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Bauernfeld-Preis
Tagesnenigkeiten.
Wien, 18. März.
Eine Interpellation über die Verleihung des
Bauernfeld-Preises an Schnitzler.
In der heutigen Sitzung, des Abgeordnetenhauses richteten
die Abg. Dr. Pattei und Genossen folgende Anfrage an
den Unterrichtsminister:
Das Kuratorium der Bauernfeld=Stiftung hat in seiner
Sitzung vom 16. März 1903, welcher die Mitglieder Minister
für Kultus und Unterricht Dr. v. Hartl, Dr. Alfred Freiherr

b. Berger, der Prosesser der deutschen Literaturgeschichte sebürstigen und vermöge ihres Talentes auch würdigen nicht¬
an der Wiener Universität Dr. Jakob Minor und Dr. Cduard jüdischen Schriftsteller und angesichts der Verantwortung,
[Weißl beiwohnten, einstimmig beschlossen, aus dem Erträg¬ welche die Einhaltung der Zwecke der Ba# nfeld=Stiftung
dem Kuratorium auferlegt, zu rechtfertigen?
knisse der Bauernfeld=Stiftung einen Preis von 2000 Kr.]
dem Literaten Artur Schnitzler für seinen Einakterzyklus
„Lebendige Stunden“ zu verleihen.
In dieser Verleihung erblicken die unterzeichneten Abge¬
kordneten die unbegründete Auszeichnung eines nicht preis¬
würdigen Werkes, eine Verletzung der Rechte der nichtjüdischen
Schriftstellerwelt unserer Heimat und einen Verstoß gegen
den Sinn und Zweck der Stiftung, u. zw. aus folgenden
Gründen:
Das preisgekrönte Werk, die vier Einakter „Lebendige
Stunden“ hat weder bei seiner Aufführung in Berlin, noch
bei der durch das Ensemble des Berliner Deutschen Theaters
im Wiener Carl=Theater, noch auch bei der kürzlich im Wiener
Deutschen Volkstheater erfolgten, tiefere Wirkung geübt, oder
Telephon 12801.
auch nur oberflächlich den Eindruck eines Dichterwerkes ge¬
macht. Die ausdrückliche Rangerhöhung desselben durch eine
Te Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Prämiierung in Wien muß daher im Auslande die
falsche Vorstellung erwecken, als hätte das österreichische
„OBSERVER“
Nr. 90
ebesseren Produkte
Schrifttum tatsächlich
aufzuweisen als derlei Minderwertigkeiten.
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Die Meinung der Ausländer über die heimische Literatur
wird aber durch das Bauernfeld=Kuratorium auch noch in
Wien, I., Concondiaplarz 4.
weiterer Hinsicht konsequent irregeführt, da die Preise der
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Kom.
Stiftung innerhalb ganz kurzer Zeit einer unverhältnismäßig
Stockholm, Kristiania, St. Peteroburg.
großen Anzahl von jüdischen Literaten zugewiesen wurden,
ku. zw. solchen von untergeordneter Bedeutung. Es sind dies
zuce Wiener Journal
Dr. Leo Hirschfeld prämiiert für die Komödie „Die
Ausschnitt aus:
Lumpen“, der Erotiker Felix Dörmann, richtig Bieder¬
mann, für ein gänzlich verschollenes Drama Der Herr von
Abadessa“, der Literarhistoriker Dr. Emil Horner für
vom: 7
eine Bauernfeld=Biographie, der Librettist von Operetten¬
texten Viktor Leon, richtig Hirschfeld, füx ein vor
langer Zeit gegebenes Stück „Gebildete Menschen" und
schließlich Artur Schnitzler für die „Lebendigen Stunden“.
Die Verleihung des Bauernfeld=Preises
Unter diesen Umständen muß im Ausland die irrige An¬
an Arthur Schnitzler hat gestern ein Nachspiel im Parla¬
schauung entstehen, daß einerseits die deutsche Literatur
ment gehabt. Abgeordneter Pattai erblickt nämlich in dieser
sin Oesterrreich fast nur von Inden geschrieben
Preiszuerkennung eine Bevorzugung der jüdischer
wird, anderseits ihre Qualität eine äußerst niedrige ist.
[Literatur durch das Curatorium der Bauernfeld=Stiftung
Diese unleugbare Bevorzugung jüdischer Literaten durch
und stellte daher an den Unterrichtsminister Dr. v. Harte!
das Kuratorium der Bauernfeld=Stiftung bedeutet aber auch
die Anfrage, wie dieser als Mitglied des Curatoriums die Preis¬
eine Zurücksetzung und die Mitarbeit an der Unter¬
drückung der nicht jüdischen Schriftsteller
zuerkennung rechtfertige.
Oesterreichs, die, durch den Boykott der einflußreichen
jüdischen Presse und die Kartelle der jüdischen Gewerbs¬
literaten schon an sich in bedrängter, mitunter trotz ihrer
Begabung fast aussichtsloser Lage, gerade auf die ethische
und materielle Förderung durch ähnliche Einrichtungen, wie
Bezugs-Bedingungen:
es die Bauernfeld=Stiftung ist, als einzige Hoffnung hin¬
blicken und die schwere Enttäuschung erleben
Für 50 Zeitungsansschnitte (Artikel oder Notizen) Kr. 1
28.— inelusire
Porto.
müssen, mit Abfällen abgespeist oder übergangen zu werden.
100
50.—
Zahlbar
200
Die Verleihung ist endlich gegen die Absichten der
110.—


200. — im Voraus.
50
Bauernfeld-Stiftung gerichtet, in deren Sinn es gewiß nicht
1000

die Ausbreitung des semitischen
liegt,
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist da¬
auch steht es den
[Geistes in der Literatur zu fördern, welche das sittliche
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt;
und ästhetische Gefühl der Stammbevölkerung Oesterreichs
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
oft genug, so auch in den Werken der prämiierten Hirschfeld,
Schnitzler und Dörmann gröblich verletzt, die Vertreter
Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
dieser fremden Richtung in unserem Schrifttume aber auf
Inhaltsangabe aller wichtigen Mittheilungen der Wiener Morgen¬
blätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung“)
Kosten der autochthonen Dichter und Schriftsteller zu stützen
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirthschaftliche
und im Einflusse zu steigern.
Leben des In- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mit.
In Erwägung dieser Tatsachen richten die unterzeichneten
cheilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
Abgeordneten an Seine Exzellenz die Anfrage:
Wie gedenkt der Herr Minister als Mitglied des Kura¬
Pnospecre gnatis und fnanco.
toriums der Bauernfeld=Stiftung die abermalige Bevorzugung
eines jüdischen Literaten, wie sie durch die Zuerkennung des
Bauernfeld=Preises an A. Schnitzler gegeben ist, angesichts
der bereits vorangegangenen und verhältnismäßig großen
Zahl von Prämiierungen jüdischer Literaten aus dieser