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1. 50th Birthdar
box 39/1
13 3 1919
Arthur Schnitzler.
Arthur Schnitzler, der in diesem Frühjahr
seinen 50. Geburtstag feiert, steht von den zeit¬
genössischen österreichischen Tramatikern am
festesten mitten im irdischen Leben. Er ist der
in dem Vierblatt Schnitzler, Lothar
älteste
Hofmannsthal, Beer=Hofmann, und zugleich
der von der jungösterreichischen Dichtergruppe
ins Phantasieren ver¬
der am wenigsten
stärkste Wirkung gelang
fallen ist.
Drama,
ebelei“
ihm mit seinem ersten
heute sein bester
bis
(1895);
Beitrag zum Drama der Gegenwart geblieben.
Seine nächsten Werke, das Schauspiel „Frei¬
wild" und das Drama „Das Vermächtnis“
zeigen Fortschritte in der Charakterzeichnung
md die Anwendung stärkerer dramatischer
Mittel, erreichen aber den geschlossenen Bau
und die straffe Durchführung des ersten Werkes
nicht. Mit dem Drama „Der Schleier der
S
Der fünfzigjährige Dichter
Beatrice" (1903) unternahm Schnitzler den Ritt
ins romantische Land, der ihn, wie die meisten
unserer Dichter, in das Gebiet der Renaissance
führte. Die klangvollen schönen Verse dieser
Dichtung lassen das Fehlen ernster Motive und
starker Handlung doppelt schwer vermissen; alles
ist hier Spielen und Laune, und daran zer¬
bricht das Drama. Auch das folgende Werk,
Schnitzlers „Einsamer Weg“ (1904), krankt an
der Dunkelheit der Motive. In dem Drama
„Der Ruf des Lebens“ (1906) versuchte Schnitz¬
ler durch theatralische Gewaltsamkeit Herr zu
werden über seine Weichheit; ein Mädchen wird
zur Vatermörderin, um sich ungestört einem ihr
fast fremden Mann hinzuwerfen; eine Ehe¬
brecherin wird auf offener Bühne erschossen;
ein ganzes Reiterregiment schwört, bis auf den
letzten Mann in der Schlacht zu sterben. Das
Stück ist nicht gelebt und empfunden, sondern
erklügelt, und daran ist es auch gescheitert.
Von Schnitzlers bisherigem dramatischen
Lebenswerk werden außer der „Liebelei“ einige
seiner feinen und bühnenwirksamen Einakter
bleiben,
„Der grüne Kakadu“
„Das Ab¬
schiedssouper“ und namentlich die unter dem
Gesamttitel „Anatol“ vereinigten geistvollen
Szenen. Mit seiner Zartheit und Sanftheit
eignet sich Schnitzler wohl mehr für die No¬
velle als für die Bühnendichtung. Unter seinen
feinen Erzählungen ist namentlich „Sterben“ ein
meisterhaftes Werk; sein Roman „Der Weg ins
Freie“ ist gut empfunden, aber
im Bau nicht
so vollendet, wie die Novellen.
8.