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Grillbarzer-Preis
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mit dem vornehmsten Dichterpreise, den unsere Heimat zu patriotisch obendrein, endlich patriotisch. Denn früher
verleihen hat, heute wird uns das als ganz erhielten den Grillparzer=Preis Ausländer, Deutsche aus
Aparzer zu Schnitzler.
natürlich und befriedigend vorgesetzt. Es lebe der
den voroischen Siedelungen der Nation, Wildenbruch,
iter Weg von Grillparzer zu Artur
Umschwung! In seiner ganzen literarischen Tätigkeit,
Hartleben, Hauptmann, jetzt aber ist er endlich an einen
unaufhaltsam abwärts von parnassischen
in seinem ganzen Leben hat Grillparzer, in dessen Geist
Oesterreicher gekommen, an Schnitzler, den Sohn eines
n Niederungen, aber wir haben ihn
und aus dessen Mitteln die Preisstiftung erfolgt ist, keine
eingewanderten ungarischen Juden, der zufällig in Wien
sch zurückgelegt. Und heute ist uns —
Zeile lasziven Inhaltes veröffentlicht oder auch nur nieder¬
geboren wurde. Oder noch besser gesagt: ein Jude hat den
stens viele glauben machen — Grill¬
geschrieben, ihm erstrahlte die Dichtung in makelloser Rein¬
Grillvarzer=Preis bekommen und nun ist die Angelegenheit
r ausgingen, so fern gerückt, daß man
heit — seinen Preis erhält Schnitzler, der Pornograph,
eudlich auf dem richtigen Wege. Das ist der eigentliche,
selbstverständlich mit Artur Schnitzler in
der die schlecht parfümierten Kanapeegeschichten und Sexual¬
der wertvollste Umschwung. Denn nach Schnitzler sind ja
Ellen darf. Nichts anderes als dies haben
anekdoten seines „Reigen“ aus ersichtlicher Lust am Ge¬
schon die Dörmänner, die Hirschfelbe, Lothare und schließlich
Schnitzler kürzlich für sein „Zwischenspiel“
meinen verfaßte, dessen Muse sich aus dem Champagnerrausch
die Auernheimer da, die, nachdem sie die Bauernfeld-Preise
8verliehen. Wer hätte in diesem Vorgange
liederlicher Chambre separée=Stimmungen ihre Anregungen
gründlich abgegrast haben, nunmehr auf den Grillparzer¬
holte. Vivat der Umschwung! Grillparzer hat einmal in
g verschließen können, daß hier eine
Preis angewiesen sind. Der Umschwung wird sie ihnen
Rom, wo er im Gefolge des Kaisers Franz weilte, begeistert
uenz, ein scharfer Widerspruch vorliege?
schon geben und zu guter Letzt noch auf den Buchbinder
von Grillparzers Welt mit jenem der
von der Erhabenheit der Antike ein Gedicht geschrieben,
kommen.
einmal einen tangentialen Berührungs¬
„Die Ruinen von Campo Vaccino“, das durch ein unglaub¬
„Lump, werd' ein Jud' und rezensiere“, meint Grill¬
liches Mißverstehen so gedeutet wurde, als richtete es sich
diese Prämiierung gegen Gerechtigkeit,
r
parzer, der zähe altösterreichische Antisemit, dessen rassen¬
gegen die christliche Religion. Obwohl jedermann sich von
in für natürliche Tradition und Ent¬
echte „Jüdin von Toledo“ keinen Zweifel aufkommen läßt
der Unrichtigkeit dieses Verdachtes aus dem Wortlaute und
g verstoße? Aber es sollte noch schöner
über die Verachtung, die er der typischen Gesinnungsniedrigkeit
der Verteidigung des Dichters überzeugen konnte, haftete
der mit dem Ehrenpreise Grillparzers
des Judentumes entgegenbrachte. Und da Herr Auern¬
ihm der grundlose Vorwurf immerwährend hemmend und
eine unwürdige Erscheinung ist, ge¬
heimer, den die Spalten der „Neuen Freien Presse“
schädigend an und Kaiser Franz sagte von Grillparzer:
she Gegenwart Wiens zu beleidigen und
eines schönen Tages als Literaten geboren, den Grillparzer
„Ja, wenn er nur die Geschichte mit dem Papste nicht
t herabzusetzen, nicht dies hörten wir
nicht mehr hinunterrezensieren kann, wie es weiland Kollege
gehabt hätte.“ Das war gewiß traurig und die ganze Ge¬
fliche Urteil des Fünfrichterkollegiums,
Saphir tat, so rezensiert er seinen Standesbruder Schnitzler
sellschaft, die damalige wie die heutige, bedauert es, daß
teil: Stolz und Genugtuung sollen wir
eben zur Höhe Grillparzers hinauf. Für den Dramaturgen
kleinlicher Sinn und Vorurteil dem Dichter Leben und
daß der Grillparzer=Preis diesmal im
Auernheimer, der vom Mutterschoße der „Neuen Freien
Schaffen verbitterten. Aber wie herrlich weit hat es unser
i, daß ihn Schnitzler, ein Oesterreicher,
Presse“ aus jene wirksamen Schlafmittel versendet, die er
Oesterreich seither gebracht! Herrn Schnitzler hat es nicht
n das ist das Zeichen eines großen
Lustspiele nennt, hat der Hauptmannsche Berliner
geschabet, daß er sich durch seine obszönen Publikationen
sich vollzogen hat, und diesen „Um¬
Naturalismus durch Schnitzler erst seinen wienerischen
vor allen anständigen Leuten kompromittiert und prosti¬
Herr Ravul Auernheimer in einem Sonn¬
Schliff erhalten. „Nach Bauernfeld ist Schnitzler der erste
tuiert hat; es hat für ihn keine Folgen gehabt, daß er
„Neuen Freien Presse“ mit Begeisterung
deutsche Schriftsteller und unter den Modernen der einzige,
in seinem „Leutnant Gustl“ die eigene jüdisch=geschäfts¬
nitzler auseinander.
in dessen Werken eine wirkliche Gesellschaft verkehrt, keine
mäßige Gesinnung einem auf Ehrbegriffen aufgebauten
Umschwung, an den müssen wir wohl
bloß transponierte, die auf eine sehr primitire Art ent¬
Stand aufhalste, und für diese schimpfliche Verletzung der
getreten und mit Entsetzen nehmen wir
steht, wenn man die Vicomtes und Duchessen des französischen
Standesehre insam kassiert wurde. Beileibe nein, denn
F. Woran zur Zeit Grillparzers niemand
Sittenstückes in billiges Berliner Deutsch übersetzt.“ Nun,
wir haben ja den Umschwung! Wir sind ja liberal
wagt, was noch vor etlichen Jahren un¬
päre, die Auszeichnung eines Schnitzler geworden in Oesterreich, unsäglich, grenzenlos liberal. Undman kennt sie, die Gesellschaft der Schnitzlerschen Stücke.