Faksimile

Text

—.——
box 39/1
1. 50th Birthdav
Anfang an ##i# gewisse Atmosphäre von Vertrauen, die auch in der Literatur beibehalten? Autoren sind oft nur
Patienten.
sich jedem mitteilt, der in seine lähe tritt. Selbst¬
enn er spricht nicht über Men¬
Es ist beliebt, auch eine andere Eigentümlichkeit des
beherrschung, die ihn auch als Künstler adelt, ist seine
oder um seinen Geist glänzen
Schnitzlerschen Wesens, jenes innige Vertrautsein mit dem
hervortretendste Eigenschaft. Aus ihr und einer gewissen
ner Menschenkenntnis zu para¬
Tode, der in allen seinen Werken einen Platz für sich in
inneren Gutmütigkeit ergibt sich seine besondere Art von
ber sie, weil es ihn interessiert,
Anspruch nimmt, mit dem früheren ärztlichen Beruf in
Vornehmheit, die sich niemals kalt abschließt, aber ihre
ts anderes interessiert, und er
Verbindung zu bringen. Jedoch ist anzunehmen, daß
Abgeschlossenheit auch in der Wärme behauptet. Seine
enschaftlich ernst und doch mit
Schnitzler, auch wenn er in seiner Jugend Ingenieur oder
Maxime im Verkehr mit Menschen ist die Aufrichtigkeit,
Heiterkeit. Diese Methode be¬
Schullehrer gewesen wäre, in vielen Augenblicken seines
aber es ist die gedämpfte Aufrichtigkeit des Arztes, der,
in bei, nur daß ihm dann seine
Lebens an den Tod hätte denken müssen. Die Melan¬
was er zu sagen hat, auf eine schonende Art mitteilt.
die, mehr kombinatorisch als
cholie ist die Krankheit der großen Männer, sagt ein altes!
Schnitzler lügt nie (von wie wenigen Menschen kann man
verbindet und Schicksale ver¬
das sagen!) und er weiß die Wahrheit fast immer in eine
Wort, und Hypochonder gibt es auch unter den Juristen,
Dichtung ist Menschenkenntnis,
angenehme Form zu bringen. Ich erinnere mich in diesem
nicht nur unter den Medizinern. Schnitzlers Grübeleien
Geheimnis seines Dialogs, der
Zusammenhang eines kleinen, persönlich erlebten Zuges.
über den Tod sind nur ein Korrelat seiner Lebenslust,
gerühmt, in seinem eigent¬
Es war bei der Generalprobe eines neuen Stückes von
ein notwendiges, das sein Talent vor Leichtfertigkeit be¬
faßt wird. Denn nicht die An¬
Max Burckhard. Das Stück war schlecht, das wußten wir
hütet hat. In Wahrheit neigt seine Natur, trotz aller
noch auch der für Schnitzler
alle, die wir zuhörten, die Schauspieler wußten es, der
Grübelsucht und Selbstquälerei, eher zur Heiterkeit, das
sitz und eine seltene Wortkultur
Direktor, vermutlich auch der allverehrte Autor selbst.
fühlt jeder, der ihn einmal lachen gesehen hat. Er lacht
Dialogs aus, sondern die tiefe
Nichtsdestoweniger wendete er sich nach dem letzten Akt,
wie ein Kind, bezaubert und bezaubernd, herzhaft und
auf die liebenswürdigste Art
der, wie es schon bei schlechten Stücken zu gehen pflegt,
herzerquickend. Und auch in seinen Werken nimmt dieses
schreibt, in der ihm eigentüm¬
der schlechteste war, an den neben ihm sitzenden Schnitzler,
Lachen, das zu seiner Natur gehört, immer mehr Platz
stsstückes, einen besseren Dialog
der in ruhiger Haltung höflich zugehört hatte. „Wie ge¬
ein. Je mehr er sich über die Sphäre der Leidenschaft er¬
itscher Autor, weil er diese seine
fällt Ihnen der Akt?“ fragte Burckhard etwas ängstlich;
hebt und zu einer freien Betrachtung aufsteigt, deste
mehr von ihnen weiß als
und Schnitzler, nach einer ganz kleinen Pause, sehr freund¬
heiterer wird sein literarischer Gesichtsausdruck. Wer weiß,
Es ist seine besondere Kunst,
lich, sehr artig: „Er hat mich nicht überzeugt.“
vielleicht schenkt er der deutschen Bühne schließlich doch
Virtuosität ausgebildet hat, das
anderer hätte vielleicht gesagt: „Sehr hübsch!“,
Ein
noch das Lustspiel, das viele seiner Freunde und Ver¬
hen in das Gespräch einzu¬
es hätte wie eine Beleidigung geklungen,
und
ehrer von ihm erwarten. Seine tiefe Menschenkenntnis,
stenschenkenntnis, auf den ein¬
ein zweiter: „Inieressant!“ und man hätte ihm die Lüge
ein virtuoses Charakterisierungsvermögen, Güte, Ver¬
Allgemeinheit angewandt, das
vom Gesicht abgelesen; ein dritter hätte grob: „Gar nicht!“
stand und das Produkt dieser beiden: Humor — über
gesagt, und viele, die der Hofrat allerdings nicht fragte,
all das verfügt er in einem Maße, wie heute kein anderer
trotz aller Erfahrung und aller
hätten mit einer coulanten Verbeugung erwidert: „Ausge¬
in Deutschland, und er hat diese seine Fähigkeiten auch
das Dichten nie leicht gemacht
zeichnet, Herr Hofrat!“ Schnitzler neigte den Kopf und
schon wiederholt in heiteren Dialogen und kürzeren Stücken
ker, der er ist, wenn er nicht
sagte: „Er hat mich nicht überzeugt.“ Das war die volle
spielen lassen. Daß er noch kein größeres geschrieben hat,
Mur ein Mensch lernt Menschen
Wahrheit, auf die liebenswürdigste Form gebracht. Wozu
würde nichts beweisen, denn das Lustspieltalent reift auch,
sten sind es. Schnitzlers reifes
verletzen? So antwortet ja auch der Arzt, wenn er es mit
bei den Berufenen spät und entwickelt sich langsam. Artur
aus seinen Schriften anspricht,
einem unheilbaren Kranken zu tun hat, auf seine besorgte
Schnitzler, der Fünfzigjährige, wäre gerade jung genug,
ben leibhaftig entgegen; wir
Frage nicht direkt mit einem Todesurteil, sondern er
erkehr mit Künstlern nicht all¬
sagt: „Sie sind recht krank!“ oder: „Sie müssen sich um mit dem Lustspiel Ernst zu machen.
mmt, daß Leben und Kunst sich
Rarul Auernheimer.
der aufgehen. Das erzeugt von Ulonen!“... Warum sollte man diese milden Sitten nicht .