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Miscellaneous
box 42/4
Seite 16
Sonntag
Neues Wiener Journal
26. Jan
komplizierter Toiletteartikel, Flakons und Schächtelchen in ein
ist an Mi
chemisches Laboratorium umgewandelt, wird es ebenfalls ge¬
Wetterharte
hervorruf
meldet. Ist die zum Waschen kommende Wäsche stärker gebraucht
zu wenig
als dies normalerweise bei besseren Hotelgästen der Fall zu sei¬
Menschen
teil Queck
pflegt, waschen am Ende gar Gäste aus Sparsamkeitsgründen
fürchten keinen Regen, keinen Sturm
Sollte
Strümpfe und Taschentücher in ihrem Zimmer — das Bureau
keine Anstrengung, denn sie
Mengen
nimmt es zur Kenntnis! Und noch weniger bleibt es ihm ver¬
der Niere
borgen, wenn der Passagier schon am zweiten Tag zu fragen
verwenden ständig
haushalte
anfängt, ob seine telegraphische Geldanweisung noch nicht ge¬
zur Pflege und zur Stählung ihres Körpers den viel¬
dessen sich
kommen ist. Aber auch für die wirklich noblen Hotelgäste gibt es
ter
ein untrügliches, wenn auch vielleicht nicht aus so vielen Zügen
zusammengesetztes Signalement. Man weiß aus alter Erfahrung
daß die wohlhabendsten und vornehmsten Gäste in der Regel die
bescheidensten sind. Sie verlangen nicht, daß die Hausordnung
ihretwegen umgestürzt wird, sondern sie richten sich nach ihr.
Das Beschwerdebuch wird am häufigsten von den Hochstaplern,
Wo
die von ihrem „bestimmten Auftreten leben, verlangt. Und nur
die Zechpreller werden sofort unangenehm, wenn sie von einen
FRANZ BRANNTWEIN
kleinen Liftjungen nicht devot genug gegrüßt werden.
mit Menthol.
So, und nun sind Sie ungefähr darüber aufgeklärt, welch
Kräftigt durch tägliche Einreibungen (Massagen)

Muskeln und Sehnen, erhöht Elastizität und Ausdauer,
schwere Kunst es ist, ein Gast zu sein, an dem ein großes Hote
der Brei
erfüllt mit verjüngender Frische. Ebenso wertvoll zur
sein Wohlgefallen hat.
brechend,
Mund- und Haarpflege.
am Ran¬
Ueberall erhältlich.
letzten H
denen sig
Wertlose Nachahmungen sind energisch zurück¬
Tagebuch.
zuweisen.
wohlgem
sie auch
Von
selten geworden ist, man liest nicht mehr, nan sticht bloß auf drei Sch
Hermann Bahr.
jeder Seite einen oder den anderen Satz heraus, spießt ihn auf gern be¬
8. Januar. Konversionen, einst von großer Seltenheit, und meint nun, nach diesen paar Brocken urteilen zu dürfen. Fünfhau
werden in der Gegenwart fast Mode, wofern man einen so Aber meine Romane sind hochmütig, sie wollen Wort für Wort Gardero
weltlichen Namen für Erscheinungen von so hohem Ernst ge¬ nachdenklich gelesen sein, oder aber lieber gar nicht.
den Ma¬
brauchen darf. Diese Wendung ist nicht so seltsam, als sie zu¬
ein, die
14. Januar. Die „Pologne littéraire“, die in Warschau
nächst scheint: Jugend will stets von der Tradition los und
hördlich
erscheint, bringt im letzten Heft Briefe der Madame Hanska
Unglaube war im Bürgertum allmählich eine feste Tradition der Gattin Balzacs, an ihre Tochter Anna, von Marce
wollen.
geworden, die Söhne wuchsen im Dogma des Unglaubens auf
Bouteron mitgeteilt. Balzac zu heiraten gehörte ja Mut, er
das sie dann bei der ersten Gelegenheit verleugneten, sie kehrten
verbrachte sein Leben in einer durchaus imaginären Welt, neben baute
um, wohin? — ja das wußten sie selber nicht. Suchen hat für
der ihn, wenn er aus ihr erwachte, die Wirklichkeit durch ihre oder von
frische Jugend weitaus mehr Reiz als der schönste Fund. In
Blässe gespenstisch erschrecken mußte. Madame Hanska war Zirkusse
dieser Geistesluft wuchs Reinhard Johannes Sorge zunächst offenbar nicht bloß von einer unvergleichlichen opferfreudigen zum Pe¬
auf, Richard Dehmel erkannte die Begabung des zuversichtlichen Güte, sondern überdies auch eine noch geniale Schauspielerin,
stellt ha¬
Jünglings, dem er aber, selbst in den geistigen Wirrnissen
nicht als ob sie dem Geliebten vorgetäuscht hätte, was er sehen nur da¬
jener übergehenden Zeit befangen, nicht raten, geschweige denn
wollte, sondern sie besaß überdies die Kraft, sich selbs immer Bühne
helfen konnte. Sorge trug ja von Jugend auf eine schwer¬
wieder in das, was Balzac sehen wollte, durchaus zu ver¬ naturge
Last. Er war der Sohn eines wohlhabenden Berliners, dessen
wandeln. Balzac, in den schöpferischen Augenblicken von einer der Vo¬
Ahnen aus der Provence stammten; ein solches Erbe zu ver
erstaunlichen Kraft, wird, sobald der schaffende Furor ihn ver¬ stehen,
dauen kostet ausdauernde Geduld. Sorge meint, zunächst sich
läßt, ein wehrloses, hilfloses, krankes Kind, er quält dann seine in das
aus Büchern Rat und Trost holen zu können, so gerät ge¬
Umgebung. Seine Frau sagt einmal: „Ich kenne ihn it sieb¬ Orcheste
legentlich Willibrord Verkades „Unruhe zu Gott“ in seine Hand
zehn Jahren und jeder Tag zeigt mir Züge von ihm, die ich
stellten
darin meint er sein eigenes Wesen bestätigt zu finden und ver¬
nicht ahnte. Die Polen begeistern sich für ihn, sie huldigen Zirkus
gißt dabei nur, daß der Beuroner in seiner Unruhe ja keines ihm, schon weil er Franzose ist und weil sie Deutschland und im Sac
wegs behaglich verweilen wollte, sondern durch sie den Heimweg
Oesterreich hassen. Nach Paris heimgekehrt, hat Balzac sogleich einige
zur Ruhe in Gott fand. Die Freunde Sorges irren auch, wieder Anfälle seines Herzleidens, er muß noch erleben, daß eingefü¬
wenn sie seine Bekehrung mit der Paul Claudels vergleichen
sein alter Diener François irrsinnig wird. Balzac weiß, daß nicht,
Claudel bekehrte sich, achtzehn Jahre alt, als er einst zufällig
es ans Ende geht. Viktor Hugo hat ihm den Abschiedsgruß
heizung
in eine heilige Messe geriet. „In einem Augenblick war mein der Nation überbracht.
Herz berührt und ich glaubte, erzählt er selbst. Für ihn ge¬
nügte, daß er aus seiner Trägheit, seiner Selbstvergessenheit er¬
wachte, denn er hatte doch auch, als er sich seines Glaubens un¬
bruck van de aange der Sonntag, den ein Merenmittel aus dem Gehirn.
sind sie
Kindes der Kirche“, von Jugend auf eingesogen; eine leise Be¬
aus all
Entdeckung eines neuen Hirnhormons. — Wichtige Forschungen wie der
rührung ließ ihn sich auf sich besinnen und zu sich erwachen
an einem Berliner Krankenhaus.
Der arme Sorge aber, dem solche Hilfe fehlt, irrt immer weiter,
kunden
Seit dem berühmten „Zuckerstich" Claude Bernards
überall anklopfend, aber weder Rainer Maria Rilke, der ihn
Auto
ein Stich ins Gehirn, der Erscheinungen der Zuckerkrankheit von der
mächtig anzieht, noch der Kreis um Stephan George, in seiner
hervorruft — hat sich die Forschung wiederholt mit dem
hohen Form gesichert, noch Karl Muth und der Kreis und das
Phänomen beschäftigt, daß Einstiche in bestimmte Gehirnteil¬
von Muth begründete „Hochland“ konnten ihm helfen. Er
ist es
war weder zum Denker noch zum Dichter vorbestimmt, er starb eine explosiv eintretende Förderung der Nierentätigkeit zu¬
einmal