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Mitteilungen des Freiheitsbundes Wien
S
Die Reden dus Judengrrage.
Man hat von christlicher Seite bei verschie¬
Am Sonntag, den 15. März l. J., sprach der Arbeiter¬
führer Leopold Kunschak im Rahmen des Hauptappells
denen Gelegenheiten behauptet, die Judenfrage
des Wiener Freiheitsbundes unter anderem auch über die
sei in ihrem Wesenskern eine durch und durch
Judenfrage und führte aus:
religiöse Frage. Ich teile diese Behauptung,
Vor einigen Wochen habe ich, anknüpfend
glaube aber hinzufügen zu müssen, sie sei
un eine Arbeit, die vor längerer Zeit erfolgt ist,
durchaus nicht nur eine religiöse Frage. Wir
auf die Notwendigkeit verwiesen, mit der
sehen die Judenfrage in ihrem Kern
Vogel-Strauß-Politik in der Judenfrage ein Ende
auch als eine Rechtsfrage.
zu machen. Ich habe diese Forderung nicht
Die christliche Nächstenliebe,
gestellt als Antisemit, der ich mein ganzes
Leben gewesen bin, ich habe sie nicht gestellt
die wir ganz gewiß auch den Juden schuldig
als Rassenantisemit, der ich nie gewesen bin,
sind, verbietet uns keineswegs, ihnen gegen¬
ich habe sie nicht gestellt aus religiösen Er¬
über bestimmte und, wie wir glauben,
wägungen und Motiven heraus, schon des¬
erweisen zu können, wohlbegrün¬
wegen nicht, weil mir der ehrliche, gläubige
dete Rechie anzumelden, worauf wir
aus der ebenfalls von Christus geboienen rech¬
Jude achtenswerter erscheint als der ganze Troß
ten Selbstliebe heraus nicht verzichten wollen,
der Assimilationsjuden. Meine Forderung nach
ja, nicht verzichten dürfen. Wer darangeht, in
Bereinigung der Judenfrage gründet sich ledig¬
der Judenfrage vom Standpunkt des Christen¬
lich auf soziale Erwägungen, gleich jenen des
tums aus die richtige Haltung zu beziehen, muß
Programmes der christlichen Arbeiterschaft,
sich vor allem bemühen, ein klares, fostumris¬
welches besagt: „Für den gesunden
Fortschritt auf kulturellem und
senes Bild zu gewinnen von der Eigen¬
artigkeit, ja Einzigartigkeit des
wirtschaftlichem Gebiete ist es von
[üdischen Volkes.
wesentlicher Bedeutung, daß die
Führer in Abstammung und Denkart dem
Pater Pichlmair behandelte ausführlich die
bodenständigen christlichen Volke angehören
göttliche Sendung des alttestamentlichen Juden¬
und daß der zersetzende Einfluß des Judeniums
tums und zeigte dann, daß die Juden, indem
aus dem Geiste des Wirtschaftslebens des
sie in Christus den- Messlas- ablehnten, -in-eine
deutschen Volkes verdrängt werde. Wenn nun
religiöse Apostasie und damit der geistigen
an meiner Forderung Anstoß genommen wird,
Wurzellosigkeit und Heimatlosigkeit anheim¬
so kann ich dagegen keinen Einspruch erheben.
fielen. Gerade aus dieser Tatsache sei der Cha¬
Das Recht der Gegenrede ist jedem gegeben,
rakter des jüdischen Volkes herzuleiten, mehr
namentlich dann, wenn es sich um einen Autor
als aus den rassisch-biologischen Erbmaßen.
handelt, von der Bedeutungslosigkeit wie ich.
Wir müssen als gläubige Christen der Ange¬
Wer aber Einwendungen erhebt und Anstoß
legenheit der Judenemission das größte Inter¬
nimmt, der muß den Nachweis erbringen, daß
esse entgegenbringen. Nicht um religiösen
es eine Judenfrage nicht gibt. Nun ist aber die¬
Zwang, nicht um Proselytenmacherei handelt
ser Nachweis eine ganz unmögliche Sache,
es sich, sondern darum, daß wir als Christen
denn selbst weite Kreise des Judentums sind
in Wort und Beispiel den Juden den Weg wei¬
sich bewußt, daß es eine Judenfrage gibt. Des¬
sen zu Christus, der auch für sie wie für aile
halb ist es mindestens eine Leichtfertigkelt,
Völker die religiöse Wahrheit und das persön¬
sich um die Judenfrage herumdrücken zu wol¬
liche Heil bedeutet.
len. Es gibt in dieser Frage nur zwei Möglich¬
Der Redner kam dann auf den zer¬
keiten: Entweder löst man die Judenfrage recht¬
setzenden Einfluß zahlreicher Ju¬
zeitig nach den Eingebungen der Vernunft und
den auf das deutsche Volk zu spre¬
Menschlichkeit, oder sie wird gelöst werden in
chen. Dies gilt namentlich auf dem Gebiete der
der Form des vernunftlosen Tieres, in der es
Kunst und Literatur, des Theater- und Film¬
seinen Feind angeht, in Formen wildgeworde¬
wesens, der Tagespresse, des Schul- und Volks¬
nen und ungebändigten Instinkis.
erziehungswesens, der Seelenheilkunde und der
Am Mittwoch, den 18. März l. J., nahm der berühmte
wirtschaftlichen Praxis. Die großen kultur¬
Wiener Kanzelredner P. Georg Bichlmair S. J. in
schöpferischen Leistungen einzelner hervor¬
einem von der Katholischen Aktion veranstalteten Vortrag
ragender Juden sollen nicht geleugnet oder ab¬
über das Thema „Der Christ und der Jude“ zu dieser die
ganze Welt bewegenden Frage Stellung und sagte unter
geschwächt werden, aber es bleibt doch be¬
anderem folgendes: