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er Robert Michel) Österreichische
ich /Die österreichische Landschaft
Osterretens
chter
STHAL, ANTON WILDGANS, ARTHUR SCHNITZLER
Ansprache von Felix Braun
manches und nicht bloß das, was sie dem,zold. Indem ich diese Aufeinanderfolge
Vaterlande, dem alten Kaiserreich, ver- feststelle, die innerhalb weniger Jahre
aus Österreichs Dichtern einen langen
dankten. Obwohl jeder einem andern
Totenzug gemacht hat, kann ich mir nicht
Stand angehörte — Hofmannsthal kam
verwehren, das Ereignete zu deuten.
von oben, Schnitzler aus der Mitte, durch
Starben die Dichter dem Vaterlande
die Tiefe Wildgans — verband sie die
Zeit, die bei aller Schwäche, ja Müdigkeit nach? Folgten sie dem alten Reich hinab
in die Vergangenheit? War das der Sinn?
für die Künstler entscheidend war. Hof¬
Bestand nicht Raum mehr für sie? Be¬
mannsthal und Schnitzler stehen, als vom
durfte man ihrer nicht weiter (denn mit
Fin de siècle bestimmt, näher zusammen;
aber so ferne einander stilistisch das Ausnahme Schnitzlers sind sie alle ja
„Salzburgen Große Welttheator“ und der jung gestorben)? Wir. die hier versam¬
Einakter „In Ewigkeit Amen“ scheinen: melt sind, wagen keine Antwort, aber so
mancher mag in gewissen zu schweren
das Wort über dem äußeren Burgtor, dalz
Augenblicken diejenigen vielleicht glück¬
„Die Gerechtigkeit das Fundament der
lich gepriesen haben, die nicht mehr dem
Regierungen“ sei, liegt beiden Dramen in
jenem besonderen Sinn zugrunde, den Druck der Zeit Widerstand leisten müs¬
ANTON WILDGANS
ein aus vielen Nationen bestehendes, inisen. Können wir uns Rilke oder Hof¬
einem humanistischen Geist geleitetes mannsthal heute noch als mitlebend vor¬
stellen, Mächten unterworfen, die sie nie Kräfte, durch welche z. B. die Kunst be¬
Reich für sich in Anspruch nehmen
anerkannt, an denen sie vorüber gelebt
durfte. Das Uberwiegen des Dramas in
dingt ist, geradezu aussterben; die Lust
hatten? Bedenke ich, daß für die drei
der österreichischen Poesie hat seine Be¬
am Lügen, am Ungenauen, am Symboli¬
Dichter, die wir heute ehren, ihre Kunst
deutung in jener überwaltenden Gerech¬
schen, am Rausche, an der Ekstase könnte
Alles war, so weiß ich nicht, ob es das
tigkeit: wer je einen Dialog geschrieben,
in Mißachtung kommen. Ja, ist das Leben
Schicksal nicht eher gut mit ihnen ge¬
erst im vollkommenen Staate geordnet, so
wird nie mehr wähnen, es könne das
meint hat, als es sie zur rechten Frist
ist aus der Gegenwart gar kein Motiv zur
Recht auf einer Seite allein bleiben und
entrückte. Nicht allein dem alten Reich:
gelten. Dieser Geist ist heute, wir wissen
Dichtung mehr zu entnehmer, und es
einer ganzen Welt und Ara sanken ihre
es, imn Sinken.
würden allein die zurückgebliebenen Men¬
schen sein, welche nach dichterischer Un¬
Wenn in Hofmannsthal das theresiani- Schatten nach. Gewiß erfreuen wir uns
wer
sche, in Schnitzler das josephinische, in noch manches reinen, ja großen Dichters
wirklichkeit verlangten. Diese würden
aus ihrer Zeit und auch aus der neuen
dann jedenfalls mit Sehnsucht rückwärts
Wildgans das francisco-josephinische und
Jugend; namentlich die Alpenländer ha¬
schauen, nach den Zeiten des unvoll¬
zugleich auch das barocke Österreich sich
1
ben uns ein wertvolles Talent nach dem
kommenen Staates... nach unseren
abgebildet haben, so sind das verschieden
andern gedeihen lassen. Gleichwohl will
Zeiten“. Fühlte das Hofmannsthal, wie er
genug scheinende Aspekte: die Idee der
Der
es scheinen, als ob der Stern, der noch um
das Erdb. ben von Messina gespürt hat?
Menschlichkeit aber ist, nicht mit dem ge¬
ra¬
die Jahrhundertwende hier in Wien den
In einer Gesellschaft, an der er teilnahm,
ken redeten Pathos der Nachkriegsjahre,
jungen Dichtern Vers um Vers aus der
wurde — so erzählte man mir — die
der sondern in dem Begriff des von Kant,
Seele gelockt hat, im Verlöschen wäre.
Frage gestellt, was der Dichter eigentlich
des Goethe und Beethoven bezeugten deut¬
jetzt noch machen solle. Mit seiner hohen,
schen Humanismus überall so tragend,
ene
schrellen Stimme erwiderte er: „Nichts!
wie man noch an späten Bauten die antike
ent
Sterben!“
Säule verwendet hat, nicht als Zierat, son¬
ehr
Andererseits jedoch müssen wir uns
dern als Ausdruck des einzig Würdigen,
auch der erhebenden Tatsache bewußt
wodurch fernste Geschlechter und Epo¬
sein, daß ir — immer noch! — dem ein¬
chen in die Gegenwart sich ohne Zwang
der
zigen Jahrhundert angehören, in dem die
fügen.
nd
österreichische Dichtkunst geblüht hat
„Wenn endlich Juli würde anstatt!
sten
und fort blüht. Im Mittelalter hat der
März“: so beginnt das Gedicht „Des alten
er“
babenbergische Hof kurze Zeit die Dichter
Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“.
Enn
um sich versammelt: Walter von der
Im Juli des Jahres 1929 wurde Hofmanns¬
Vogelweide erwachte hier, erstrahlte und
thal uns weggerissen; zwei Jahre später,
ers
ging wie ein göttlicher Sonnen-Abschied
an einem Herbsttag standen wir vor
hier unter. Aber dann: welche langen
Schnitzlers Grab; im nächsten Frühling
ätet
Jahrhunderte ohne Kunst in unseren Län¬
umkreiste der Trauerzug mit Anton Wild¬
ng¬
dern! Erst das Barock erweckte sie wie¬
gans' Sarg das Burgtheater. Innerhalb
ten
der: die Architektur zog die Bildhauerei
dreier Jahre schieden diese drei uns not¬
on
und die Malerei an sich; ihr folgte die Mu¬
wendigen, sehr geliebten Dichter von
fen,
sik Glucks, Haydns, Mozarts, und im To¬
end uns. Aber weiter zurück uns entsinnend,
desjahr Mozarts wurde der erste Dichter,
ARTH
R SCHNITZLER
hmisehen wir alle wohl noch jenen schreck¬
wurde Grillparzer geboren.
eit lich nebeligen 29. Dezember 1926, da die
Seither lebt bei uns die Dichtung — im¬
„Wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ Dies
ete Nachricht von Rainer Maria R.i¬
mer noch! Denn wenn in unseren Tagen
chtikes Tod uns so traf, daß seither die Welt fragte Hölderlin. In einem Aufsatz von
ein „Apostelspiel“ und die herrliche Lyrik
Rudolf Pannwitz in der „Welt im Wort“
uns um vieles dunkler geblieben ist. Im
om
von Max Mell entstehen konnten, so ist
den Krieg kam GeorgTrakl um sein Le-fand ich eine Stelle aus Nietzsche zitiert,
das nicht weniger, ja, in gewissem Be¬
ben. im Nachkrieg verloren wir Thad-die einer erschreckenden Prophezeiung
tracht sogar mehr, als was den Vorfahren
ernidäus Rittner und Alfons Pet-gleichkommt; sie lautet: „Es könnten