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Miscellaneous
daß es die sogenannte „Brunstzeit beim Men- wird? Und ob sie weinen wird, wenn ich dan
v.
Ernst Goth:
schen nicht gibt. Die Folge ist, daß Jünglinge nicht mehr komme —
Frühlin
und Mädchen, als Opfer dieser Suggestion, blind
Der alte Invalide, der den Park hütet, hum
Der Frühling.
Hee¬
und unüberlegt Verbindungen eingehen, deren pelt vorbei, blickt nach dem Mädel hin und nickt Fröhlin
(Ein literarisches Interview.)
spätere Resultate uneheliche, unversorgte Kinder
ihr leise zu. Er hat schon viele Frühlinge im Der Ta
Lew Nikolajewitsch Tolstoi.
unglückliche Ehen und Ehescheidungen sind. Stadtpark gesehen und er weiß es: Sie wird den Früh
Trotzdem glauben sie auch fernerhin an die Herr= weinen
(Drahtlos aus dem Jenseits.)
lichkeit des Frühlings und sind von diesem Irr¬
Rainer Maria Rilke.
Zwei Dinge bringt die alte Erde immer zum selbst durch die unleugbare Tatsache nicht zu
We
komm und hebe deine blütenschweren
wieder hervor: falsche Propheten und falsche bekehren, daß es zu keiner Jahreszeit so viel
Hund
beringten Hände auf zu jenen Höhen,
Lenze. Alljährlich, wenn der Ackerboden auf
Erkrankungen der Lunge und des Kehlkopfes
und
von wo in leisem, sündigem Begehren
neue zu ersprießen beginnt, harren die Menschen gibt, wie zu dieser und daß die Zahl der täglichen
Wast
den kosend warmen Hauch wir jubelnd
des Messias, der den Weizen mehren und der
Selbstmorde niemals größer ist.
lich.
hören,
Weinstock befruchten soll. Wie aber könnte de
des Frühlings Weh'n.
Wa
Messias kommen, da der Menschen Seelen in
Arthur Schnitzler.
Es wir
roter Glut brennen und da sich die Ackerfurcher
O komm und schenk mir in der Zeit,
Frühling
an allen, Straßenecken duftet
Nit
mit stets frischem Blut füllen? Wilde Narren es von Blumen und über den grünschimmernden
da keimet
sind die Menschen. Sie arbeiten in tausend Gär
Winter
und schwillt der Boden voll geheimer
ten, nur in dem einen nicht, in dem die Linien Wipfeln des Stadtpartes lächelt die Sonne zag
viert.
Pracht,
haft und verheißungsvoll. Die Luft ist schon
der Liebe und die Früchte der Brüderlichkeit ge¬
stantin
da jeder Blüte Samen Segen träumet,
warm und wenn der Nachmittag sich zum Ster¬
deihen. Wilde Narren sind sie und ihre Weiter ben anschickt, sitzen auf allen Bänken junge
da hoch der Saft in Maienschauer
Wa
gebären immer wieder wilde Narren.
darau
schäumet
Paare, halten sich still bei den Händen und war
die blaue Nacht.
Mein
ten auf die Liebe.
Bernhard Shaw.
Sie wiegt sich in einem leisen Traum unbe¬
Nik
Maurice Maeterlinck.
Auf keinem Gebiete zeigt sich die unverbesser¬
stimmter Glückshoffnungen. Hat er mich auf
Yvonne (beugt sich über die Lilien ihres muß
liche Gedankenlosigkeit der Menschen deutlicher
wirklich gern? — denkt sie. Ist das jetzt die wir
man be
Gartens: Es ist Frühling!
als in ihren Beziehungen zum Frühling. Immer
Kennst
wieder lassen sie sich von Leuten, die Verse schrei¬ liche Liebe
Hector: An den Gräsern hängen tausen
Der ha-
ben und deren Denkvermögen durch das Ueber¬
Er aber denkt: Also jetzt werd' ich wieder ein Tauglöckchen und tausend Lieder ziehen durch
mehr
wuchern unklarer, idealistisch-romantischer Empfestes Verhältnis haben. Merkwürdig — immer die Lüfte. Hörst Du sie klingen
mehr
findungen getrübt ist, vorlügen, daß der Früh- wenn der Frühling kommt. Nur jetzt ist sie brü¬
Yvonne: Ich höre nur die tausend Lieder
Wa
ling eine herrliche, schöne Zeit sei. Diese Leute nett. Aber es wird sicher sehr schön werden
in meinem Herzen
Hector: Der Himmel sieht auf uns herab leben!
fugaerieren ihnen überdies, daß die Anziehungs- oh, sicher, sie ist ja so lieb! Ich werd' ihr in
kraft der Geschlechter im Frühling eine beson- Mariahilf ein Zimmer nehmen abends essen wir wie das große blaue Auge einer traurigen Prin- schläft
ders starke sei, obwohl jeder Gymnasiast weiß, dann in Hietzing draußen. — Ob's lange dauern zessin, in dem eine Träne zittert,
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Prager Tagblatt, Prag