Faksimile

Text

box 40/1
Bauernfereis
Aus dem Lebenslaufe Hartels.
Wilheln Mitter v. Hartzel war in Hof in Mähren
sein Vater als städtischer
am 128. Mci) 1839 geboren,
Seine Oiasialstubien absoldierte er
Beamter fuflgierte
(Pred. Amt Nenstöbter Gym¬
in Troppau und späten
nasium, von wo ##hn Jahre 1859 all die Untversität Wien
kam. Unter Bonitz und Vaylen widmete er sich dem Studium
der Philologie. Er legte im Jahre 1863 die Lehramtsprüfung
für klassische Philologie ab und promovierte am 1. März 1864.
In den Jahren 1865 und 1866 supplierte er am Akademischen
Gymnasium in Wien unter Direktor Hochegger. Um sich die
er n
chischen Historikers Virk die Leitung der Hofbibliother in
Wien übertragen, deren Direktor er durch fünf Jahre blieb.
Am 23. Januar 1896 wurde Hartel, der seit dem 2. April
1891 als Mitglied der Verfassungspartei dem Herrenhause des
Reichsrates angehörte, nach der Berufung Rittners zum Minister
für Galizien an dessen Stelle zum Sektionschef im Unterrichts¬
ministerium in der Aera Badeni ernannt und mit der Leitung
des Hochschulreferats betraut. In jene Zeit fiel die Abschaffung
des Kollegiengeldes und die Zulassung der Frauen zum Uni¬
versitätsstudium. An beiden Verfügungen hatte Hartel tätigen
Anteil. Dann kamen im Januar 1898 die stürmischen Vor¬
gänge an den deutschen Universitäten und Techniken in Wien
und Prag, wo der nationale und konfessionelle Kampf zu
argen Ausschreitungen der Studenten Anlaß bot. Die Re¬
gierung versügte das Verbot des Tragens von Vereinsabzeichen
und Farben für die deutschen Studenten im Wege
einer
Polizeiverordnung. Damit goß sie Oel in das Feuer.
In
Prag beschloß der akademische Senat, in seiner Gesamtheit zu
resignieren. Die Demonstrationen der Studenten nahmen immer
stürmischere Formen an. Minister Latour verfügte die Si¬
stierung der Vorlesungen an allen deutschen Hochschulen mit
Ausnahme von Czernowitz. In den Hofkreisen verlangte man
bie rasche Unterdrückung der Demonstrationen. Die Regierung
deliberierte, ob sie nicht die Universitäten für längere Zeit
schließen solle. Hartel als Referent im Unterrichtsminksterium
bemühte sich, diesen Beschluß hintanzuhalten und den Frieden
an den Uniersitäten herzustellen. Die Regierung entschloß sich
am 2. März 1898, das Farbenverbot aufzuheben. Damit
kehrte die Ruhe in der Universität zurück. Am 2. Oktober
1899 wurde Hartel im Kabinett Clary zum Leiter des Unter¬
richtsministeriums ernannt und trat mit dem Chef des
Kabinetts am 21. Dezelnber 1899 von diesem Posten zurück
Wenige Tage später, am 18. Januar 1900, wurde
Hartel im Kabinett Koerber Unterrichtsminister. In dem un¬
entwegten Kampfe um die Schule, welche die Klerikalen
konfessionell und die Föderalisten national gestalten wollen,
Hartel auf das Lavieren verlegt, den
hatte sich
er sich schwach 1
Christlichsozialen gegenüber zeigte
wiederholt durch ihre Drohungen einschüchtern.
ließ
angesichts der Be¬
Schon im März 1901 hatte
schwerden über die Uebergriffe des Klerus und das Vorgehen
der Christlichsozialen im Wiener Bezirks= und Landesschulrate
bei Disziplinierung freisinniger Lehrer heftige Vorwürfe von
Seite der Parteien der Linken erfahren. In die Zeit seiner
Amtsführung fällt die Verordnung über die Rigorosenordnung
für tochnische Hochschulen, wodurch für die Techniker die Be¬
dingung für die Erlangung der Doktorwürde gegeben war.
Im April 1901 brachte er die Verhandlungen über den
Bau der neuen Kliniken und des Allgemeinen Krankenhauses
in Wien zum Abschlusse. Die Unzulänglichkeit aller Hochschul¬
gebäude für die Zwecke des Unterrichtes, die mangelhafte Ein¬
richtung ihrer Institute führten zu einem gemeinsamen An¬
sturm aller akademischen Senate auf die Unterrichtsverwaltung,
von der sie die Abstellung dieser Mißstände verlangten. Dazu
kamen die Klerikalen, die eine Universität in Salzburg, die
Czechen, die eine Universität in Mähren, die Italiener, die
eine Universität in Triest verlangten. Der Minister war aus
finanziellen und aus politischen Gründen nicht in der Lage,
diesen Forderungen zu entsprechen. Er mußte sich deshalb
manchen schweren Anwurf gefallen lassen, war aber bemüht,
wenigstens seinen guten Willen zu zeigen und nach Mög¬
lichkeit Hilfe zu bringen. Unter ihm wurden die Unterrichts¬
räume an der Wiener Technik erweitert, das elektrotechnische
Institut vollendet. Auch das physiologische Institut an der
Wiener Universität, die Bauten an der Grazer Universität
förderte Hartel. Erst in den letzten Wochen suchte er den be¬
rechtigten Klagen der Prager Hochschulen über Raummangel
abzuhelfen.
Bittere Stunden bereiteten ihm die bildungsfeindlichen Er¬
scheinungen auf Wiener Boden, denen gegenüber er es
an Energie mangeln ließ. Die klerikale Bewegung war stärker
als der Minister, und er hatte nicht Widerstandskraft genug,
sich ihr entschieden entgegenzusetzen.
Hartel hat als Unterrichtsminister auch Einfluß auf die
Kunstbewegung in Oesterreich geübt. Er war ein Freund der.
Künstler und förderte sie, soweit es in seiner Macht stand. In
dem Kampfe gegen die Sezession nahm er für die Sezessionisten
Partei, und als er wegen der Bilder Klimts, die er zur Aus¬
schmückung der Aula in Wien bestellt hatte, im Abgeordneten¬
hause interpelliert wurde, erklärte er, diese Richtung in der
Kunst sei das Ergebnis einer stetigen Fortentwicklung, welche
durch tieferliegende Wandlungen des gesamten materiellen und
geistigen Lebens bedingt ist. Hartel war auch Mitglied des
Kuratoriums der Bauernfeld=Stiftung, und auch in dieser
Eigenschaft wurde er zur Zielscheibe christlichsozialer Angriffe.
Er setzte sich gegen eine Interpellation des Abg. Pattai
zur Wehre, der ihm zum Vorwurfe machte, daß er für die Zu¬
teilung des Bauernfeld=Preises an Arthur Schnitzley ge¬
stimmt hatte. Hartel erklärte damals, mer seiner=Teil¬
nahme Gerechte und Sünder, Christen und Juden, Ausländer
und Inländer diese Auszeichnung zuerkannt erhielten, da nach
dem Stiftsbriefe nicht der Taufschein, sondern die literarischen
Leistungen maßaebend wären.