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13. Mis.
nous
„OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Die Wahrheit Wien
vom
4. JAN.
Warum nicht ein Schnitzler-Platz?
In Wien werden jetzt Straßen und Plätze
umbenannt. Aus diesem Anlasse wirft der „Wie¬
ner Tag“ die nur zu berechtigte Frage auf: Wie
wäre es mit einem Artur Schnitzler¬
Platz? Das Blatt schreibt, nachdem es dem
Wunsche nach einer Rudolf Slatin-Gasse Ausdruck
verlieben hat, folgendes: Eine Wiener Straße soll
Café Pension Eckstein
Semmering
von nun an nach dem Dichter Hermann Bahr
heißen, ein Platz nach dem Dichter Richard Kralik,
einer nach dem Dichter Ottokar Kernstock. Das
ist gut und recht; eine Gemeinschaft soll natürlich
ihre Dichter ehren; an wen sollten die Namen der
ffentlichen Straßen und Plätze eher erinnern?
Aber hat vielleicht der Dichter der „Liebelei“ und
des „Jungen Medardus nicht einigen Anspruch
darauf, in Wien ebenso geehrt zu werden? Fragt
seinen Freund Hermann Bahr! In seinen Schriften
steht recht deutlich, was er von Artur Schnitzler
gehalten hat; wenn man das Andenken des einen
ehrt, hat man den anderen mitgeehrt, aber geht
es nicht auch direkt? So wie für halb Afrika Wien
der Ort ist, aus dem Slatin Pascha kam, so ist zum
Beispiel für einen nicht unerheblichen Teil Ameri¬
kas Wien die Stadt, die Artur Schnitzler verherr¬
licht hat. Schon heute wundern sich durchreisende
Fremde, nicht auf einem Schnitzler-Platz (irgend¬
wo beim Burgtheater) ein Schnitzler-Denkmal
stehen zu sehen. Viele ausländische Freunde
Wiens würden sich bei uns besser auskennen,
wenn sie auf unserem Stadtplan diese Namen ver¬
zeichnet fänden, die Wiens Ruhm in die Weite
getragen haben: Slatin, Schnitzler.
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Brunner Tagesbote, Brunn
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Erinnerung an die Großmann-Zeit.
Unsere Zeit ist schwer Dichter, Schriftsteller,
Journalisten sterben, die noch in unsere Zeit aus
jener ragen, die groß war im Leben der Kunst
und des Theaters, die von der Täuschung der
Größe des Weltkrieges noch nichts wußte,
jedenfalls nicht ahnte, daß nach ihm das
barbarische Zeitalter des Arbeitslosen. In¬
validen, Emigranten, Heimatlosen beginnen
werde Jener Zeit gehörte auch Stephan Gro߬
mann, der nun gestorben ist. Er war Journalist,
Schriftsteller, Theaterdirektor, vielleicht ganz
wenig auch sogar Dichter, von allem etwas, von
jedem zu wenig. Aber ein Mann, der immer den
Ausdruck des geistigen Lebens suchte, manchmal
wie er selbst von sich sagte, zu sehr von der Ge¬
genwart besossen. Und das mag auch sein großer
Fehler gewesen sein. Dem Tag, der unmittelbaren
Wirkung, war er manchmal zu bedenkenlos ver¬
bunden, und da mußte man manchmal über das,
was er schrieb, den Kopf schütteln. Aber er war
einer derjenigen, die immer im Vordergrund
standen der Schreibenden, der Rufenden Er hat
in Berlin mit Schwarzschild lange Jahre das
„Tagebuch“ herausgegeben dessen grüne Hofte
eine bekannte Erscheinung neben den Ziegelroten
Heften der „Weltbühne in den Zeitungsständen
des vorhitlerischen Berlin waren. Er war der
Zeitschrift längst nicht mehr verbunden, sie er¬
scheint in anderem Format, in anderer Farbe
und vielleicht auch anderem Geist nun als Emi¬
grantenzeitschrift in Holland und Paris. Aber
das „Tagebuch ist es weniger, warum man von
ihm jetzt gerade sprechen soll, warum man sich
seiner erinnern u. zw. dankbar erinnern muß. Er
ist es gewesen, der den Wiener Theater mit Dr.
Arthur Rundt eine Volksbühne geschenkt hat.
Das sind jetzt schon mehr als 20 Jahre. Damals
gab es in Wien wirklich noch ein lebendiges
Theater, das Wiener Volkstheater war das gute
Theater des Bürgertum, Jarn überraschte in
der Josefstadt mit Strindberg und Wedekind,
später dann kam die Neue Wiener Bühne aber
einer der bedeutsamsten Versuche war die Volks¬
bühne Großmanns und Rundts Sie wollte das
Theater werklich als Volkstheater aufbauen, als
Bühne des Volkes mit dem unmittelbaren Anteil
de
Es war ein ausgezeichnetes Theater. In dieser
Volksbühne kam eines der besten Dramen Ger¬
hart Hauptmanns als Uraufführung vor das
Publikum, in vom Hauch dieser Dichtung ganz
erfüllten Szenen. Forster, der viel spätere Gegen¬
spieler der Bergner lebte damals und mancher
andere. Es war eine Zeit, in der das Theater
wie der Wiener Schriftsteller Oscar Maurns
Fontana mit Recht sagt, noch ein geistiger
Turnierplatz war. So faßte es Großmann auf
Das ist das Gute, das wir ihm verdanken. Denn
jene Idee der Volksbühne ist in Berlin leben
gewesen und hat sich bis in das Jahr 1933
zum Umsturz) dort erhalten. Diese de
dem ganzen Theater der Gegenwart eine
lichkeit der Entwicklung. Wir brauchen ein
Volkstheater, ein Theater des Volkes mit dem
besten, was die dramatische Kunst zu bieten hat
mit billigen Plätzen, mit Volkspreisen also der
Umsatz muß hier die Wunder wirken Diese
der von Großmann in einem Versuch, der sich
infolge des Weltkrieges nicht lange hielt, nach
Wien verpflanzt, wird noch auferstehen, wenn
man in aller Welt, vor allem in der Provinz.
das Theater wird retten wollen Diese Er¬
innerung an die Großmann-Zeit ist also nützlich
und wichtig. Die Zeit wird nicht so nach im
genannt, aber es ist die Zeit in der er Bedeut¬
sames wirkte. Es ist die große Zeit in der
Strindberg Werkind Schnitzer Bahr, Joset
Nachschöpfer des Leben en Otto Scha¬