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Loris war.
Unveröffentlichte Jugendbriefe des Dichters.
Von
H. v. T.
Wenn Briefe eines teueren Toten plötzlich wieder lebendig
werden, dann tut das weh, mag auch die Zeit, da sie geschrieben
wurden, längst vorbei und welk geworden sein. Aber gerade
darin besteht der Schmerz. Jetzt eben erscheinen bei S. Fischer
(Berlin) Hugo v. Hofmannsthals Jugendbriefe,
jene steil-stolzen „Loris“=Episteln, verfaßt während der Jahre
1890 bis 1901, und sie stimmen uns in ihrer merkwürdigen
Gesamtheit sehr nachdenklich. Deren menschlich interessanteste
sind an Artur Schnitzler, Hermann Bahr und Felix Salten
gerichtet. Genialität, Leichtsinn und sehr viel Gedankenspielerei
wachsen aus diesen Zeilen zu verspäteten Nachblüten heraus; ein
Rosenkavalier taumelt durch den jugendlichen Irrgarten seines
Intellekts. Dabei ist er wirklich schon als Junger alt und
immer müde.
Literarhistorisch und einer gewissen Kulturstimmung gemäß
war es zweifellos verdienstvoll, des noch unfertigen Hofmanns¬
thals Korrespondenz zu veröffentlichen. Vollständiger und
wesentlich aufschlußreicher allerdings wäre die Briefsammlung
geworden, wenn man auch die jeweiligen Antwortschreiben mit¬
publiziert hätte, so daß wir „Loris" nicht nur als Narziß im
eigenen Spiegel vor uns sähen, sondern auch das posthume Echo
seiner Stimme vernahmen.
Nachstehend drei kurze Auszüge aus drei besonders
charakteristischen Briefen:
An Artur Schnitzler (1891).... Sie fragten nach
meinen Arbeiten, Sie gedachten gemeinsamer Pläne. Um mich
und in mir waren neue Dinge, Gleiten, Plätschern, Rieseln,
Auflösung, vages Verschwimmen. Ich kann nicht arbeiten, heute
so wenig als damals. Noch weniger vielleicht. Ich gleite, ich
treibe. Kein Gedanke kristallisiert sich, und es wird kein Vers.
Ich kann nicht weiter denken als Stunden. Aber mir ist wohl,
wechselnd wohl. Ich fühle mich wachsen. Wollt' ich mich zwingen,
müßt ich verzweifeln, abwartend sehe ich mir fluten zu und
empfinde ein glückliches Michbescheiden, das gute Schwester¬
gefühl zur Resignation. Wäre nur mehr Sonne. So aber bin
ich verschnupft, und krank möchte ich nicht werden, denn ich
kann jetzt das Alleinsein nicht brauchen... Telle est la vie
Loris.
An Hermann Bahr (1891). Wir gehen immer aus¬
einander wie das Liebespaar in einem Zeitungsroman, ein an¬
gefangenes Gespräch auf den Lippen, die Fäden für morgen
geknüpft, ein Gedankenstrich, und darunter: „Fortsetzung folgt."
Jetzt ist mir nur um das Erscheinen der nächsten Nummer bange,
die Fortsetzung selbst wird sich schon finden... Ich bin wieder
ganz gesund und verdumme meine Nerven in einer Gottfried¬
Keller=Atmosphäre von Quellwasser, jungen Mädchen, kleinen
Möpsen, alten Hofräten und sonstigen Symbolen des Embêtement
honnête. Uebermorgen gehe ich nach Ischl und werde nur auf
ein paar Stunden Monde und Denimonde wiedersehen, nach
„Strobl am Wolfgangsee" bitte ich um Ihren Brief, der
vielleicht schon sagen könnte, was Sie nach Ihrer Waffen¬
übung vorhaben. Ich kann ebensowenig denken als arbeiten,
jeder, kristallisierte, ersparte Gedanke von gestern ist mir fremd;
lautlos und schwindelnd schnell treiben die leeren Tage vorüber,
und Salzburg ist mir so weit, so unverständlich weit wie eine
verwehte Melodie oder ein halbvergessenes Buch. Wie sehr wir
eigentlich lügen, wenn wir die Dauer von Gedankendingen nach
der äußeren Zeit messen!
... Es tropft vom Baum. Recevez, monsieur, mes
compliments empressés et respectueux. Loris.
An Artur Schnitzler (1893): Lieber Artur. Mein
Leben verstreicht ziemlich nichtssagend mit langsam steigendem
inneren Wohlbefinden. Von Strobl hoffe ich manches Schöne:
Sonne und Mand am Wasser, Segeln, kindlich lärmende Ver¬
gnügungen. Ich lese mit lebhaftestem Interesse die „Haupt¬
strömungen“ von Brandes, unendlich vieles aus der ersten
Hälfte des Säkulums besitzt in der zweiten ein Gegenbild,
manches eine Karikatur: namentlich sehe ich mit halb
schauerndem Staunen, wie völlig sich die Produkte der jüngsten
Stömungen, in denen ich ja auch mit der Fußspitze stehe, der
Romantik als Kugelspiegelbild, halb verschrumpft, halb auf¬
gedunsen, gegenüberstellen. Ich habe mir sehr viel abzu¬
gewöhnen, aber es sind wenigstens lauter echte Dichterkrank¬
heiten. Mir scheint, der Satz klingt maßlos arrogant; lesen Si¬
ihn nicht so. Herzlichst Ihr Loris.
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Ausschnitt aus
Prager Tagblatt, Pra¬
vom
5 NOV.
Die Verlegung deutscher Buchverlage nach Wien.
Die hauptsächlichsten unter den deutschen Buchverlagen,
die ihren Sitz nach Wien verlegen, sind der Münchener
Verlag R. Piper, der katholische Hegener-Verlag und
das Berliner Verlagshaus S. Fischer. Das deutsche
Haus der letztgenannten Firma wurde von ihrem der¬
zeitigen Besitzer Dr. Behrmann (dem Schwiegersohn
des Gründers) für den Betrag von 800.000 Km. an
das Bibliographische Institut (das Leipziger Verlags¬
haus von Meyers Konversationslexikon) verkauft unter
dem Vorbehalt des Rechtes, in Wien unter dem alten
Namen einen Verlag zu eröffnen, der die Verträge mit
einer Reihe der namhaftesten Fischerschen Autoren wie
Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Jakob Wassermann
u. a. übernimmt