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0. Antisenitisn
I. Oesterf.
OBSERVER peheret., konz.
318
Dledro für Zeitungenachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 17
Srregese Ao WEITDAE
— A LAT |933.
Die Kultur auf dem Scheiterhaufen
Eine schwarze Liste und ein brauner Schandpfahl
Innsbruck, 2. Mai. (EB.) Die Reihe der Volksvergnügungen
im Dritten Reich nimmt ihren Fortgang. Nachdem die Marxisten
„gefoltert, die Arbeiterheime geplündert und die Juden gehetzt wor¬
den sind — müssen neue Belustigungen für das Volk inszeniert wer¬
den, damit es nicht den Hunger spürt. Es darf keine Atempause
in diesem ungeheuren Volkszirkus geben, es muß weiter geschürt
werden in Haß und weiter getrommelt werden in Betrug, damit
das Volk nicht aus dem schrecklichen Rausch erwache und ernüchtert
den faschistischen Alltag des Hungers und der Knechtung, der Ar¬
beitslosigkeit und des Lohndruckes sehe.
Bücher werden verbrannt! Die kampfeshungrigen
SA.=Soldaten bekommen neue Beschäftigung. Sie werden die ver¬
femten Bücher aus den Buchhandlungen und Bibliotheken, aus
den Volksbüchereien und Universitäten holen und sie auf öffentlichen
Plützen zu großen Haufen türmen. Und dann kommt das große¬
Schauspiel, das das Volk seit den Tagen der Inquisition entbehren
mußte: die Bücherscheiterhaufen werden feierlich angezündet.
Eigene Ausschüsse wurden eingesetzt, die die Aufgabe haben,
die Büchereien von der „volksfremben und marristischen Literatur“
zu reinigen. Diese „zersetzenden Bücher“ der „Asphaltlitera¬
tur" werden auf schwarzen Listen vermerkt und öffentlich
angeschlagen. Die Geistesgerstörer machen ihre Arbeit gründlich.
Neben Namen der größten Sozialisten findet man Namen großer
Schriftsteller und Dichter (und hat dabei noch ein ge vergessen! Da
aber nicht mehr die schriftstelle ische Leisiung, sonern nur mehr das
Parteibuch maßgebend ist — nied es schon stimmen).
Inierster Linie haben es die Nazi auf die Verfasser unge¬
schminkter Kriegsbücher abgesehen. Neben dem besigehaßten Front¬
kämpfer Remarque, der das Verbrechen begangen hat.
das wahre Bild des Krieges in die breiten Massen zu tragen, ist
Arno'o Zweig (Sergeant Grischa“) und Ludwig Renn
(„Krieg") verpönt. Neben Heinrich Mann, der in seinen großen;
Zeitromanen den deutschen „Untertan“ in seinem Spießergeist und
nationalen Dünkel mit unerbittlicher Schärfe durchleuchtete, zugleich
aber durch die hohe Kunstform seiner Werke dem modernen deut¬
schen Schrifttum wie wenig andere Weltgeltung verschafft hatte,
werden auch Bert Brecht („Dreigroschenoper“ und Alfred Döb¬
lin („Berlin — Alexanderplatz“) auf den Scheiterhaufen geworfen.
Auf dieser Ehrentafel finden wir auch genug Oesterreicher:
Artur- Schnitzler (von dem zurzeit der Film „Liebelei" ind
Insbrucktame, Stephan Zweig und Richard Beer=Hof
mann. Weiter stehen auf der „schwarzen Liste“ der Franzoss
Henri Barbusse, der Tscheche Jaroslaw Hasek („Solda
Schweik"), Mar Brod. Lion Feuchtwanger, Walter Hasen,
elever, Egon Erwin Kisch und natürlich auch Ernst Toller
Aber nicht nur auf Dichter, die eine pazifistische oder proleta,
rische Gesinnung haben, lassen die „deutschen Erneuerer“ ihre Gei
steswut los, sondern in einem verstärkten Maße auf die Schöpfe
und Förderer des wissenschaftlichen Sozialismus
Aus allen deutschen Büchereien müssen die Werke von Karl Marz
Lassalle, Lenin, Liebknecht, Bebel. Karl Kautsky
Mar Adler, Otto Bauer, Franz Mehring und Kar¬
Tschuppik verschwinden.
Die braunen Helden können den Marrismus nicht geistig über
winden, dafür werden die geistigen Erzeugnisse auf den Scheiter
hausen geworfen. Sie vergessen, daß Ideen nicht brennbar sind
Und die Studentenschaften an den deutschen Hochschulen werder
zu Beginn des Sommersemesters Schandpfähle errichtet haben, an
die die Studenten „undeutsche und unwissenschaftliche Schrifter
sowie die Erzeugnisse derer, die sich durch ihre Beteiligung an de:
Greuelhetze vom deutschen Volke losgesagt haben“, nageln werden
Diese Greueltat zeigt sich als Kulturschande und
erübrigt eine Greuelhetze. Bücher werden in Flammen aufgehen
und werden flammend weiterleben. Armselige Barbaren werden
meinen, mit dem erlöschenden Scheiterhaufen erlösche alles, was
ihnen fremd und unverständlich ist. Sie aber vernichten nicht den
Jundeutschen Geist“, sondern die deutsche Kultur!
—.—
NWER
eie Nr.11
raigfon R-2 3-9-43
Kitzbüheler Nachrichten
A1 1933
1— Die „Schwarze Liste“. Das Börsenblatt
für den deutschen Buchhandel veröffentlicht die erste
schwarze Liste von Büchern, die bei der Säuberung
der öffentlichen Büchereien auszumerzen sind. An er¬
ster Stelle sind zwölf Autoren genannt, deren Werke
völlig und unbedingt auszumerzen sind: Feuchtwan¬
ger Gläser, Holitscher, Kerr, Kisch, Emil, Ludwig,
Heinrich Mann, Flivier, Remarque, Tucholsky und Ar¬
nold Zweig. Eine Reihe anderer Schriftstellen ist, wenn
auch nur mit einzelnen Werken, verzeichnet, so:
Henry Barbusse, Johannes Becker, Waldemar Bonsels,
Bert Brecht, Alfred Döblin, Kasimir Edschmid, H.
H. Ewers (mit „Vampir und Alraune“), Leonhard
Frank, Gorki, Oskar Maria Graf, Walter Hasen¬
clever, Bernhard Kellermann (mit „Der 9. Novem¬
ber“), Peter Lampel, Klausmann, Gustav Meyring,
Joachim Ringelnatz, Arthur Schnitzler, Berta Sutt¬
ner (mit „Die Waffen nieder“), Ernst Toller, Un¬
ruh, Jakob Wassermann, Stephan Zweig u. a. Die
schwarze Liste von Büchern trägt nur vorläufigen Cha¬
rakter und gilt lediglich für Bibliotheken und Leih¬
büchereien.
20
„OBSERVER'
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Ostland, Fürstenleld
2. Jli 1933
vom:
Undeutiche Schriftsteller und Bücher. Als solche be¬
lzeichnet man jetzt in Deutschland u. a.: Nathan und Scha¬
slom Asch, Henry Barbusse, Joh. R. Becher, Richard Beer¬
Hofmann, Bertl Brecht, Alfred Döblein (ausgenommen
sein Roman „Tycho Brahe"), Erich Ebermayer, Ilja Eh¬
frenburg, Leonhard Frank, Walter Hosenclever, Maxim
Gorki, Artur Holitscher, Bernhard Kellermanns „Der 9.
November“, Alexander Lernet-Holenia, Klaus Mann, Gu¬
stav Meyrink, Arthur Schnitzler, Upton Sinclair, Fritzz
Ivon Unruh, Jakob Wassermann, Stefang Zweig, Franzz
Merfel usw.