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1. Miscellaneous box 41/6
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ZASL10
Dentschen Pagtlat
Oedontsche Kundschen
Wien
Kunst und Bähne.
Wien, 23. Juli.
Derkneie Generalirkendank.
Vor elf Jahren war man so gescheit, die überflüssi¬
ge, zwecklose und störende „Amtsperson“ eines Inten¬
danten nicht mehr zu ernennen. Wer nur halbwegs die
Geschichte des Burgtheaters kennt, weiß, daß fast jeder
Intendant die Qual und der Tod des jeweiligen Di¬
rektors war. Nun lebt also diese Würde von neuem auf.
Wozu, weshalb, mit welchem Wirkungskreis? Man
fragt mit einiger Besorgnis. Soll der schwerfällige bu¬
reaukratische Geschäftsgang in seinem Mechanismus noch
mehr erschwert, verkünstelt werden? Aber dies sind
Dinge, worüber sich die Herren des Obersthofmeister¬
amtes, der Intendanz und schließlich der Direktion klar
und einig werden müssen. Uns interessiert der neue
Herr Generalintendant und was er verspricht unge¬
mein. Mt großer Belulichkeit wurde er von der „frei¬
siunigen“ Presse begrüßt. Man beeilte sich, der bang auf¬
horchenden Judenschaft mit Augurenwink die Beruhi¬
gung zu bieten: Meyerbeer war der Großvater. Wir
sind nicht so leicht zu befriedigen und sind damit auch
hinsichtlich der Wahl nicht völlig beruhigt.
Leopold Freiherr v. Andrian=Wernberg, #
ehewals Generalkonsul in Warschau, bevollmächtigter
Minister, jetzt wieder im Auswärtigen Amt, hat beste
österreichische Tradition im Blute; er trägt einen guten,
im österreichischen Kulturleben geschätzten und ge¬
münzten Namen. Man möchte ihm, ach so gerne, ohne
Vorurteil begegnen, aber das Freudengeheul der ge¬
vissen Presse macht ihn verdächtig. Vielleicht bedankt
sich Freiherr v. Andrian um diese gar nicht gesuchte, be¬
gohrte Gönnerschaft?? Vielleicht?? Aber da sind zwei
Dinge die recht bedenklich stimmen: er dichtete einst —
lang ist es her — in der Cafe Griensteidl=Weis' und
ferner — er ist der intimste Freund und Geistesbruder
Hugo v. Hofmannsthals.
Gehen wir einer Renaissance dieser einst lebendig
gewesenen Artistenliteratur entgegen? Das wäre doch
wohl eine Unkenntnis der Bühnenkunst, wogegen die
Naivität Millenkovichs geradezu als Durchtriebenheit
anmutetr?! Gehen wir einer widerlichen Cliquen= und
Freunderlwirischaft entgegen? Wird der gute Freiherr
nicht blöß der Strohmann der gefährlichsten südischen
Suobliteraten sein? Hofmannsthal voran, dann nas
türlich die Herren Schnitzler Beer=Hofmann, Sals
ten — wiewohl der letztere ihnen selbst verächtlich und
zuwider ist! Den sie aber ob seiner Begabung, Frechheit
und — Vorurteilslosigkeit benötigen!
Das sind natürlich lauter Bedenken, von denen der
Obersthofmeister Graf Hunyady und sein erster
Ratgeber, Sektionschef Dr. Keller, hiermit zum
erstenmale Kenntnis erhalten Natürlich — das sind ja
die Künste dieser geheimen Mächte, im Trüben zu
kreisen. Vielleicht ist Freiherr v. Andrian so stark,
sich von dieser Gesellschaft freizumachen. Wir fürchten
für das Burgtheater, daß es leider nicht der Fall sein
wird!
Die ideale Vetätigung eines Intendanten
wäre nicht so ohne weiteres ohne Nutzen und Zweck.
Eine idesle Betätigung könnte genug Gutes schaffen;
es wäre damit eine diplomatische Pusferstellung vor
a
ereniurenan
handen, die den Direktoren mancherlei abnehmen
könnte, sie mancher Sorge entheben würde; den Direk¬
toren freies Feld für rein künstlerische Arbeit zu schaffen
hätte Sicht Herr v. Andrtundarinseine Tülgkeit.
dann ist er wärmstens zu begrüßen und zu unterstützen;
bleibt er der Geist, der über den Wassern schwebt, wird
er als vornehmer Gleichgewichtshalter wirken, so wi.?
man seiner Tätigkeit die wärmste Anerkennung zolle
müssen — ober aber darin die Befriedi
igung seines Ehrgeizes sieht? Wieder der
bange Zweifel?
Rund herausgesagt: Um etwa in die künstlerische Lei¬
tung der beiden Hofühnen einzugreifen, fehlt Frei¬
herrn v. Andrian aber auch die leiseste Beru¬
fung und Befähigung. Wir halten eine direk¬“
torale Einflußnahme sowohl in der Oper als auch in der
Wir müssen uns nicht immer