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1. 50th Birthdar
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Unterbaltungs-Beilage
13
zum Hnnaberger Wochenblatt.
6. Jahrgang.
Dienstag, den 14. Mai 1912.
Nummer 37.

Regimentsmusik herüber. Vronis Herz begann tigen, und hatte kaum Zeit, sich anzukleiden, als
Karl Detleff ihn abzuholen kam. Die Einladung
wild zu pochen; sie setzte den Braunen in Trab
zum Mittagessen hatte der ältere Freiherr dem
und flog dem Ziele entgegen. Das Manöver¬
Sohne seiner Jugendliebe selbst gebracht.
feld lag noch etwa einen Kilometer entfernt. —
In gewählter, reicher Toilette erwarteten
Der Abend.
Nach einem scharfen Ritte erreichten sie es; auch
die beiden verheirateten Damen die Offiziere.
der Wagen war nachgekommen. Ein buntes,
Für den Augenblick trug selbst Wilmas Gesicht
Schweigt der [enschen laute
prächtiges Bild entrollte sich vor den Angen der
keinen verdrossenen Ausbruck. Bront erschien
Zuschauer, die von nah und fern herbeigeströmt
Lust:
erst, als alle vollzählig beisammen waren; sie
waren. Gutsbesitzer, Pächter, die Bewohner der
liebte es, zuletzt in die Gesellschaft zu treten,
umliegenden Dörfer und kleinen Ortschaften
Rauscht die Erde wie in
es machte mehr Effekt. Ein angenehmer Schauer
waren zu Fuß, zu Pferde, zu Wagen erschienen,
rieselte ihr über die Haut, wenn sie die vielen
Cräumen
um sich das Manöver anzusehen. Die Dragoner
waren weithin an ihren lichtblauen Röcken er= Blicke bewundernd auf sich gerichtet fühlte, be¬
Wunderbar mit allen Bäuinen,
kennbar. Insanterie, Artillerie und Kavalleries sonders, menn es die Blicke der Männer waren,
die so viel neidloser zu bewundern verstanden
Was dem Herzen kaum be¬
bewegten sich auf dem weiten Plan, scheinbar
als die der Damen.
ohne Ordnung und doch gegliedert und geschult.
wusst,
Heute war ihre mädchenhafte Verwirrung
„Da is url Detleff!“ rief Vronis helle
sehr groß, ihr Herz pochte lebhaft. Ueber
Mädchenstimme, als das Regiment des Bruders
Alte Zeiten, linde Crauer,
und über errötend, stand sie unter der wein¬
vorbeiritt.
Und es schweifen leise Schauer
Der Leutnant hatte die Schwester gehört; er roten Sammetportiere, von der sich ihr reizen¬
des Figürchen plastisch abhob. Das weiße, reich
grüßte militärisch und lächelte.
Wetterleuchtenddurch die Brust.
„Und da, — da ist —“ Vroni konnte nicht gestickte Kleid, die halberschlossene Rose an ihrer
Freiberr von Gichendorft.
weiter denken, ihr ganzes Empfinden lag in Brust paßten zu dem holden Bilde, das sich dar¬
bot. Karl Detleff zog die Schwester neckend ins
ihren Augen. Hinter seinem Leutnant, an der
Zimmer.
Seite der Soldaten, ritt Alvar Mannerheim, der
„Na, kleine Eitelkeit, bist du endlich da?“
im Manöver Unteroffizier geworden war.
sagte er leise.
„Alvar,“ jubelte Vroni heimlich, „ja, das
Dann stellte er ihr die Offiziere vor, zuletzt
muß er sein. Ol er ist noch stattlicher als auf
Mannerheim.
Die Starken und die Schwachen.
dem Bilde!“
Leise klirren seine Sporen, als er das blonde
Auch Alvar blickte zu der schlanken Mädchen¬
Roman von Herbert Rivulet.
Haupt neigt.
gestalt hinüber. Sein ernstes Gesicht erhellte sich
(Freifran G u Schlippenbachl
Ein blitzschnelles Aufschen der grünlichen
und er gab den Blick zurück, der sich auf ihn,
Mädchenaugen. Nur eine Sekunde, aber Alvar
halb herausfordernd, halb scheu heftete.
(Nachdruck verboten.
fühlt, wie seine tiefgebräunte Wange jäh er¬
„Möchte wissen, wer die junge Daure ist?“
Rechlinghausen blickte gerade vor sich hin.
rötet. Eine so offenkundige Bewunderung brach
dachte Alvar nengierig.
Er vermied es, die Augen nach rechts und links
aus Bronis Augen. Unwillkürlich dachte der
Das Manöver nahm seinen Fortgang. Die
zu wenden; es gab ihm jedesmal einen Stich
Fr willige daran, daß sie dem Bruder sein Bild
blauen Dragoner schnitten gut ab, Mannschaften
weg enommen hatte.
ins Herz, wenn er die Strecke passierte. Von
und Offiziere waren gleich schneidig.
seinem Vater hatte Karl Detleff den Wald in
„Bitte, führe als quasi Vetter meine Schwe¬
Mit klingendem Spiel rückten die verschie¬
vorzüglichem Zustande geerbt; damals gab es
ster,“ sagte des Leutuants Stimme, die wie aus
denen Regimenter in die ihnen angewiesenen
noch eine gute Jagd in dem grünen Revier.
weiter Ferne zu kommen schien.
Quartiere ein; die Soldaten lagen in den Dör¬
Wie hatte der Sohn das von den Ahnen Geheg¬
fern oder im Biwak, die Offiziere zum größten
Mannerheim ist so benommen, daß er nicht
te und Gepflegte verwaltet!
Teil auf den Gütern.
gleich tut, was von ihm erwartet wird, so daß
„Was Du ererbt von deinen Vätern hast, er¬
„Leutnant von Rechlinghausen, Sie und Ihre
die anderen Paare schon ein Stück vorangeschrit¬
wirb es, um es zu besitzen.“
ten sind. Endlich reicht Broni mit einer tiefen
Leute nach Schloß Rechlinghausen,“ sagte der
Er hatte das ernste Dichterwort nicht begrif¬
Verbeugung den Arm, und sie legt ihre Hand
Oberst der Dragoner, und leise fügte er hinzu:
fen, als er, ein blutjunger, lebenslustiger Ka¬
hinein. Er glaubt ein kaum merkliches Zittern
„Ich denke, Sie sind zufrieden?
valier, den schönen Besitz antrat. Wie würde
„Zu Besehl, Herr Oberst,“ entgegnete Karl
der kleinen weißen Hand zu spüren. Doch haben.
er seinen Kindern das Familienerbe verma¬
sie kein Wort gesprochen. Stumm schreiten sie
Detleff erfreut.
chen? Würden sie nicht einst den Vater ankla¬
nebeneinander her. Wie hoch überragt seine
Nur einen Augenblick hatte er Zeit, die Sei¬
Reckangestalt das zierliche Wesen an seiner Seite.
gen und verurteilen? Und kann es etwas Bit¬
nen zu begrüßen, dann eilte er fort, um sich
Er sieht auf ihr goldigrot flimmerndes Köpf¬
an die Spitze seiner Soldaten zu stellen. Vor¬
teres geben? Rechlinghausen atmete erst auf,
als die öde Strecke hinter ihm lag und kühler
chen nieder; zwei schwere, lange Zöpfe hängen
her fragte ihn aber sein Vater:
über den Rücken. Die Mama wollte ihr Töch¬
„Wer ist der schöne, blonde Unteroffizier, der
Waldesschatten ihn umfing. Dies war das
terchen heute nach der Mode frisieren lassen, aber
letzte Stück des Forstes, das noch verschont ge=hinter dir ritt?“
blieben war.