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2. Cuttings
Rivalinnen im Schauspiel nicht allein, sondern
Schicksal, und eine Hand, die sie in die Höhe finden vermochten wie das Publikum. Aus all
auch im Singspiel übertreffen, um jeden Preis
den Süßigkeiten wurde auf der ungarischen
ziehen, oder eine, die sie in die Tiefe stoßen will,
Erfolge erringen, und; da heißt es denn, das
läßt sie nicht mehr los. Atta Troll entfloh bär= Bühne schließlich: Zuckermelone mit Paprika,
unterste zu oberst kehren und den Wahlspruch
beißig seinem Treiber; denn der Ring in der — ein Gericht, das der Ungar wohl zu ver¬
der modernen Operettensängerin beherzigen:
Nase beleidigte sein Selbstgefühl. Auch der speisen pflegt, das ihm aber kaum mundet, und
„Lieber dreimal ausziehen, als einmal ab¬
einem anderen schon gar nicht. Die Megyaszay
ungarische Bär wird an der Nase geführt; nur
brennen.“
ist zweifellos ein Talent. Sie erinnert an die
steckt der schmerzhafte Ring nicht mehr im
emde
Weder in der Operette noch im Drama muß
Riechorgan, sondern am Finger. Dem Trauring Mela Mars und die Yvette Guilbert, nicht nur
se des
die begabte Künstlerin befürchten, daß sie „ab¬
weil ihre Backenknochen ebenso scharf hervor¬
ist eben am allerwenigsten zu trauen.
chnell
treten, wie bei dieser, und ihre Stimme ebenso
brennen“ könnte, denn selbst in der Rolle des
In Ungarn, wo das sogenannte schwache
besaß
„süßen Mädels“, das ihrem magyarischen
schwach ist, wie die der anderen, sondern auch
Geschlecht ganz und gar nicht schwach ist, kann
likum
Temperament hundert deutsche Meilen fernlag,
weil sie im Vortrag den Reiz und die Pikan¬
das „süße Mädel“, dessen Leben eigentlich nur
Ehe¬
hatte sie Beifall. Freilich, selbst wenn sie muster¬
terie, die Ausdrucksfähigkeit und die Dar¬
aus schwachen Stunden besteht, bloß einen
urige
haft gespielt hätte, würde das ungarische Publi¬
stellungskraft beider vereinigt und die Meister¬
fremdartigen, exotischen Eindruck machen.
iratet
kum ihre „Liebelei" nicht verstanden haben
kunst versteht, mit den kleinsten Mitteln die
Selbst die Schauspielerinnen des National¬
n un¬
Ihre Darstellung goß wohl Wein ins Wasser
größten Wirkungen zu erzielen. Sie ist aber
theaters, die dazu berufen sind, alle Geheimnisse
nsich
aber auch das half der „Liebelei“ nicht, denn
des weiblichen Herzens im Osten und Westen! ein unruhiger Geist. Im jüngsten Jahre sah
. und
im Magyarischen hat die Liebe keinerlei
man sie in einem Sommertheater, dann in
der Weltliteratur zu enthüllen, wußten sich
garn
Diminutiv, sondern bloß einige Superlative.
einem Variété, hierauf im Lustspieltheater,
keinen Rat, und so mußte denn eine Dar¬
frauen
Goethe sagt schon: „Deutsche mögen gern die
später in einem Kabarett, hernach im Königs¬
stellerin für die Hauptrolle in Schnitzlers
von
naiven, ruhigen, nicht die leidenschaftliche
theater und schließlich im Nationaltheater, von
„Liebelei“ aus der Nachbarschaft geborgt
ungen
Frauen“, und wenn einer, so war der Altmeister
wo sie direkt wieder auf eine Brettlbühne
werden. Diese nächste Nachbarschaft war selbst¬
meist
auf diesem Gebiet stets Meister und niemals
sprang. Aehnlich jenen leidenschaftlichen Sport¬
verständlich ein Kabarett. Denn in Budapest
wenn
alt. Aber dem ungarischen Geschmack entspricht
freundinnen, die jede interessante Gegend
pielen vermehren sich die Kabaretts jetzt so wild, daß
dieser Ausspruch nicht. Die süßen Mädchen der
mindestens einmal sehen wollen, will sie in
sie bereits die Kaffeehäuser überflügelt haben,
n die
deutschen Literatur sind dem Magyaren zu
jedem Theater wenigstens einmal gewesen sein,
und dabei sind die Kaffeehäuser hier zahlreicher
samt.
süß. Er würde vielleicht die selbstlose Auf¬
aber bei derartigen Kraftleistungen magert
als die Häuser überhaupt. Man darf füglich
ndie
opferung Gretchens und Käthchens — sie waren
selbst die üppigste und eingefleischteste Theater¬
sagen: Der magyarische Globus hat ein modernes
eben
bereits süße Mädel mit klassischen Versfüßen —
fanatikern ab. Wie erst die Megyaszay, die
Brettl vor dem Kopf. Die Rolle der butter¬
t auf
hinnehmen, aber die Ungarin begreift di
immer so schlank war, daß man leicht erraten
weichen Christine, dieses süßen Mädels, das
haben
Opfersehnsucht der alten und neuen, der historis
konnte, warum sie einer überzarten Libelle
anfangs Zuckerwasser weint und schließlich
n ein
schen und der hysterischen süßen Mädel ganz
gleich von Bühne zu Bühne flatterte: sie besaß
Feuer speit oder wenigstens schreit, gelangte
und gar nicht; sie goutiert die Musikantentöchter
keinem
eben kein Sitzfleisch! Und deshalb war sie bald
in die Hände der Brettldiva Vilma Megyaszay,
stand,
Christine Weirig ebensowenig wie die Musi¬
hier und bald dort, spielte heute Naive und
die den Leichtsinn mehr leicht als sinnig dar¬
n an¬
kantentochter Luise Miller, denn diese Limo¬
morgen Heldenmütter, sang einmal im Kaba¬
stellte. obwohl er vom Dichter eher sinnig als
weisen
naden sind ihr zu matt...
rett und mimte ein andermal im Drama. Sie
leicht gemeint war. Der Dichter kam, genau
n hin
Wäre Hamlet ein ungarischer Königssohn
flog vom Kothurn direkt in die Operetten¬
geben, genommen, nur selten zu Wort. Uebersetzung
gewesen, er hätte niemals den Ausspruch ge¬
und Darstellung vermagyarisierten ihm die trikots hinein, machte sogar die geschmacklosen
sist
wagt: „Schwachheit, dein Name ist Weib!“, denn
#u ver- ganze Liebelei, in deren subtilen Herzensfragen Toilettenwechsel und endlosen Entkleidungs¬
für die Erfahrungen, die er bei seinem süßen
weige und heiklen Gemütsproblemen sichder Translatorszenen die den Modedivettes auf den Leib ge¬
st ihr und die Schauspieler ebenso wenig zurechtzu= ichrieben werden, mit, denn sie wollte ihre Mädel Ovbelig machte. bringen die Blätter