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OFFIZIELLES ORGHN DES DEUTSCHOSTERREICHISCHEN BUHNENUEREINES.
HBONNEMENTS DURCH HLLE INSERHTENBUREHUS UND DIE HDMINISTRHTION: WIEN, I. DOROTHEERG. 6—8
Verwaltung des Deutschösterreichischen Bühnenvereines:
Präsident: Ludwig Stärk. — Vizep äsidenten: Julius Strobl und Robert Kurmann. — Verwaltungadirektor: Helnrich Fried. — Obmann
des Rechtsschutzbureaus: Rudoll Leyrer. — Aerzte des Künstlerheimes: Medizinalrat Dr. Josef Neubauer, IV/1, Schönbrunnerstr. 1; Dr. Eduard
— Anwalt des Vereines:
Benonl, VII., Zieglergasse 32; Medizinalrat Dr. Karl Neuwirth, Spezialarzt für Frauenbeilkunde, I., Opernring 3.
Dr. Max Fürst, l., Ring des 12. November Nr. 14. — Verwaltungsbureau, Redaktion und Administration: I., Dorotheergasse 6—8.
Telephon Nr. 7167.
Jahrgang XXIX
Wien, Mai 1922
Nummer 5
Inhalt: Arthur Schnitzler und die Schauspieler. — Wiener Lohnbewegung. — Der Kollektivvertrag. — Verschiedenes. — Aus
unseren Lokalverbänden. — Amtlicher Teil. — Inserate.
den Schauspielern, Jung und Alt, Groß und Klein, gleich
Arthur Schnitzler und die
herzliche Sympathien entgegengebracht werden. Was ist nun
die Ursache dieser Erscheinung? Wo liegen ihre Wurzeln? Das
Schauspieler.
oben zitierte Bekenntnis gibt die Lösung. Diese Liebe gilt
Von Heinrich Glücksmann, Dramaturg des Deutschen Volkstheaters.
dem Dichter wie dem Menschen, weil Schnitzler in diesen
beiden Wesensäußerungen, in seinem tünstlerischen Schaffen
Meinen Arbeitsraum im Deutschen Volkstheater bezeichne
wie in seinem menschlichen Gehaben gleich liebenswert ist, und
ich scherzhaft als das Golgatha des Hauses, als den Beig
diese Liebe ist innig und dankbar, weil der mit und für
der Klagen. Der Scherz entbehrt nicht des ernsten Hinter¬
Schnitzler arbeitende Schauspieler das Gefühl hat, daß dieser
grundes. Denn die bei mir eintreten, ob es nun vermeintlich
Dichter in ihm nicht nur das Werkzeug, den beweglichen und
mit Unrecht allzu lange ihres Aufgeführtwerdens harrende
sprechenden Automaten, einen Diener seiner Zwecke sieht,
Stückeschreiber sind oder, selbstredend ebenso mit Unrecht,
sondern daß er ihn schätzt als Mitarbeiter, als den Vollender
schlecht, beziehungsweise salsch beschäftigte Schauspieler, sie
seines Werkes. Auf Proben Schnitzlerscher Stücke, bei denen
lassen für gewöhnlich ihre unerfüllten Wünsche und Sehn¬
der Verfasser anwesend ist, sieht man nur leuchtende Augen,
süchte, die Schmerzen ihrer Enttäuschungen auf mich los.
fröhliche Mienen. Da wird mit munterster Unermüdlichkeit
Nur selten zeigt mir die Zufriedenheit, die Freude ihr lächeln¬
gearbeitet und nur eines unangenehm empfunden: der Au¬
des Gesicht. Da wird aus dem Herzen keine Mördergrube
genblick des Auseinandergehens. Das erklärt sich schon aus
gemacht, oder wenn man will, so recht eine Mördergrube und
den angeführten Symptomen. Schnitzler ist Meister in der
darauf losgeschimpft, was Zeugs hält über Direktor und
Behandlung des Schauspielers als Individualität. Mit seinem
Regisseure, über Inspizienten und Souffleusen, Büro und
warmen Blick, seinem geradezu zärtlich weichen Ton macht.
Kasse, Kritiker und Dichter und an keinem ein gutes Haar
er die Schauspielerseele zum fügsamsten Wachs in seinen
gelassen. Die Komödianten sind das gutmütigste und liebens¬
Händen. Er lockt das Beste und Persönlichste aus ihr her¬
würdigste Völlchen der Welt. Mit Güte und Gerechtigkeit kann
vor und suggeriert ihr ohne Zwang und Kommando wie das
man sie um den Finger wickeln, kann man in ihnen die hin¬
Selbstverständliche seine Intentionen, d. h. er paßt sie ohne
gebendste, opferfreudigste Begeisterung und Arbeitslust aus¬
Vergewaltigung dem Wesen des Darstellers an. Er kommt
lösen, aber — selbst fortwährend der Bekrittelung ausgesetzt,
entgegen und findet darum Entgegenkommen. Wie man hinein¬
nicht der berufenen und unberufenen öffentlichen allein, auch
ruft in den Wald ... Diese Echoweisheit gilt nirgend so
der ihrer Führer während des Schaffens und jedes dummen
wie beim Theater.
Kerls im Parterre und auf der Galerie nach getaner Arbeit —
mäkeln und häkeln sie gern; sie haben trotz des wärmsten
Und noch etwas. Arthur Schnitzler ist der Schöpfer des
Herzens die spitzeste Zunge. Um so verwunderter mußte ich
neuen Gesellschaftsstücks oder des Stückes der neuen Gesell¬
sein, als am 60. Geburtstage Arthur Schnitzlers einer
schaft, die er in allen Wandkungen ihrer Lebensauffassung
unserer misantropischesten Künstler mit strahlendem Ange¬
und Lebenshaltung, ihrer Gedankengänge und Gefühlsströ¬
sicht bei mir erschien und erzählte, daß er eben aus der Woh¬
mungen beobachtet, verstanden und erfaßt hat. Seine Komö¬
nung des Jubilars komme und dort nebst seinem Glück¬
dien sind in Form und Inhalt, in der Art der Problem¬
wunsch als Festgabe das kostbarste Stück seiner Bücherei,
behandlung wie in der knappen Kunst der Menschencharak¬
eine Rarität, einen Leckerbissen für Bibliophilen, zurückgelassen
teristik voll geistigen Glanzes und philosophischer Tiefen.
habe, denn er liebe Schnitzler als Dichter wie als Menschen
In ihnen erscheint die neue Psychologie eingeleitet, man kann
innig und dankbar.
sagen: die Pathologie der Seele, die Forschung nach den
Unbewußt war dieser eine Schauspieler in dem Augen¬
Merkzeichen der heimlichsten Lebenskrankheiten; seine Gestalten
blick der Wortführer seines Standes. Es mag Bühnenauioren
sind zumeist auf nachdenkliche Selbstbetrachtung gestellt, lassen
geben, wohl auch nicht viele, die an Beliebtheit im Publikum
in meditativen Worten ein verborgenes Sein ahnen und er¬
mit dem repräsentativen Dichter des von unserer Generation
raten, tragen das Signum „Erkenne dich selbst!“ auf der
erlebten und erlittenen Oesterreich wetteifern können. Es gibe
Stirne, sie bieten also dem Schauspieler wieder anregende,
kaum einen zweiten, dem von der Welt des Theaters her, von