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Bauernfeld-Preis box 40/1
Aus dem Lebenslaufe Hartels.
Wilheln Ritter v. Hartel war in Hof in Mähren
am 128. Mai) 1839 geboren, vo sein Vater als städtischer
Beamter fufigierte, Seine Gimasialstudien absolbierte er
in Troppau und späten in (red an#l MNeustäbter Gym¬
nasium, von wo ##n Jahre 1859 an die Untversität Wien
kam. Unter Bönitz und Vaylen widmete er sich dem Studium
der Philologie. Er legte im Jahre 1863 die Lehramtsprüfung
für klassische Philologie ab und promovierte am 1. März 1864.
In den Jahren 1865 und 1866 supplierte er am Akademischen
Gymnasium in Wien unter Direktor Hochegger. Um sich die
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Mittel für seine weiteren Studien zu verschaffen, nahm er die
Stelle eines Erziehers im Hause des Grafen Kasimir Lanc¬
koronski an und begleitete dessen Sohn Karl auf seinen
Reisen auf dem Kontinente. Von diesen Reisen zurückgekehrt,
habilitierte sich Dr. v. Hartel als Privatdozent für
klassische Philologie an der Wiener Universität. Nach
Bonitz' Berufung nach Berlin wurde Hartel zum außer¬
ordentlichen Professor im Jahre 1869 ernannt und
leitete das philosophische Seminar. Am 26. August 1872
wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Den Winter des
Jahres 1874 widmete er einer Reise durch Griechenland,
Aegypten und Palästina. Er begründete 1879 mit Professor
Schenkl die „Wiener Studien“, eine Zeitschrift für klassische
Philologie. Bereits 1871 hatte die Akademie der Wissenschaften
Hartel zu ihrem korrespondterenden Mitgliede gemacht, und im
Jahre 1875 wurde er wirkliches Mitglied der Akademie. Er.
war in dieser Zeit schriftstellerisch in hervorragender Weise auf
dem Gebiete der Philologie tätig und arbeitete auch an dem
Corpusscriptorum ecclesiastorum, dessen Herausgabe ihm die
Akademie der Wissenschaft im Vereine mit Maassen, Miklosch
und Schenkl übertragen hatte.
Auch das Ausland hat die hohe Bedeutung Hartels als
Philologe anerkannt. Die Bayrische Akademie in München
wählte ihn zu ihrem Mitgliede, ebenso die Gesellschaft der
Wissenschaften in Göttingen und die Accademia de lahistoria
in Madrid. Er war ferner Mitglied der Akademie der Wissen¬
schaften in Berlin und des Deutschen archäologischen Instituts.
Er war einer der Mitarbeiter des Corpus inscriptionum und
hat an den von Mommsen geschaffenen Sammelwerken reichen
Anteil. Im Jahre 1882 wurde Hartel in den Adelstand er¬
hoben.
Im Jahre 1890 wurde ihm als Nachfolger des österrei¬
chischen Historikers Birk die Leitung der Hofbibliothek in
Wien übertragen, deren Direktor er durch fünf Jahre blieb.
Am 23. Januar 1896 wurde Hartel, der seit dem 2. April
1891 als Mitglied der Verfassungspartei dem Herrenhause des
Reichsrates angehörte, nach der Berufung Rittners zum Minister
für Galizien an dessen Stelle zum Sektionschef im Unterrichts¬
ministerium in der Aera Badeni ernannt und mit der Leitung
des Hochschulreferats betraut. In jene Zeit fiel die Abschaffung
des Kollegiengeldes und die Zulassung der Frauen zum Uni¬
versitätsstudium. An beiden Verfügungen hatte Hartel tätigen
Anteil. Dann kamen im Januar 1898 die stürmischen Vor¬
gänge an den deutschen Universitäten und Techniken in Wien
und Prag, wo der nationale und konfessionelle Kampf zu
argen Ausschreitungen der Studenten Anlaß bot. Die Re¬
gierung versügte das Verbot des Tragens von Vereinsabzeichen
und Farben für die deutschen Studenten im Wege einer
Polizeiverordnung. Damit goß sie Oel in das Feuer. In
Prag beschloß der akademische Senat, in seiner Gesamtheit zu
resignieren. Die Demonstrationen der Studenten nahmen immer
stürmischere Formen an. Minister Latour verfügte die Si¬
stierung der Vorlesungen an allen deutschen Hochschulen mit
Ausnahme von Czernowitz. In den Hofkreisen verlangte man
die rasche Unterdrückung der Demonstrationen. Die Regierung
deliberierte, ob sie nicht die Universitäten für längere Zeit
schließen solle. Hartel als Referent im Unterrichtsministerium
bemühte sich, diesen Beschluß hintanzuhalten und den Frieden
an den Universitäten herzustellen. Die Regierung entschloß sich
am 2. März 1898, das Farbenverbot aufzuheben. Damit
kehrte die Ruhe in der Universität zurück. Am 2. Oktober
1899 wurde Hartel im Kabinett Clary zum Leiter des Unter¬
richtsministeriums ernannt und trat mit dem Chef des
Kabinetts am 21. Dezember 1899 von diesem Posten zurück.—
Wenige Tage später, am 18. Januar 1900, wurde
Hartel im Kabinett Koerber Unterrichtsminister. In dem un¬
entwegten Kampfe um die Schule, welche die Klerikalen
konfessionell und die Föderalisten national gestalten wollen,
den
Hartel auf das Lavieren verlegt,
hatte
schwach und
Christlichsozialen gegenüber zeigte er sich
ließ sich wiederholt durch ihre Drohungen einschüchtern.
angesichts der Be¬
Schon im März 1901 hatte er
schwerden über die Uebergriffe des Klerus und das Vorgehen
der Christlichsozialen im Wiener Bezirks= und Landesschulrate
bei Disziplinierung freisinniger Lehrer heftige Vorwürfe von
Seite der Parteien der Linken erfahren. In die Zeit seiner
Amtsführung fällt die Verordnung über die Rigorosenordnung
für tochnische Hochschulen, wodurch für die Techniker die Be¬
dingung für die Erlangung der Doktorwürde gegeben war.
Im April 1901 brachte er die Verhandlungen über den
Bau der neuen Kliniken und des Allgemeinen Krankenhauses
in Wien zum Abschlusse. Die Unzulänglichkeit aller Hochschul¬
gebäude für die Zwecke des Unterrichtes, die mangelhafte Ein¬
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