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Grillnarzer-Preis
g
hat nach Guy de Maupassant und den dänischen Er= die sich aus lächerlichen od
versank in die französelnde Unnatur. Aber noch zu
rang, plötzlich ministrabel
zählern, die seine Anzänge beeinflußten, viel Goethe ge¬
jener Zeit hatten wir einen Anzengruber, aus dem die
Widerstrebenden langsam
lesen, und man merkt das an dem schönen, klaren, reifen
die die
Heimat redete, und hatten zwanzig andere,
Dichter, der längst schon
Deutsch, in dem er seine letzten Erzählungen vorträgt.
gute Schule, wenn nicht auf dem Theater, so doch im
Richtung schürft, mit den
Anders steht es um den gewissen gesellschaftlichen Zug,
Liede, im Essay oder in der Novelle glänzend vertraten.
Mädel“ und „Müde Grazie
den alle seine Werke haben und hoffentlich auch in Zu¬
In Wien hat man eigentlich nie aufgehört, gut zu
andere in Berlin zu verw
kunft haben werden. Noch wenn er Dinge erzählt, die
schreiben, nicht zur Zeit der durch Laube verursachten
beikommen kann. Das k
sich außerhalb der Gesellschaft und ziemlich weit vor der
französischen Mode und nicht zur Zeit des Naturalismus.
Zeit. Wohl ist Schnitzler,
Linie begeben haben, tut er es mit den Worten und den
Der Gast, der von auswärts kam, entschlossen, unsere
Goethesche Maxime des Erl#
Gebärden des Weltmannes. Gerade dasjenige, was man
Stadt zu erobern, wurde in dieser Stadt der alten
Alter vom erotischen Erleb
mit einer gewissen Berechtigung dem deutschen Naturalis¬
Kirchen und der jungen Frauen unversehens ein anderer.
ausgegangen. Aber er ist
mus und der Artistenkunst vorwarf, daß sie sich dem
Nicht er eroberte Wien, sondern Wien eroberte ihn. Und
Schon vor zehn Jahr
kulturellen Leben der Gegenwart verschlossen, konnte man
diese Eroberung heißt Jung=Wien, oder, nach ihrem
Geronimo“ geschrieben, eine
Schnitzler kaum jemals und kann man ihm mit den
begabtesten Vertreter benannt, Arthur Schnitzler.
den „Lieutenant Gustl“, e
Jahren immer weniger nachsagen. Er liest alles, weiß
Dieser Dichter ist ein Produkt des internationalen
sind so wenig erotisch, wie
von allem, nimmt an jeder geistigen Errungenschaft teil.
ein
Naturalismus und der guten Wiener Tradition,
von Kleist. Daran darf m
Noch seine schwächeren Werke, wie etwa das „Zwischen¬
Mischling also. Aber man weiß ja: die Kinder der
Umschwung erfolgt. Für sei
spiel“ sind voll unruhiger Fragen und voll geistiger
Mischehen sind nicht die schlechtesten.
freilich bedeutet dieser Un
Entwicklungskeime. Oberflächlich angesehen, ist das ja
Noch in einer anderen Richtung machte sich der
Jahren, noch vor fünf, I
nur der eheliche Zwist zweler sehr verseinerter und wohl
Wiener Einschlag in dem eingewanderten Naturalismus
kennung schaden lönnen.
auch etwas überspannter Künstlermenschen, die miteinander
geltend. Wie sich der rüde Gesell in dieser Stadt der
befürchten. Seitdem er die
verheiratet sind, sich fliehen, sich finden, und gerade weil
hübschen Worte bald gewählter auszudrücken lernte,
jahres überschritten hat, strel
sie sich zur Unzeit gefunden haben, am Ende doch ver¬
lernte er auch noch etwas anderes: In Gesellschaft gehen.
Einzelerlebnisse schießen zu
lieren. Eine ziemlich komplizierte Geschichte, die aber
Wie die Form, änderte sich auch die Richtung des natura¬
zum Weltbild; und
keinen, der von Hebbel kommt, befremden kann. Denn
Nach
listischen Strebens, und auch das ist Schnitzler.
dichterischen Lebens. Er
die Cäcilie der letzten Szene ist nur eine Schwester der
und
Bauernfeld ist er der erste deutsche Schriftsteller
und den „Weg ins
Rhodope und Mariamne.... Darüber hinaus aber
unter den Modernen der einzige, in dessen Werken
neuer Roman, sein erste
Lustspiel (das „Zwischenspiel“ ist
bedeutet dieses
keine bloß
verkehrt,
eine wirkliche Gesellschaft
zeichnenderweise gerade
eigentlich ein Lustspiel, aber ein so feines, daß
transponierte, die auf eine sehr primitive Art entsteht,
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scheinen beginnt, da
man gar nicht merkt, daß es eines ist) noch viel mehr:
wenn man die Vicomtes und Duchessen des französischen
Bemühen endlich die verdie
Es bedeutet den Kampf zweier vornehmer Gegenwarts¬
Sittenstückes in billiges Berliner Deutsch übersetzt. Dabei
weiß, wie weit er noch geh
menschen um die neue Form der Ehe. Es besitzt bei
ist doch auch wieder der französische Einfluß auf Schnitzler
Bei Dichtern kann man wo
aller scheinbaren Leichtigkeit, ja Frivolität, einen großen
unverkennbar, aber er war nie größer als derjenige, den
kommen, aber nie, wohin
sittlchen Ernst. Vielleicht war das die Meinung der
das Franzosentum auf die Wiener Gesellschaft übte, in
vermag sie nicht immer zu
Preisrichter, als sie gerade dieses Werk des Wiener
der man zu allen Zeiten gut Französisch sprach und gut
das Glück: Immer ander
Dichters auszeichneten.
Wienerisch dachte. Uebrigens nimmt dieser französische
Jedenfalls bedeutet diese Wahl oder diese Ernennung
Einschlag im Werke Schnitzlers mit den Jahren ab und
ist seit einiger Zeit in völligem Schwinden begriffen. Er einen Umschwung. Das ist, wie wenn eine junge Partei.