Faksimile

Text

13.
Miscellaneous
box 44/5
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Neue¬
ne re¬
vom
2 JULI 1932
(Max Liebermann.) Heute dürfte das Postamt Wannsee
viel zu tun haben, und wer von den zahlreichen Freunden
und Verehrern des Malers nicht gerade schon im Gebirge
oder an der See ist, wird es sich nicht nehmen lassen, hinaus¬
zufahren, die kleine Gartenpforte in der Großen Seestraße
aufzuklinken und den Herrn des Hauses zu seinem 85. Ge¬
burtstag zu beglückwünschen. Im Garten wird der Flox
herrlich blühen, zwischen den bunten, taufrischen Beeten, auf
den säuberlichen Kieswegen wird Max Liebermann lust¬
wandeln und seine Zigarre schmauchen; die Hängematte, in
der einst „Die spielenden Kinder
saßen, ist auch da und
schwankt im leichten Winde, der vom See her fächelt... und
der kleine Dackel, der unzertrennliche Begleiter seines Herrn,
wird wie ein Geschoß im Garten herumrasen und heute
Feiertag haben. Auch Wien und Oesterreich darf unter
den Gratulanten nicht fehlen, ist doch Liebermann heute auch
das älteste Ehrenmitglied des Wiener Künstlerhauses, eine
seltene Würde, die ihm anläßlich seiner großen Aus¬
stellung 1929 verliehen wurde; Liebermann nimmt regen
Anteil an Wien und läßt sich stets gern berichten. Die
Oesterreicher Jettel und Charlemont waren seine besten
Freunde, die Lyrik Hoffmannsthals bereitet ihm frohe
Stunden, und Schnitzler schätzt er über alles. Liebermanns
überragende Stellung zu zeichnen, sein Werk zu schildern,
erscheint wohl überflüssig, es hieße nichts andres, als eine —
Bibliographie über ihn schreiben. Das wäre auch nicht
nach seinem Sinn zum 85. Geburtstag. Aber einige Anekdoten
aus seinem Leben zu erzählen, die vielleicht ihm selbst frohe
Erinnerung bedeuten, das zeichnet auch den Menschen Lieber¬
mann selbst am besten. Ein neuer Reicher wollte seine Frau
von Liebermann malen lassen und ersuchte ihn, sich vorher
die Wand anzusehen, an die das Bild kommen solle, damit
es sich gut einfüge. „Mach' ich nicht. Sie sollten sich lieber
um das Porträt herum das Haus bauen lassen," war Lieber¬
manns Antwort. Sein alter Freund Hans Ostwald hat mit
unendlicher Liebe in einem volkstümlichen Buche Liebermann
geschildert und unter anderm auch die zahlreichen authentischen
Aussprüche des Meisters sorglich gesammelt. So erzählt er,
daß Liebermann eines Tages in Gesellschaft mit einem be¬
rühmten Komponisten zusammentraf, der gerade zum
fünftenmal geheiratet hatte und nun seine neue Gattin auf¬
führte. Liebermann, vom Hausherrn gefragt, ob er ihr nicht
vorgestellt zu werden wünscht, meinte lakonisch: „Nee, danke,
die überspring' ick.“ Fürst Bülow erzählte einmal, daß ihn
Liebermann gezeichnet habe, doch damit nicht zufrieden gewesen
wäre und die neue Zeichnung mit den Worten begann:
„Diplomaten müssen besonders schlau aussehen." Und zu
Oskar Fried, der Beethovens Neunte aufführte und Lieber¬
mann dazu geladen hatte, meinte er am Schluß: „Wissen Sie
die ist nicht totzukriegen..." So könnte man fast einen
ganzen Band mit den berühmt gewordenen Aussprüchen
Liebermanns füllen; auch seine ernsten Schriften, seine be¬
deutsamen Gedächtnisreden, zu denen sich heute noch ganz
Berlin drängt, verraten bei Liebermann den ganz bedeutenden
Schriftsteller. In Oesterreich wäre die vornehmste Ehrung
des großen Malers wohl wieder eine Ausstellung seines
Werkes; aber der Abstand von der letzten Liebermann-Schau¬
1929 ist wohl noch zu kurz, und dann haben wir ja Zeit
genug, zumal neue Werke dazukommen, bis zum — neun¬
zigsten Geburtstag Liebermanns.
Professor Josef Sotka.