! Ich neide sie ihm nicht!“
Jaäkob aber läßt sich weder von ihm noch von
den Engeln beeinflussen, sondern in seinem tiefsten
Innern verspürt er sich Gott selbst verwandt und
fordert dessen eigenes Wort. Zu den Engeln sagt er:
„Wand seid ihr zwischen mir und Gott!
Durch euch hindurch drängt doch zu ihm mein Schrei!
Gatt wählt mich aus — Gott will mich nicht als Knecht,
Gott will mich stolz und wahr, Gott will mich frei.“
Und in der Tat, Gott will es sol Die Stimme
Gottes ruft aus den Wolken:
„Wenn andre kniend zum Erbarmer flehen.
Ueb' ich Erbarmen wie der Herr am Knecht!
Doch du sollst aufrecht vor dem Vater stehen.
Erbarmen — weigre ich! Fordre du — dein Recht!
Um meinen Namen magst du Unerhörtes dulden,
Doch noch in Martern fühl, daß ich dich nie verwarf!
Ich will ja nur, mein Sohn, mich dir so tief verschulden.
Daß ich zur Sühne dich erhöhn vor allen darf.
Wer so etwas denkt und fühlt, der zeichnet uns
das Verhältnis des Messias zu Gott. Jaäkob als
Sohn Gottes, der im Auftrage des Paters und doch
frei, weil eben selbst von göttlicher Art, handelt: er
klärt uns über letzte Tendenzen des Judeniums auf