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1. 50th Birthday
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeaussehnitt.
Berlin NO.43, Gsergenkirchplatz 211
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bareau Deutschlasds.)
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Paituns
Leitung:—
Dortmund
Ort —
Datum: —
„Arlur Schnitzler's 50. Geburtstag.
15. Mai 1912.
Betrachten wir Artur Schnitzler's literarisches
Porträt, so finden wir viel Ahnlichkeit mit dem
Gerhart Hauptmanns, wie überhaupt mit denen der
meisten Dramatiker, deren Sprungbrett der Natura¬
lismus gewesen ist. In Artur Schnitzler entstand
der Literatur ein Dichter ersten Ranges, der vor
allem — aber nicht ausschließlich — Dramatiker ist.
Mit verschiedenen Novellen, wie „Frau Berta Gar¬
lan“, „Leutnant Gustl“ u. a. hat er auch die Prosa¬
literatur unserer Zeit bereichert. Erwähnenswert ist
auch seine psychologische Studie „Sterben“ denn in
ihr finden wir alles kurz vereint, was die natura¬
listische Technik an Schätzen entdeckt hat. Scharse
Beobachtungsgabe und eine überaus graziöse Art
der Darstellung charakterisieren seine Werke nicht
allein; Schnitzlers Eigenart als Novellist ist viel¬
mehr gleichfalls treffend durch den Hinweis auf
seine Behandlung des Prosadialogs gekennzeichnet.
In seinen Szenen „Anatol“ und „Reigen“ hat er
sozusagen eine Mittelstufe der dramatischen und epi¬
schen Technik geschaffen, welche das Raffinement
dieser Art. Wirkungen des Ausdrucks und der Situ¬
ationen erreichen, besonders scharf ausprägt.
Eine französische Leichtigkeit und Schmiegsamkeit
der poetischen Mittel, wie sie sich bei Prévost u. a.
findet, ist auch Schnitzler eigen; er hat sogar diese
Kunstform nach Deutschland eingeführt. Ein tieferes
Eingehen auf die Eigenarten und Seltsomkeiten
eines Milieus, das vielleicht Grazie und Liebens¬
würdigkeit besitzt, ließ ihn zu einem der trefflichsten
Schilderer der weichlichen wienerischen Art werden.]
Die eigentümliche Mischung von Schmerz und Hu¬#
mor, eine elegische Weichheit neben der Grämlich¬
keit des Alltags, die er seinen besten Prosawerken
gegeben hat, findet sich auch in seiner dramatischen!
Produktion wieder. Als Dramatiker begründete
Schnitzler seinen Ruhm mit der „Liebelei“ (1896).
Da es sein Anfangswerk ist, wollen wir über eine
technische Schwäche hinwegsehen, wollen auch eine
kleine Spreu Sentimentalität mit in Kauf nehmen,
dann bleibt uns ein prächtiges, ergreisendes, klei¬
nes dramatisches Gemälde übrig. Und immer ge¬
waltiger wurde Schnitzlers Virtuosität im Auftragen
und Abstimmen des Kolorits. Seinen letzten Er¬
folg erntete er 1910 mit dem historischen Schau¬
spiel „Der junge Medardus“ Dazwischen kommen
„Der grüne Kakadn“. „Parcelsus“, „Die Gefährtin“
u. a. zur Aufführung. Alles sind kleine Kabinett¬
stückchen, nur sein Drama „Der Schleier der Bea¬
trice“ leidet an einigen Längen. Jedenfalls berech¬
tigt die eminente Begabung Schnitzlers, der heute
an seinem 50. Geburtstage bereits als gefeierter
Schriftsteller gilt, zu den schönsten Hoffnungen.
Professor Dr. Wülstroff.
Anmerkung der Redaktion: Wir geben die vor¬
stehenden beachtenswerten kritischen Streiflichter
hier gern wieder un bemerken, daß Dr. Artur
Schnitzler am 15. Mai 1862 in Wien geboren wurde,
wo er noch heute lebt. Früher war er als prakti¬
scher Arzt tätig.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausechnitte.
Berlin NO. 43, Seorgenkirchplatz 211
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bureau Deutschlands.)
Kiein Brgaaa—
Zeitung:
Frankfürt a. M.
Ort: —
Datum: —
S. Wal
Arthur Schnitzler.
Eine der begehrtesten Bühnenautoren unserer Tage, der hier im
Bildnis wiederg##bene Oesterreicher Arthur Schnitzler, vollendet heute.
am 15. Mai sein50. Lebensjahr. Er ist ein geborener Wiener, der
Sohn eines bekannten Arztes. Er selbst studierte ebenfalls Medizin
und war einige Jahre lang praktischer Arzt. Aber schon im Jahre
1893 machten dem Dreißigjährigen die dramatischen Szenen des
„Aualol“=Zyklus einen gewissen Namen. Es folgte seine Erzählung
„Sterben“, das Drama „Liebelei“, das über alle deutschen Bühnen
gegangen ist, und eine Anzahl anderer erzählender und dramatischer
Werke, die alle den Charm des Wienertums mit gedanklicher Tiese
und spielerischem Geist vereinigen. Aufsehen erregten die freien
Dialoge des „Reigens“ (1900) und die Novelle „Leumnent Gustl“, die
dem Dichter sein Portepee als Militärarzt der Reserve kostete. Nach
dieser Zeit setzte eine neue Periode in Schnitzlers Schaffen ein; seine
neueren Werke, so die Schauspiele „Der Ruf des Lebens“ „Das weite
Land“ (das vor einiger Zeit auch ins Frankfurter Schauspielhaus¬
Repertoire gelangte), „Der junge Medardus“, der Roman „Der Weg
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ins Freie“ sind von einem tiesen Ernst beterrscht. Arthur Schnitzler
ist trotz der Erfolge Schönheirs ohne Zweifel der erste lebende Dra¬
matiker Oesterreichs.