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1 Miscellaneeus
Telephon 12801.
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8
Eine
TrTnresskunng
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
*
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
## hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenengabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
(4 3. 1905 Wiener Deutsches Tagblatt, W
E vom:
1.
Die Enquete zur Bekämpfung der Ge¬
schlechtskrankheiten wurde am Donnerstag fortgesetzt.
In( dieser (dritten) Sitzung sprach Hofrat Proiessor von
Philippovich über die Beziehungen ungünstiger Lohn¬
und Wohnungsverhältnisse zur Verbreitung der Geschlechts¬
krankheiten. Besonders traurig seien die Wohnungsverhält¬
nisse der Schuhmacher und der Heimarbeiter der Wäsche¬
und Kleiderbranche. Frau Popp=Dworzak berichtete über
die sehr schlechten Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen.
Dr. Brandweiner sprach über das sexuelle Moment im
Schrifttum und in der bildenden Kunst. Die Zensur
nützt nach den Nachweisen des Vortragenden nichts und
steigert noch den Reiz des „Verbotenen: Dagegen tritt er
für die Einführung der Kunstgeschichte in den Lehrplan der
Bürger= und Mittelschulen ein. Regierungsrat Himmel¬
bauer teilte mit, daß der Volksbildungsverein
die Bekämpfung der Schmutzliteratur in Aussicht
genommen habe. In einem Briefe, der zur Verlesung kam,
teilte Artur Schn###Ler, der Verfasser des „Reigen“,
mit, daß er den schädlichen Wert obszöner Bilder und
Bücher nicht hoch ansetze im Vergleiche zu den Erscheinun¬
En des täglichen Lebens. Der Kenner wenigstens weiß
genau zwischen Kunst und Photographie zu unterscheiden.
Leider sind die wenigsten Kenner. Vorsteher Deuticke
der Buchhändlerkorporation betonte, daß sich die porno¬
graphische Literatur immer mehr ausbreite. Landesausschuß
Bielohlawek warnte davor, die Geschlechtskrankheiten
als besonders gefährlich hinzustellen und dadurch viele
Kranke der Verzweiflung preiszugeben. Hofschauspieler
Gregori meinte über die angebliche Unmoralität am.
Theater, daß auf der Bühne täglich Geschlecht gegen Ge¬
schlecht gestellt ist und alles, was die Zuschauer etwar
sexuell erregt, den Schauspieler kaum mehr berührt. Dieser¬
ist genau so geseit gegen das Decolleté einer Kollegin, wie¬
andrerseits gebildete Menschen geseit sind, etwa beim Anblick¬
der milesischen Venus geschlechtlich erregt zu werden. Nachdem¬
noch einige Redner gesprochen hatten, wurde die Beratung aufs
Montag den 16. d. M. vertagt. In dieser Sitzung und ins
der Sitzung am Donnerstag den 19. d. M. wird über
„Oeffentliche und geheime Prostitution“ Polizeioberkom¬
missär Dr. Baumgartner berichten.
MS

Telephon 12801.
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Merkenmn
Weie
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O l. österr. behördi. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Franci# Ston#t rg.
0
(Quellenangabe ohne Geväur.)
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Ausschnitt aus:
4
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E vom:
Schnitzler und die Enqnete zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten.
Selten noch hat ein gemeinnütziges und wissenschaft¬
liches Unternehmen ein so schnödes Ende gefunden, als
es der Enquete zur Bekämpfung der Geschlechtskrank¬
heiten droht. Ansänglich bewegten sich die Verhandlungen in
ihren natürlichen, wissenschaftlichen Bahnen, in Erörte¬
rungen, die interessant und hörenswert waren, wenn sie
auch vorläufig keine Ergebnisse für die praktische Be¬
kämpfung der Geschlechtskrankheiten bedeuteten; aber
schon am dritten Verhandlungstage kam die große Ent¬
gleisung. Es besprach Dr. Brandweiner das „sexuelle
Moment in Kunst und Literatur“ und dann kam der
große Augenblick: die Verlesung eines Briefes, mit dem
der mit dem Grillparzerpreise gekrönte Pornographen¬
poet Artur Schnitzler die Euquete verhöhnte
und, wie man auf wienerisch sagt, „befrozzelte“ Mit Rücksicht
auf das ästhetische Empfinden anständiger Leser lassen sich die
Auslassungen Schnitzlers wohl nicht vollinhaltlich wieder¬
geben, aber ihre Tendenz kann man nicht verschweigen:
Schnitzlers Weisheit geht darauf hinaus, daß das
sexuelle Problem lediglich eine Glücksfrage sei;
die Frage, ob die Pornographie in dei Literarur und
bildliche Darstellung auf geschlechtliche Irritationen von
Einfluß sind, erklärt er als völlig belanglos, für ihn ist
es totsicher, daß die pornographischen Erzeugnisse in
Wort und Bild perzentuell gar keine demoralisterende
Bedeutung haben. Schnitzlers Bedenken gegen die
Pornographie sind, wie er, in zynischer Se
ironisierung, sagt, nur rein ästhetischer
Natur
Wer die Tendenz dieser Auslassungen des preis¬
gekrönten Dichters richtig erfaßt, für den besteht wohl
kein Zweifel, daß durch die Verlesung des Briefes
Schnitzlers die wissenschaftliche Enquete zur Karikatur
geworden ist. Schuld daran tragen jene, die Schnitzler
zur Mitarbeit einluden.