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Grillnarzer-Preis
Telephon 12801.
*
MEEETKHES
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
an
ATERLAND, WIEN
E vom: 6 150
Dr. F. R. 0
Das aus den Herren Professor Minor, Direktor
Dr. Schlenther, Hofrat Dr. Burckhardt, Lud¬
wig Hevesi und Professor Erich Schmidt bestehende
Preisgericht für den Grillparzerp;eis hat heute
Nachmittags seine diesjährige Entscheidung getroffen und
den Preis einstimmig dem in Wien lebenden Schrift¬
steller Arthur Schnitzler für sein auf dem Repertoire
des Burgtheat###Stück „Z,wischenspiel“
zuerkannt. In die Genugtnung, die man darüber empfin¬
den darf, daß diese Auszeichnung, die schon so oft nach
Seutschland gewandert ist, endlich wieder einmal einem
österreichischen Autor zufiel, mischt sich ein recht bitteres
Gefühl. Zugegeben,
Schnitzler einer der begabtesten
unter den „Modernen“ ist — darf der Name des großen
vaterländischen Dichters in eine so nahe Beziehung zu
einem Modeschriftsteller gebracht werden, der seine An¬
regungen aus dem unserer Volksseele fremden Milieu des
Chambre separde bezieht? Verdient der Autor des ge¬
meinen Buches „Reigen" überhaupt einen Dichter¬
preis? — Armer Grillparzer, daß du dich nicht wehren)
kannst!
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Telephon 12801.
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MinTTSIEn

● l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
1
# hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New -Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
0
(Queilenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
REICHSPOST, WIEN
E vomiö 1. 1908
Theater, Kunst, Musik.
Die Verleihung des Grillparzerpreises.
Ein Schandmal der österreichischen Literatur.
Die diesjährige — heute erfolgte — Verleihung des
Grillparzerpreises übertrifft alle vorangegangenen Zuer¬
kennungen dieser Ehrengabe noch an Unbegreiflichkeit. Nach¬
dem das in seiner Mehrheit aus Oesterreichern oder doch in
Oesterreich lebenden Schriftstellern zusammengesetzte Preis¬
gericht durch volle vier Jahre keinen österreichischen
Dichter zu entdecken vermochte, der ihr des Preises würdig
erschienen wäre, hat sie, um die Dichtergabe nicht zum
fünftenmal dem Auslande auszuliefern, nach dem würdigsten
Wiener Bühnenautor gesucht und Artur Schnitzler als
solchen erkannt. Artur Schnitzler
parzerpreis! Niemand außer den fünf Preis¬
richtern, deren Urteil angeblich einstimmig gewesen sein soll,
wird den Zusammenhang begreifen. Aber nicht allein
Kopfschütteln wird diese Preiszuerkennung erregen, sondern
sie muß allgemeine Empörung bei allen jenen hervorrufen,
denen Oesterreichs literarischer Ruf noch am Herzen liegt.
Aerger hätte Oesterreich vor dem Auslande nicht blamiert werden
können als durch die Preiskrönung eines Bühnenantors
zum Meisterdramatiker, der geradezu der Typus des litera¬
rischen Dekadenten ist. Und für seine Komödie „Zwischen¬
spiel“, die nur unter den traurigsten Abhängigkeits=Ver¬
hältnisse von dem jüdischen Literatur= und Preßring,
unter dem das Bürgertheater heute schmachtet, zwe
Jahre mit Müh und Not am Spielplan erhalten wurde,
hat der „Dichter“ den Preis erhalten.
Es gibt nur eine Erklärung für die Zuerkennung des
Grillparzerpreises an den „Dichter“ des Pornographenwerkes
„Der Reigen“. Sie liegt in dem Tiefstand der literarischen
Verhältnisse in Oesterreich und insbesondere
Wien, und in der
erbärmlichen Abhängigkeit der
Führenden von der
Macht und dem Geiste
Indentums, die sich mit zähester Ausdauer der Herrschaft
er das literarische und geistige Leben der
pole zu bemächtigen suchen. Wie weit w
ung schon gekommen, wird bezeichnend
8020
bewiesen, daß der Wiener
ind
versitätsprofessor I
der die Preiszuerkennung an
chni
te. H
gtheaterdirektor Schlenther soll angeblich für
chönherr, wohl den wahren Anwärter auf den Preis,
eingetreten sein, aber die berechtigten Vorwürfe seiner Mit¬
schuld werden dadurch nicht aufgehoben; denn er ist es der
das echt österreichische Literatentum von der von ihm ge¬
leiteten Hofbühne und damit von der Preisbewerbung seit
Jahren einfach aussperrt.
Die Preiszuerkennung bedeutet für die österreichische
Literatur ein Schandmal, aber auch eine Warnung ein¬
dringlichster Art: Es muß der Kampf gegen den jüdischen
Geist, der bisher nur auf wirtschaftlichem Gebiete geführt
wurde, nun eidlich auch auf dem künstlerischen, wissenschaft¬
lichen und literarischen mit aller Kraft aufgenommen und
durchgeführt werden, bevor es überhaupt zu spät ist.