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60th Birenday
ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SO. 16, RUNGESTR 22-24.
Zeitung: Neues Wiener Journal
Adresse: Wien
12 MAIM2
Sge
Datum:
W

[Frau, die wie sie Elisabeth heißt, wenn auch Hermanns Mutter! Gatten schloß, der uns,
deutlich Porträts der Frau Rat sind. Es mag dies tief in der Dichter- daß die geliebte Musik
Feuilleton.
eele begründet sein Geheimes und Geheimstes nicht auszusprechen, und Söhne ihm ein oft recht
so war auch meine Verwunderung vielleicht nicht am Platz, die schonungsvoll über sich
ich anläßlich enes Artikels zum fünfzigsten Geburtstag Schnitzlers später als Arzt der H
Erinnerungen an Artur Schnitzlers Mutter.
aussprach, daß ei die herrliche Mutter, die ihm weit mehr und hübsche Professor Schnitzle
Zu Artur Schnitzlers sechzigstem
länger Mutter gewesen ist, als meist die Frau einem Sohn, in seine Frau mit Unrecht sch
die Frau über alles,
Gebürtstag.
keinem seiner Werke vorgeführt hat.
Obwohl Schnitzler als Sohn eines Universitätsprofessors beruflichen Angelegenheiter
Von
sprachlosen Erstaunens ein
und Chefredakteurs väterlicherseits schriftstellerisch belastet erscheinen
4
Klothilde Benedikt.
muß, stehe ich doch nicht an, das Künstlerische und Gestaltende in einmal in unserer Gegen#
„Benedetta la madre, che in te sincise“, so läßt sich
Dante im Paradies von den Engeln begrüßen, den einzigen Vers ihm auf die Mutter zurückzuführen. Leidenschaftliches, tieses und eine größere Summe zu
eines Gesamtwerkes, in dem er die Mutter, die er als Kind ver- oft recht kompliziertes Empfinden, das sich täglich bis in die güte vor sich selbst
oren hat, erwähnt. „Gesegnet sei die Mutter, die dich empfangen letzten Lebenstage und trotz eines schmerzlichen Handleidens, seines Besitzes war.
Ihr ältester Sohn
das mit ihrer Todeskrankheit zusammenhing, in stundenlangem
hat!“ Sind aber Dichtermütter durch das Talent ihrer Söhne,
hochbegabte Kinder hatte,
das doch meist ihr, nicht väterliches Erbteil ist, wirklich als Klavierspiel künstlerisch entlud, war der Mutter zu eigen.
Geschwistern hing, und zu
gesegnet zu betrachten? Unsere genauere Kenntnis von dem Seelen. Als ältestes der acht Kinder eines Arztes, der das erste Wiener
materiell ein noch glücklich
ieben von Dichtermüttern setzt eigentlich in der Weltliteratur erst medizinische Blatt herausgab, war sie schon, obwohl für die
denen, welche manches has
mit den Müttern Goethes, Byrons, Grillparzers ein. Geradezu Klavierkunst bestimmt, halbwüchsig ein fertiger kleiner Redakteur,
geworden, lebte sie mit de
der ramentlich die Uebeisetzungen aus fremden Sprachen für den
neben der Musik ästhetisch
ypisch dürfte aber für eine Dichtermutter und für Dichtereltern
Vater besorgte. Die Zeitung galt als Mitgift der ältesten Tochter
als Hausfrau den glänzen
das Paar sein, das Ludwig Tieck in seinem „Dichterleben“ als
Shakespearesche Eltern unter Benutzung unverbürgter Stratforder weil der Vater, ein Mann von seltener Charakterstärke und
sie jetzt, die Jung=Wiener
Traditionen geschildert hat. Die Mutter, die in ihrer stillen Sin= seltenem Geist, von dem Schwiegervater, einem baronisierten
Zirkel zu vereinigen. Sie
nigkeit, ihrer Gemütstiefe, ihrer Phantasie, die sich im Märchen= Finanzmagnaten, nichts annehmen wollte, da er dessen Tochter,
schrieb und veröffentlichte,
erzählen an ihre Kinder kundgibt, dem großen Sohn ihr Bestes gibt, seine Gattin gegen den Willen ihrer Familie geheiratet hatte.
die ihm zuteil wurde, wal
selbst unter dem nüchternen Gatten ein Leben lang zu leiden hat, Die Liebe spielte damals bei Verheiratungen des Mittelstandes
wie der Dichter von
das Talent ängstlich vor dem Vater verbergen muß, unendliche nicht die erste Rolle; lachend hat mir die Regierungsrätin Luise
Schnitzler oft erzählt, wie nacheinander fast sämtliche jungen Aerzte, Schwernatur erbte.
seelische Leiden eben durch die Begabung des Sohnes zu erdulden
hat, der nicht nach dem Maße gewöhnlicher Menschen gemessen die irgendwie die Feder führen konnten, vom Vater der Tochter der Wiener Literatur stan
werden kann, endlich durch das Leben zu zermürbt ist, um den vorgestellt wurden, und wie sie, der phantastische Romantik zur für Hofmannsthal, den sie
Triumph des Sohnes zu genießen. Die krankhaften hysterischen Eheschließung unbedingt notwendig schien, sich mit aller konnte, wie sie mir mein
einer Mutter verzeihlich.
Neigungen von Byrons und Grillparzers Mutter, bei ersterer in Gewalt so häßlich und unliebenswürdig wie möglich machte,
einem Nervenschlag, bei letzterer in Selbstmord endend, haben sich um keinem zu gefallen. Schönheit schien diesem weit über musikalische Dame als S#
deutlich in die Schöpferkraft der Söhne umgesetzt, es ist aber ihre Jahre reifen, weit über ihre Zeit gebildeten haue, konnte ich sie in
merkwürdig, daß bei beiden ihre Mutter so heißliebenden Dichtern Mädchen als ein Haupterfordernis ihres künftigen Gatten, Recht mit Goethes Muttel
sich wie bei Shakespeare und Molière keine Zeile nachweisen weswegen auch mein gewiß federgewandter Vater, einer ihrer war, dem Sohne sein Eh
läßt, die an die Mutter gerichtet wäre, an die Mutter anklänge. intimsten Kindheitskameraden, keine Gnade vor ihren Augen fand. beste und aufopferungsvoll
Selbst die herrliche Frau Rat Gocthe nimmt im Lebenswerk ihres Ich habe dann selten eine harmonischere Ehe gesehen als die, haben, hat lange im Dich
Sohnes einen verschwindend kleinen Raum ein, wenn auch Götzens welche sie mit ihrem, von ihr in Vielem grundverschiedenen auch kein Zeugnis dafür