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13. Miscellaneous
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nderts Stehenden den es erschien 1901, nach schwerer Krankheit, aus Todes¬
gesetzte: semper idem. Immer derselbe. Hat er nicht
nähe der gläubige Katholik, der betende Bahr, der
haben. Hatte Richar
auf tausend Umwegen den einen Weg zu Gott gesucht
ch neue Zeitmaße den er immer gewesen ist, der „geborne Benediktiner", wie
„Wenn die Menschen nur miteinander reden, dann
Weberschen Melodie er er sich selbst nannte. Während des Krieges zeigte sich
reden sie das Mißverständnis aus der Welt," sagte
erschollenen Goethe mit auf dem Vortragspodium ein priesterlich=stiller Mann
Bahr einmal während des Krieges. Seinem Urdrang,
re, und man darf ihn der von Oesterreichs musischer Sendung mit dem
zu reden und Mißverständnis zum Verständnis zu
ktor J. W. v. Goethes gleichen Eifer sprach wie früher von dem entfesselten
glätten, entsprangen viele seiner Romane und seiner
Naturell der Duse. Noch klingt mir seine Stimme im
Stücke: Das „Tschaperl und die „Wienerinnen", die
Ohr: Ex Austria lux, aus Oesterreich kommt das Licht!
Begebenheit Hermann
„Sanna", der „Franzl" (ein Stelzhammer=Stück) und
Erde eine Macht. Er hat was heute anmutet wie die Prophezeiung eines
seine feinste Gabe: „Das Konzert." Mit Balzacschen
Sehers.
Nach dem Kriege wurde er eine Zeitlan¬
und er war der erste
Fleiß entwirft er die großen Romanfolgen: „Die Rahl,
Leiter des Burgtheaters, und es dürfte nie einer
t. Er schildert Wolf, wie
die „Drut" und „Mensch“, und der Erzähler Bahr
persönlich weniger bestrebten, sachlich anregenderen
rattnerhofes am frühen
hat etwa in „Drut“ einen solchen Grad der artistischen
Direktor gegeben haben. Es gehörte zu den schönsten
en und „Drahn" heim¬
Vollendung erreicht, daß die Anfangszeilen der
und lehrreichsten Vorstellungen des Burgtheaters
risch Verse aus Kleist¬
einzelnen Romankapitel, hintereinander gelesen, den
hat in einem ans Okkulte wenn man Bahr in seinem Bureau besuchen, zu seiner
vollständigen Inhalt des Romans ergeben.... Be¬
Füßen sitzen und einen Dialog führen konnte, der nur
de Narr.) — Kainz gal
sonders große Schritte in die Zukunft hinein macht er
Karren, über die Berufs¬ aus einem Bahrschen Monolog bestand. Prälat Doktor
in dem Roman „Die Rotte Korah", aber was noch
Ignaz Seipel kam öfter hin und holte den Direktor
eren lassen, weil er die
mehr wiegt als ein dickes Buch, das ist bei Bahr oft
deutsche Versmelodie zu Bahr zu einem Spaziergang: zwei Männer gingen
nur ein einzelnes Wort, das plötzlich neu instrumen¬
über die Ringstraße, die beide in so verschiedenen
t hörten: „Der Herbst
tiert, neu beseelt, neu gebraucht aufleuchtet, und es ist
Berufen Gott dienten.
eigentlich nur ein altes, hundertmal gebrauchtes Wort.
Es gab zuletzt einen schwer erkrankten Hermann
eine Macht, ohne es zu
Sein Wortgefühl müßte allen Schreibenden Muster
Bahr, dessen Phantasie vom Leiden gelähmt war
lehrend, im Kaffeehaus,
sein, und es wird schließlich so kommen, daß der einst
Müde und mit verkalkten Gefäßen saß er, mit stummen
Büchern eine Macht. Ein
skandalumwitterte Hermann Bahr, der Spießbürger¬
Mund. Eine große Leere entstand um den einst Lauten
se seines Geistes entlud
schreck, als Autor eines Lesebuches für Schulen endet.
der sich selbst nicht mehr glich. Die tollen Tage von
in ihm gelernt wie die
Der Werdegang des Genies: erst beschimpft, dann
auch die, die nur in Czernowitz präsentierten vielleicht ihre Rechnung, wer
angebetet, dann Klassiker und überholt.
mochte es wissen?... Nacht kam über den hellen, über
sein Kaffeehaus, seine
Ueberschaute er in seinen letzten klaren Tagen sein
wachen Geist, ein Licht, das erlosch, bevor es gänzlich
kannten, kein Gespräch.
Lebenswerk, so durfte er feststellen, daß es reich und
ausbrannte.
logen, nicht einmal seine
köstlich, und daß es kein raschendes Papier, daß es ein
Und es gab endlich schon einen Hermann Bah
da war. Wie jede Kraft
bestellter Acker war. Er besaß weder Titel noch Orden,
lange vor Hermann Bahr: das war der große Schrift¬
ner auf den Komponisten
noch Auszeichnungen, er trug nur einen Weltnamen,
steller und Dichter des Barocks, Simon Rettenbacher
bloß die „Tannhäuser
und unter seinem langen Hermann Bahr=Bart ein
der Dramen und Legenden schrieb, Politiker und
es heute noch auf dem
schlagendes Herz. Dieses Herz wußte etwas vom
po genau weiß, was der
Schulmeister, Anakreontiker und Benediktiner war. Als
Wähnen und Wanken andrer Herzen, vom Harren und
hat. So wirkte Bahr
Proteus seiner selbst, als geistiger Verkleidungskünstler
Hoffen der Männer und vom Weinen des Weibes. Und
steht heute der weißumwallte, ehrwürdige, erzväterliche
gen Hermann Bahr, den
darum wird sein Name nicht verwehen wie Spre¬
Bahr vor uns, als wäre seines Lebens Leitmoti¬
Deutschmeistern machte
gewesen: nunquam idem, nie derselbe. Und doch ist vor dem Winde; sondern der Tote wird auferste
Chr. „Sechser“ an den
das Motiv dieser formenreichen Seele, dieses in ewigem und weiterleben mit andern Geschlechtern.
sität. Es gab, wir sahen
Ernst Decken
der Hermann Bahr, und Fluß befindlichen Genius das andre, das entgegen¬