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Fuchenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
EIEHSPOST WIEN.
14.M8Z. 1974
vom:
2 Jüdische Schauspielkunst. Man schreibt uns aus
der Leopoldstadt: Im 2. Bezirk, Hotel „Stefanie“ spielt
seit einiger Zeit ein polnisch=jüdisches Ensemble, das sich
„Jüdische Bühne“ nennt. Selbstverständlich wird im
„niddischen“ Jargon gespielt. Die „J. Z.“ brachte unterm
6. d. das Wochenrepertoir dieses Kunsttempels, worin
für den 12. März ein Stück „Borg mir Dein Weib“ an¬
gesetzt erscheint. Also eine Art Schnitzler im Hotel
„Stefanie. Kein Zweifel, daß die Vorstellung ausver¬
kauft sein wird; die deutsche Fortschrittspartei in der
Leopoldstadt weiß gut, was sie ihrer Kunst schuldet
und wird auch der Herr Bezirks=Starosta dabei hoffent¬
lich nicht fehlen: „Borg mir Deine Wähler“ dürfte ihm
allerdings viel lieber sein.

31. 3. 1914
vom:
— —
Wien, Dienstag
„Aus den Wiener Morgenblättern.
Nun lehnt sich sogar schon der Geschmack der
„Neuen Freien Presse“ dagegen auf, daß man das
Wiener Thetterpublikum unausgesetzt mit Fabrikaten der
Schnitzler Salten, Auernheimer, Zifferer, Feld usw.
traktiert Der Feuilletonist W. wagt anläßlich der
Wieperaufführung des „Othello“ im
Buggtheater einen Seufzer:
*Das Burgtheater hat sich endlich einmal wieder
eine höhere Aufgabe herangemacht, das kann nur Be¬
„tiedigung wecken.
Wenn Shakespeare im Burgtheater seine Auf¬
erstehung feiert, so ist das freilich eine Erholung nach
der „Auferstehung“ des Salten, die eigentlich eine
Leichenbeschau war. Zumal auch die Probleme, die
Shakespeare dem Wiener noch immer stellt, gar nicht
inaktuell sind und neben Schnitzler und Salten bestehen
können; meint doch der Feuilletonist der Fichtegasse,
nachdem er die „grüblerischen Auffassungen“ anderer
Kritiker erledigt hat, beziehungsreich:
Eher könnte mal in diesem Fall die beliebte
Rassentheorie auf den Plan führen, und es sollte uns
wundern, wenn es nicht schon geschehen wäre, wenn man dem
Dichter die Absicht, seinen Zuschauern die verhängnisvollen
Folgen einer Mischheirat vor die Augen zu stellen, nicht schon
nachgewiesen hätte: Seht da, was herauskommt, wenn sich
semitisches Blut mit arischem verbindet —
dann liegen zum Schluß gleich drei Leichen auf der tragischen
Diele, und fast ebenso viel hinter den Kulissen. Wunderlicher¬
weise ist nun aber die einzige Zweifelfrage, die
hier entstehen könnte, gerade eine Art Rassen¬
frage und diese greift in die Praxis des Schauspielers ein.
Das sagen wir auch. Es führt zu nichts gutem,
wenn der Schnitzlermit dem Burgtheater förmlich im
Konkubinät lebt und beinahe alle anderen Bühnen ähnliche
eindeutige Verhältnisse mit semitischen „Literaten“ unter¬
halten. Es wird noch übel enden. Schon liegt die Kunst als
Leiche hinter den Kulissen, während sich im Zuschauerraum die
Mischpoche unterhält. Die einzige Zweifelfrage ist in
der Tat „eine Art Rassenfrage“, die aber nicht nur „in
die Praxis des Schauspielers eingreift“. Das Burg¬
theater sollte auf seinem alten Schein bestehen wie
Shylock und das Problem einmal ohne Zögern bis ins
Herz anschneiden. Dem „Mohren von Venedig“ könnte,
sobald dieser seine Schuldigkeit gegen die Rass'
getan hat, der „Kaufmann von Venedig“ folgen, der
auch etwas von der Rass’ versteht, und dann so fort
die ganze Reihe, bis „die fünf Frankfurter“ zu ihren
Vätern versammelt und vergessen sind.
Die schwedischen Sozial demokratenund
Liberalen müssen eine große Aehnlichkeit mit den
unsrigen haben, denn die „Arbeiter=Zeitung“ läßt sich
aus Stockholm von ihrem Korrespondenten über den
Wahlkampf, der zurzeit in Schweden tobt, berichten:
Zwischen unserer Partei und den Liberalen iste
ein Abkommen getroffen worden, wonach in den von den
Konservaliven gefährdeten Kreisenegemein sam vorgegangen
werden soll, ebenso in solchen, wo den Konservativen bei
eintem Vorgehen ein Mandat entrissen werden kann. Dieses¬
Abkommen ist taktisch klug und notwendig, besonders unter den
gegenwärtigen Verhältnissen. Gewiß sind die Liberalen ebenso
unzuverlässig wie anderwärts, davon haben sie in
ihrer letzten Regierungsperiode wieder einen deutlichen. Beweis
gegeben, denn sie haben das Vertrauen
Wähler getäusch
.. Aber darum dreht es sich bei
den jetzigen Wahlen weniger. Diesmal geht es vor allen
Dingen darum, ob der Wille des Königs oder der
Wille des Volkes maßgebend ist. In dieser Frage besteht
zwischen Liberalen und Sozialdemokraten kein Unterschied. Das
schwedische Volk wird in den nächsten Tagen erhärten, daß es
seinen Willen durchzusetzen versteht und daß sich diesem auch der
König unterzuordnen hat oder er kann — ab¬
danken. Ein Unglück wäre dies sicherlich nicht!
Sozialdemokraten und Liberale vereint gegen den König
und die konservativen Mächte des Landes! Der König
soll parieren oder abdanken. Die Liberalen sind zwar
Volksbetrüger, aber als Bundesgenossen und Werkzeuge
den Sozialdemokraten gerade recht. Ueber Schweden
kann man in Wien offen reden. Die volle Wahrheit
erfährt man vereicht auch nur in Schweden.