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Text

fen.
des Berliner
Zeilen General¬
gefragt haben,
ren Fehler der
Schöne an der
als Schätze
hlechten Launen
box 41/2
1. Miscellaneons
schmeichelnde Hand, die des Alltags quälende Sorgen verscheucht,
Es wird der Durst sogar gestillt
S
sie hat das helle, lockende Lachen, das uns erwärmt und den
Mit Oesterreichs Malz und Hopfen,
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Sinn leichter macht! Sie hat ... oh, sie hat noch vieles,
Nach Beinfleisch sind wir alle wild,
und auch manches, was weniger schmeichelhaft klingen würde,
Desgleichen nach Strudel mit Topfen.
aber Städte sind wie Frauen, und ich werde mich hüten, einer
Der Wiener Walzer lockt und packt,
Frau die ungeschminkte Wahrheit zu sagen!
Er läßt uns hüpfen und schweben;
Adolf Sliwinski,
Es dreht sich im Dreivierteltakt
Seniorchef des Bühnenverlags Felix Bloch Erben.
Das ganze berlinische Leben.
Als ich vor einigen Jahren einnal mit Josef Kainz über
Nur Euer Geist ist's, der uns labt,
Berlin und Wien plauderte, sang er in seiner glücklichsten Laune
Ihr sakrischen Sappermenter!
in begeisterten Worten das Lob Wiens (bei aller Anerkennung
Das Einz'ge, was von uns Ihr habt,
für Berlin), mit warmem übervollem Herzen pries er die Stadt an
Gabt Ihr uns wieder — den Schlenther!
der Donau ... „Und wenn ich in meinem kleinen Garten stehe
Und da Ihr nehmt mit Fleiß und Müh'n
und den Blick über die Silhouette des Wienerwaldes streichen
An unserm märkischen Sand teil,
lasse, dann beuge ich mich nieder und fasse zwei Handvoll Erde
So lob' ich gern das schöne Wien
und ziehe den Duft ein. Und ich atme dann Heimat und Kraft
Als echt Berliner Bestandteil!
Wien
und
Dr. Leo Leipziger.
Nicht so temperamentvoll und eindringlich, aber gleich im
Gefühl, wird schließlich jeder Oesterreicher Wien lieben und preisen.
Wie? Aus heiterem Wiener Himmel wollt ihr plötzlich
Und verteidigen, was sehr oft notwendig sein wird. Besonders
euch selbst erkennen? Von Tugenden und Mängeln wissen? Geht.
den Norddeutschen gegenüber — von denen ich, einer der wenigen
ist das nicht schon ein fremder Tropfen im Wiener Blut? Macht
geborenen Berliner, gern eine Ausnahme mache. Und ich
denn nicht gerade der unbekümmerte, leichte Sinn den Wiener?
— hier
liebe Wien, mit allen seinen Vorzügen und
Und auch das bissel Leichtsinn (Schlamperei nennt ihr's, glaub'
ist die Offenheit nicht nur erlaubt, sondern auch
ich, selber), das . . . pfui, wer wird von Kehrseite sprechen!..
gewünscht — mit all seinen Fehlern. Ich liebe den Duft
das nun einmal dazu gehört?
jener alten leisen, ein wenig verstaubten Kultur, der über allem
Und so ist's vielleicht mit allem bei euch. Ihr habt eure
in Wien liegt, der die Fröhlichkeit verfeinert und die Betrüb¬
alte Kultur — und dazu auch noch ein paar uralte Zöpfe. Ihr habt
samkeit hemmt, ich liebe die schönen Frauen nachmittags bei
das beste Essen der Welt (das beste Alltagsessen nämlich; das also, Dehmel und abends im Bristol und die süßen Mädel in der
worauf es ankommt) — und habt noch kein Hotel nach neuen Begriffen.
Mariahilferstraße, ich sitze mit Genuß nachmittags in einem der
Ihr habt das schmuckste Fuhrwerk — und keine Automobile. (Dafür
großen Korbstühle vor den Hotels am Kärntnerring und beobachte
aber die Streckentarif=Logarithmentafel.) Ihr habt die Ring¬
die Spaziergänger, ich liebe einen Maimorgen im Prater und
straße, das Rathaus (die Kärntnerstraße und der Graben sind
eine Jause in der Krieau, und ich liebe die Oper, die Burg,
mir persönlich fast noch lieber) — und habt dreckige Gäßchen mit
„Venedig“, die Freudenau und Schönbrunn, ich schätze den
schlechtem Pflaster (aber auch dort noch Reizvolles auf Schritt
„durchpassierten Roquefort“ und beuge mich vor der Notwendig¬
— und den uner¬
und Tritt). Ihr habt das herrlichste Klima
keit, des „Tafelspitz“ wegen, schon um 1 Uhr zu Mittag
träglichsten Wind. (Wie wär's denn da einmal mit einer Um¬
zu speisen.
frag' wegen Aenderungsvorschlägen?) Ihr habt die besten
Und doch — ich möchte in Wien nur leben als völlig un¬
Zeitungen — und andere. Habt den Artur Schnitzler, vielleicht
abhängiger, sehr reicher Mann. Zwei Monate im Jahr, im
den einzigen, gewiß den liebsten Poeten gebildeter deutscher
Frühjahr und im Winter. Denn Wien ist die teuerste Stadt der
Gegenwart. Und andere. Ihr habt den alten Kaiser und die
Welt; für den Fremden sicherlich. Wenn man das dünne
vielen prächtigen Erzherzöge. Und Ihr habt den Stephansdom
Papiergeld einmal wechselt, bekommt man eine Kleinigkeit wieder
und die Pfaffen drinnen!
der größere Teil ist weg. Ich wußte in Wien nie, wo das
Geld geblieben ist und ich wurde nie den peinlichen Eindruck los,
Und Ihr habt ... die Erinnerung an Sonnenthal, die
geprellt worden zu sein. Das alte Klagelied über die Fiaker will
Wolter, Meixner .. . Und nun habt Ihr auch den Kainz schon
ich nicht anstimmen, die lasse ich längst vom Hotelportier be¬
wieder! Und habt den Hartmann und die Bleibtreu!
zahlen, aber über eine Redensart kann ich mich immer ärgern:
Wenn Ihr jetzt gerade nur noch die Reinhardtsche Drehbühne
„Euer Gnaden wissen eh' schon!“ Diese paar Worte sind ein
hättet
für Oesterreich. Es liegt
Und Ihr habt die Cafés und die Beiseln. Und den Zahl¬
Verhängnis für Wien, vielleicht
daß der dumme Kerl
darin die beleidigende Annahme,
kellner, den ersten Speisenträger, den zweiten Speisenträger, den
da vielleicht doch mehr zahlt, als er nötig hat.
Kellner für Bier, den Kellner für Wein, den kleinen, den kleineren,
Darum versucht es der Fiaker und der Dienstmann und der
den kleinsten Pikkolo ... Und die sieben Häuferln von Trink¬
Gepäckträger und der Friseur und die Blumenverkäuferin und
geld dazu! Und die Gulden und Kronen und Kreuzer und
sogar die Wäscherin (selbst wenn sie die genau spezialisierte Rech¬
Heller und Sechserln. Und das Sperrsechserl noch obendrein!
nung in der Hand hat): „Euer Gnaden wissen eh schon.“
Ach, und Ihr habt den Dialekt! (Der unser Ohr mit
Wie mir der schreckliche, süßliche, sächsische Dialekt die
Wohlklang füllt.) Und den Ebenstein, und die Hof=Schuhmacher¬
schönsten Gegenden Thüringens verleidet hat, so verdirbt mir diese
meister, und die Salons de modes! (Die unsere eisernen Kassen
Redensart immer ein wenig die reine Freude an Wien. Und
leren.) Und die Höflichkeit! Und das „Vou“! Und Eure lieben
doch, sie fehlt mir wieder, wenn ich sie nichtsofort auf der Bahr—
Süßen!.
Und wir im kalten Norden, wir sind ja so vernarrt in schon vernehme, sie gehört zu dem Gesamtbilde, zu dem Gesamt¬
Euch und Eure Feschheit, daß es uns nicht einmal stört, daß Ihr eindruck. Wie eine aufreizende Laune einer schönen Frau, die
man liebt, mit all ihren kleinen Fehlern. So geht's mir mit
uns, zum mindesten, mordsfad findet.
Wien — ich liebe diese Stadt und besuche sie so oft, wie ich
Also weiß ich Euch nur einen einzigen Rat: Verbessert Euch
kann — wie eine schöne Frau.
nicht! Bleibt, nach Möglichkeit, wie Ihr seid! Und werdet ums
Chefredakteux ArtuxWolff.
Himmels willen nur keine „Großstadt“!
Hans Olden.
Wenn man als Reichsdeutscher heute über Wien spricht,
muß man damit beginnen, die Stadt zu verteidigen, und zwar
gegen die Wiener!
An Stelle des einstigen Lokalpatriotismus, der sich in
harmlosen melodiös=lyrischen Sentimentalitäten erschöpfte, ist jetzt