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1. Miscellaneeus
e
Einer durch den Anderen transparent. mit
aus den Urtiefen des Wortes emporholen,
einer pfiffigen Kugel durch das ganze Glied,
die riesigsten Horizonte aller Begrifflich¬
das vor uns aufmarschiert, ergeben sich die
keiten umspannen, Oesterreich sieht sich
Züge des Oesterreichers. Transparenz, ein
frei von solch verwirrender und überwäl¬
nymfisches Wesen, ein Naturgeist, Gespenst
tigender Zeitgemäßheit: lächelnd hält es
aus Gletscherkalt und Alpenglüheninbrunst,
den Spiegel seiner erdgebundenen Erkennt¬
wie soll man ihn beschreiben, jedenfalls aus
nisse vor sich — es ist nicht älter und nicht
seinem Boden .. den Oesterreicher zeich¬
jünger geworden
— und die Tragik, die
net nicht der Porträtist, sondern der Land¬
seine Stirne sanfmütig furcht, ist sie ein
schaftsmaler. Pußta, Karst, Karpathen,
wirklicher Schmerz? — und die Zuckungen
Meeraugen, grüne Grotten der Adria bei
der Welt, sind sie nicht das Spiel einer
Lacroma, Böhmerwaldland. Die Oebe tut
hochzeitlichen Zeugungsgewalt, die eines
einen vollen Fang Oesterreichertums, sie
Tages wundervolle Früchte gebären
wird?
schleppt Staatsmänner und Feldherren unter
andcrem herbei, aber sie geht dabei auf
„Das Abenteur im Geiste“ von Emil
den Menschen los. Es wird sichtbar, daß
Alphons Rheinhardt (Verlag S. Fischer, Ber¬
die Bestimmung Oesterreichs nicht in der
lin) ist von jener österreichischen Manier,
abstrakten Größe des Staates liegt, sondern
die das Uebersinnliche. Gedankliche, Mysti¬
in seinen Menschen.
sche als melancholisch empfindet, demgemäß
Wenn etwas der Oebe fehlt. ist es ein
verneint, dagegen im Sinnlichen, leiden¬
Band, der auf die Zukunft hinwiese, meinet¬
schaftlich Blühenden ihre kräftigste Be¬
wegen eine Utopie, unpolitisch, auch dich¬
jahung erkennt. Wir hörten schon einmal
terisch, er müsste nur zu zeigen wissen,
diese süßklingende Flötenmelodie, dieses
wie Bisheriges nicht einen Staatsmenschen,
Schluchzen und bange Fragen, wüste Um¬
sondern den Menschenstaat verspricht.
armen und liebliche Ermatten unbegreif¬
Abbau der Bewußtlosigkeit muß planmäßig
licher Töne: Schnitzler hat es in seinen Er¬
betrieben werden. Jene Männer der Oebe
zählungen gehabt, in seinen dunkeln, zarten,
waren erfolgreich als Beamte, weil sie er¬
wic in den blassen, zauberhaften Welten
giebige Menschennaturen —
die lustigen
Klimts gepflückten Träumen von Liebe und
Flüche Eugens gegen System! — waren.
Tod. „Das Abenteuer im Geiste, abge¬
Der Staat Oesterreich liefert Qualitätsware.
schält bis auf das blanke Gerippe der Fabel,
Das macht alle eingebildeten Mängel, ohne
schwebt unverkennbar in dieser Tempera¬
die er nie zu solcher Produktivität gediehe.
tur einer gemäßigten, von gelegentlichen
gut, es bringt sie in eine Fassung, zuletzt
Blitzen der Wollust erhellten, sonst wind¬
wertet es unsere ganze Auffassung von der
stillen und zum verweilenden Betrachten
braven Form eines Staates um — darüber
einladenden (man möchte fast sagen: pas¬
müßte die Oebe noch schreiben.
siven) Landschaft.
Robert Müller.
Ein junger Mann, namens Rudolf Feiler,
Tufelix Austria nubel Der erste
gerät durch Zufall in eine Provinzstadt und
Teil des geflügelten Spruches,der das
wird in das Liebesgetue zweier Mädchen
verwickelt, die
Kriegführen den anderen überläßt und
an und für sich nicht
Oesterreich das Heiraten, das Wohlsein, den
mehr im Zustande der Unschuld — von ihm
ausruhenden Genuß und das lächelnde Emp¬
die Erlösung ihrer Begehrlichkeiten erhof¬
fangen der Liebe vorbehält, ist hinfällig ge¬
fen. Judith, welche das intelligente, alles
worden: selbst steht es mitten im Sturm
verstehende, alles ironisierende, in ihrer
der entfesselten Völkerleidenschaften. Nichts¬
herrschsüchtigen, unruhigen, zersetzenden
destoweniger hat es sich in irgendeinem
Geistesgewalt geradezu verderbliche Liebes¬
Winkel seiner elementaren Lebensäußerun¬
element darstellt, verleitet Feiler zu der
gen das nubere oder zumindest den Willen
Ahnung eines Abenteuers, das außerhalb
zum nubere, zur Wertung der Daseinsfreude
der schmutzigen menschlichen Beziehungen
als ureigenstes und wesentliches Problem
sich in einer höheren und reineren Sphäre,
zu wahren gewußt. Wenn die künstlerischen
in den elysäischen Gefilden des Geistes voll¬
Ausdünstungen und Dämnfe der anderen
enden könnte. Erika, die andere, ist das
in sich beruhende, einzig in irdischer Hin¬
Nationen in diesen Zeiten blutrünstigen
Journalismus atmen oder. sobald sie, ge¬
neigung zum Mann ihr Wesen -erfüllende
läutert und zu feinsten Kristallen sich ver¬
Weib, triebhaft wie eine Pflanze, schwach
flüchtigend, aus dem Todesgeruch der un¬
und lieblich wie eine Sache, die eben nur
teren Sphäre in die Höhen empormünden,
zum Geliebtwerden auf der Welt ist. Sie
wo die neuen Reiche der Menschheitserlö¬
schiebt sich zwischen Feiler und Judith und
jener wird in seinen Entschlüssen wankend.
worte auf „ismus“) gegründet werden, wenn
aufgehetzt von instinktiver Neigung zur
sie in diesem Augenblick alle Masse mensch¬
Sanfteren, Blonden, und wieder hinweg¬
licher Gefühle sprengen, die tiefste Musik
gerissen aus wahren Gefühlen in die er¬
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