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Bauernfeld-Preis
Der Bauernfeld-Preis.
Eine Interpellation.
In der morgigen Sitzung des Abgeordneten¬
hauses wird Abg. Dr. Pattai eine Inter¬
pellation an den Unterrichtsminister einbringen,
betreffend die Zuweisung eines Preises von K. 2000
aus der Bauernfeld=Stiftung an den,
wie es in der Anfrage heißt, „jüdischen Literaten“
Dr. Arthur Schnitzler.
Herr Dr. Pattai verwaltet in der christlich.
socialen Partei das Ressort der schönen Künste.
Es ist nun eine der wichtigsten Functionen seines
Amtes, aufzupassen, ob nicht um Gotteswillen
irgendwo ein Jude Talent hat. Tritt dieser be¬
dauerliche Fall, der sich ja leider nicht verhindern
läßt, dennoch ein, dann muß Herr Dr. Pattai
gegen den sanftmütigen Dr. v. Hartel losgehen
und ihm Vorwürfe machen. Sonst hört man aller¬
dings nichts davon, daß Herr Dr. Pattai sich be¬
sonders viel mit Literatur, Kunst oder Wissen¬
schaft befasse. Es wird auch nicht von ihm ver¬
langt. Seinen Parteigenossen genügt es, daß er
mehr von diesen Dingen versteht als Strobach,
Schneider oder Bielohlawek. Ob man aber des¬
wegen gleich mit dem Unterrichtsminister grob
sein darf, ist eine andere Frage.
Der gute Herr Minister für Cultus und Unter¬
richt ist, nebenbei gesagt, an dem Bauernfeld=Preis,
den Arthur Schnitzler erhielt, ganz unschuldig.
Im Schoße des Curatoriums hat der Baron
Berger den diesbezüglichen Antrag gestellt, der
Professor Minor und Dr. Edmund Weissel haben
zugestimmt, und der Dr. Hartel hat eben dann
auch „Ja“ gesagt. Würden aber Strobach und
=Schneider im Bauernfeld=Curatorium sitzen, und
Dr. Pattai könnte dabei sein, um den Antrag zu
stellen, man möge dem Herrn Schwer einen Preis
verleihen, dann würde der Herr Unterrichts¬
minister — wie wir ihn kennen, und wie alle
Welt ihn kennt — auch nicht Nein sagen.
Es hat aber keinen Zweck, mit einem
gutmütigen alten Herrn grob zu sein,
der es ohnehin gern allen Recht machen
möchte, und der wirklich nichts dafür
kann, daß Arthu Schnitzler ungleich mehr Be¬
gabung hat als Herr Schwer. Der aber auch
kaum dafür verantwortlich gemacht werden kann,
daß die Christlichsocialen beim Bauernfeld=Preiz
noch nichts dreinzureden haben.
Das aber ist eigentlich der tiefste Schmerz der
Christlichsocialen, daß ihr Einfluß noch nicht weit
genug reicht, um auch ihren Parteigängern von
der Feder Dichterpreise zu verschaffen. Einst¬
weilen müssen sie diese Barden noch mit Ge¬
meinderatsmandaten abspeisen. Und da sich das
Urtheil namhafter Literaturkenner, wie des
Baron Berger und des Professor Minor, der
christlichsocialen Parteidisciplin nicht beugt,
möchten sie die Sache gern selbst in die Hand
nehmen. Jahrüber ist ihnen die ganze vater¬
ländische Literatur freilich recht gleichgiltig, und
sie thun ihrerseits sehr wenig, um junge Talente
zu fördern. Wenn die Sache aber praktisch wird,
wenn Preisvertheilungen vorgenommen werden
und Schwer, Madjerae tutti quanti wieder leer
ausgehen, dann wird Herr Dr. Pattai im Auf¬
trag der Partei rabiat und blamirt sich im Auf¬
trag der Partoi mit literarischen Phrasen.
Mit Herrn Dr. Pattai über ästhetische Wert¬
unterschiede zu streiten, hat keinen Zweck. Und
wenn er auf seinem Culturniveau sich genötigt
sieht, hinter geistig arbeitende Männer den
alten Hepp=Hepp=Ruf anzustimmen, so kann das
für sachliche Leute kein Grund sein, dem
Herrn ex offo - Interpellanten aufzusitzen
und das confessionelle Moment bei künst¬
die Debatte
lerischen Fragen in
ziehen. Es ist sehr gleichgiltig, ob Arthur
Schnitzler als Jude, Türke, Christ oder Heide
geboren wurde. Wesentlich bleibt an der Ge¬
schichte nur, ob seine „Lebendigen Stunden“ eine
Ehrung verdient haben. In dieser Beziehung
aber darf man dem Votum unbefangener Fach¬
männer, wie Baron Alfred Berger und Professor
Minor getrost vertrauen
——
box 40/1
mnäßig großen Zahl von Prämiirungen jüdischers Chrengabe
Der Wortlaut der Interpellation.
Minor als die
Literaten aus dieser Stiftung, angesichts der zahl¬
Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:
Es könne
reichen, wirklich förderungsbedürftigen und ver¬
„Das Curatorium der Bauernfeld¬
kommen, ob
möge ihres Talentes auch würdigen nichtfüdischen
g hat in seiner Sitzung vom
Stiftu
Autor Christ
Schriftsteller und angesichts der Verantwortung,
16. März 1903, welcher die Mitglieder: Minister
völlig lächerli
welche die Einhaltung der Zwecke der Bauern¬
für Cultus und Unterricht Dr. v. Hartel, Dr.
lung von 4
feld=Stiftung dem Curatorium auferlegt, zu
C
Alfred Freiherr v. Berger, Professor der
ein confession
rechtfertigen?“
deutschen Literaturgeschichte an der Wiener Uni¬
entspreche die
Ein Interview mit Arthur Schnitzler.
versität Dr. Jacob Minor und Dr. Edmund
„Lebendigen S
Weissel beiwohnten, einstimmig beschlossen,
Auf unsere Anfrage theilt uns Herr Doctor
nicht im gerin
aus den Erträgnissen der Bauernfeld=Stiftung Arthur Schnitzler mit:
rarische Wert
„Lebendige Stunden“ haben im
einen Preis von 2000 Kronen dem Literaten
der Erfolg ste
Arthur Schnitzler für seinen Einactercyklus
Berliner Deutschen Theater einen sehr starken
kein Wort
„Lebendige Stunden“ zu verleihen.
Erfolg gehabt, der auch von der ganzen Berliner
brauche. D
In dieser Verleihung erblicken die unterzeich¬
Presse constatirt wurde. Selbst die dortigen
der „Lebend
neten Abgeordneten eine Verletzung der Rechte
antisemitischen Zeitungen haben sich
sei von Baron
der nichtjüdischen Schriftsteller¬
anerkennend über die vier Einacter aus¬
und ihm hab
welt unserer Heimat und einen Verstoß gegen
gesprochen. „Lebendige Stunden“ sind in Berlin
ohne weiteres
den Sinn und Zweck der Stiftung und die un¬
etwa vierzigmal und vom Deutschen
denn sonst in
begründete Auszeichnung eines nicht preiswürdi¬
Theater gelegentlich des vorjährigen kurzen Gast¬
Minor gab
gen Werkes, und zwar aus folgenden Gründen:
spieles in Wien noch weitere zehnmal auf¬
neuesten Belle
Das preisgekrönte Werk, die vier Einacter „Le¬
geführt worden. Wer also behauptet, der
gestiegen sei,
bendige Stunden“ hat weder bei seiner Auffüh¬
Cyklus sei wirkungslos vorüber¬
preiswürdig ü
rung in Berlin noo bei der durch das Ensemble
gegangen, der spricht entweder leicht¬
In einem P
des Berliner Deutschen Theaters im Wiener
fertigerweise von Dingen, die er nicht
und Schrotten
Carl=Theater noch auch bei der kürzlich im
kennt, oder er sagt bewußt eine Lüge.
verdient hätten
Wiener Deutschen Volkstheater erfolgten eine
Auf unsere weitere Anfrage über die etwaige
Hofer“ se
tiefere Wirkung geübt oder auch nur oberfläch¬
Vorgeschichte der Bauernfeld=Ehrengabe erklärt
Sitzung des
lich den Eindruck eines Dichterwerkes gemacht.
Dr. Schnitzler:
und thatsächlich
Die ausdrückliche Rangerhöhung desselben durch
Ich habe mich niemals um irgend
vorgeschlagen.
eine Prämiirung in Wien muß daher im Aus¬
leinen Preis noch um irgend eine
erzielt. Auch
land die falsche Vorstellung erwecken, als hätte
um eine lite¬
Ehrengabe noch sonst
„Ledigen Leute
das österreichische Schriftthum thatsächlich keine
rarische Würdigung beworben. Weder
die Ehrengabe
besseren Producte aufzuweisen, als derlei Min¬
direct noch indirect. Ich habe weder
„Herrn von Al
derwertigkeiten.
der Bauernfeld=Stistung noch
eine Wendun
Die Meinung des Auslandes über die heimische
irgend einem anderen ähnlichen Comité meine
Schrotten
Literatur wurde aber durch das Vorgehen des
Bücher eingereicht. Ich kenne weder den Herrn
ratorium der
Bauernfeld=Curatoriums auch noch in weiterer
Uinterrichtsminister noch den Herrn Dr. Weissel
Gemeinderat“
Hinsicht consequent irregeführt, da die Preise der
und habe seit langer Zeit weder mit
gleichsam auße
Stiftung innerhalb ganz kurzer Zeit einer unver¬
Herrn Baron Berger noch mit Herrn
Raimund=Prei
hältnißmäßig großen Zahl von jüdischen
Professor Minor gesprochen. Niemals
Unzufriedenen
Literaten zugewiesen wurden, und zwar sol¬
aber war zwischen mir und diesen
nicht irritiren
chen von untergeordneter Bedeutung. Es sind dies
einem Bauernfeld¬
Herren von
Wissen und G
Dr. Leo Hirschfeld, prämiirt für die Ko¬
Preis die Rede. Weder das erstemal
mödie „Die Lumpen“, der Erotiker Felix Dör¬
noch etzt, weder mündlich noch schrift##
mann (richtig Biedermann) für ein gänzlich
lic. Ich bin auch nicht Mitglied
verschollenes Drama „Der Herr von Abadessa“.
der Literarhistoriker Dr. Emil Horner fürsder „Concordia“ und gehöre keinems
[Freimaurerverbande an. Ich stehe
eine Bauernfelt=Biographle, der Librettist von
allen diesen Dingen von jeher gänzlich fern.
Operettentexten Victer Leon (richtig Hirsch¬
Eine Anerkennung meiner Arbeiten, die mir #
feld) für ein vor langer seit gegebenes Stück
von berufener Seite spontan entgegengebracht
„Gebildete Menschen“ und schließlich Arthur
wird, nehme ich selbstverständlich dankbar an
Schnitzler für die „Lebendigen Stunden“
und glaube niemandem dafür Rechenschaft
Untee diesen Umständen muß im Ausland die
schuldig zu sein.
irrige Anschauung entstehen, daß einerseits die
Ueber die Interpellation des Dr. Pattai
deutsche Literatur in Oesterreich fast ##r von
äußert sich Arthur Schnitzler:
Juden geschrieben wird, andererseits die Qualität
Derlei interessirt mich nicht, und ich habe
eine äußerst niedrige ist.
keinen Anlaß, von so nebensächlichen Zwischen¬
Diese unleugbare Bevorzugung jüdischer
fällen auch nur im geringsten Notiz zu nehmen.
Literaten durch das Curatorium der Bauernfeld¬
Ein Interview mit Professor Miner.
Stiftung bedeutet aber auch eine Zurücksetzung
und die Mitarbeit an der Unterdrückung der nicht¬
Ein Mitarbeiter der „Zeit“ hatte Gelegenheit,
jüdischen Schriftsteller Oesterreichs, die, durch den
mit einem der Preisrichter, Herrn Universitäts¬
Boycott der einflußreichen jüdischen Presse und
professor J. Minor, über die oben wieder¬
die Cartelle der jüdischen Gewerbsliteraten schon
gegebene Interpellation zu sprechen. Professor
an sich in bedrängter, mituntertrotz ihrer Begabung
Minor bezweifelt es sehr, daß Unterrichts¬
minister Dr. Hartel auf die Interpellation
fast aussichtsloser Lage, gerade auf die ethische
und materielle Förderung durch ähnliche Einrich¬
überhaupt erwidern wird. Schon an¬
tungen, wie die der Bauernfeld=Stiftung ist, als
läßlich der Verleihung der Bauernfeld=Ehren¬
einzige Hoffnung hinblicken und die schwere Ent¬
gabe an Felir Dörmann sei im December
täuschung erleben müssen, mit Abfällen abgespeist
1901 im Purlament eine ähnliche Anfrage an
den Unterrichtsminister gerichtet worden, die er
ode übergangen zu werden.
auch unbeantwortet gelassen habe, da er nicht
Die Verleihung ist endlich gegen die Absicht der
Privat¬
als Minister, sondern als
Bauernfeld=Stiftung gerichtet, in deren Sinn es
person Mitglied des Curatoriums der
gewiß nicht liegt, die Ausbreitung des semitischen
Bauernfeld=Stiftung sei. Dies sei nun noch
Geistes in der Literatur zu fördern, welche das
immer unverändert geblieben und D.. Hartel
sittliche und ästhetische Gefühl der Stamm¬
müsse dem Parlament in Sachen der Stiftung
bevöllerung Oesterreichs oft genug, so auch in
nicht Rede stehen.
den Werken der prämürten Hirschfeld,
Professor Minor berichtigt die allgemeine Be¬
Schnitzler und Dörmann. gröblich verletzt,
zeichnung „Bauernfeld=Preis“ und sagt, es
die Vertreter dieser fremden Richtung in unserem
handle sich da um keine Preiskrönungen, sondern
Schriftthum aber auf Kesten der autochtho¬
nur um Ehrengaben. Die Höhe der¬
nen Dichter und Schriftsteller zu stützen und
selben hänge von äußeren Umständen ab, habe
im Einfluß zu steigern.
In Erwägung dieser Thatsachen richten die kalso etwa mit der Qualität des bedachten Werkes