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2. Cuttings
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Seite 13
29 Mai 1927
Suggestion, Gedankenübertragung und Piychotherapie; seltener
lbesaßt er sich mit Paiblikationen über Kehlkopftrankheiten, die seinem
Vater vorbehalten scheinen, und muß auch manchmal über allgemein¬
medizinische Handbücher schreiben, wobei sein Sarkasmus öners
zum Vorschein kommt. Erwähnenswert ist dabei seine Sympattie
für Siegmund Freud, dessen Uebersetzungen nach Charcot und
Bernheim er ausgezeichnet, geradezu meisterhaft nennt. Von be¬
sonderer Bedeutung für die Entwicklung Schnitzlers scheinen seine
Kritiken über sexuelle Pathologie und Psychopathie (Krafft¬
Ebing, Schuster und andere). Am 23. November 1890 berichtet
er über des Schweden S. Ribbing Werk „Die sexuelle Hygiene
#l)
und ihre ethischen Konsequenzen“, und dieses Reserat war mit
seiner prinzipiellen Auseinandersetzung über „unmoralische“
2 Literatur interessant genug, um neuerlich hier wieder abgedruckt
zu werden. Literarische Anklänge hat auch die Besprechung über
Lombrosos „Der geniale Mensch“ (4. Januar 1891), das
Schnitzler ein wunderbares Buch nennt und dem er doch gewisse
Vrhalte machen muß Zum Beispiel: „Heine sollte Deutschland
gehaßt haben? Er hat sich unter bitteren Schmerzen von seiner
Liebe zu demselben heilen wollen: das ist die Wahrheit.“
Im Juli 1888 schon hatte Schnitzler von einer Studien¬
reise nach England Originalkorrespondenzen in seiner Zeitschrift
erscheinen lassen: drei „Londoner Briefe“, deren letzter eine heitere
*
Beobachtung aus dortigen Spitälern enthält: „... In den meisten
Sälen, auch in den für den Empfang der ambulatorischen Kranken
bestimmten Räumen, finden sich an den Wänden und Türen
Bibelsprüche, die au, die Stimmung der Patienten einen mehr.
oder minder ermunternden Eindruck zu üben imstande sind. Es
läßt sich sicherlich nichts dagegen einwerden, wenn der Kranke
zu lesen bekommt: „Tut einander Gutes“ und auch dem##
Spruche „Wen der Herr liebt, den züchtigt er“ kann.
N
20
eine gewisse Wirkung auf Gemüter, die für diese Art von
Schmeichelei empfänglich sind, nicht abgesprochen werden; wenn es
einem Krankendoch mit gewaltigen Buchstaben entgegendräut:
„Wer gesündigt hat, miß sterben“, so wird er daraus bei genauer
Verücksichtigung seiner bisherigen Lebensführung wohl nur se#e
einen wahren und bleibenden Trost schöpsen können ...“
vig
Zu Neujahr 1889 veröffentlicht Artur Schnitzler „Silvester¬
3hm- betrachtungen“, die unter anderem von konsessioneller Unduldsamkeit
adg
sprechen und einen auffallenden Pessimismus verraten: Es gäb¬
####.
vielleicht genug große Aerzte, aber sicher nur wenige große
Menschen. Wie mag diese Moralpredigt des jungen Redaltems
von den alten Lesera ausgenommen worden sein? Im
Arde
selben Jahre aber ließ Artur Schnitzler auf Grund seiner
*
einzige selb¬
die
ersie und
S
eigenen Erfahrungen
Ein, ständige wissenschaftliche Arbeit in jener Zeitschrift drucken
(10. März bis 7. April 1.889), die dann als Sonderabdruck bei
war
[W. Braumüller, Wien, erschienen ist: „Ueber sunktionelle Aphonie
und deren Behandlung durch Hypnose und Suggestion". Der
istanie
gann= nämliche Verlag gab 1891 bis 1895 Johann Schnitzlers
ohne „Klinischen Atlas der Laryngologie nebst Anleitung zur Diagnose
iher und Therapie der Krautheiten des Kehlkopfes und der Luströhre“
ise in heraus, der untei Mitwirkung der beiden Assistenten (Schwieger¬
eine sohn und Sohn) des Gelehrten entstanden war: Dr. Mareusz
ze= Hajek und Dr. Artur Schnitzler. Dieser hatte aber nur beim
1 der Text der ersten fünf von den sieben Lieserungen des Atlas mit¬
gewirkt.
Khluckte
ich
sehen.
Die moderne Großmutter.
it¬
Die Fünfzigjährigen lassen sich scheiden. — Die Tragödie einer
under¬
sechsundvierzigjährigen Ungarin.
den bare Gestalt.
Originalbericht des „Neuen Wiener Journals“.
halb
Ich war zerschmettert, unglücklich, voll' wirren Gefühls.
Die moderne Jugend ist gegenwärtig ein häufig und gern
habe Alles, was ich für sie empfunden hatte, war versunken in einem
die höhnisch klaffenden Abgrund. Ich ging. Wenn sie mir in Zukunft gebrauchtes Schlagwort, trotzdem im letzten Jahrzehnt die Jugend
daß begegnete, sah ich unwillig weg, ich wußte viel zu viel von ihr, sich tatsächlich vielleicht weniger verändert hat als die Generation
aber ohne daß sie es ahnte. Ich mochte nichts mehr von ihr wissen, der im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt Stehenden. Vor und
copaich haßte sie wegen ihrer abscheulichen Gewohnheit. Obwohl ich auch noch während der Kriegszeit wurde beispielsweise die vierzig¬
jährige Ehefrau und Mutter nicht nur von ihren Verwandten und
ensatz weiß, daß solche Dinge geschehen, vielsach, zu Wasser und zu
Bekannten schon zur Generation der Großmütter gerechnet, sondern
Lande, von San Francisco ostwärts bis in die blühenden Kirsch¬
sie zählte sich auch gewöhnlich selbst zu den „Alten“ und war
gärten von Jokohama.
ängstlich darauf bedacht, nicht durch ein zu jugendliches Benehmen,
n