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Nr. 15.317
Samstag
HEATER UN KUNS
Richard Beer=Hofmann jubiliert.
Heute feiert der Dichter Richard Beer¬
Hofmann seinen 70. Geburtstag.
Ein wahrhaft bedeutender Dichter, der als Letzter der Dreizahl
großer Dichterbegabungen, die uns die Jung=Wiener Schule
geschenkt hat, in die Gegenwart hineinragt, Richard Beer¬
Hofmann, vollendet heute das siebente Jahrzehnt seines Lebens.
Artur Schnitzler und Hugo v. Hofmannsthal weilen nicht mehr
unter den Lebenden. Beer=Hofmanns Schaffenskraft aber ist un¬
gebrochen, er ist unter den litera¬
risch Schaffenden der heutigen
Zeit eine echte Dichtererscheinung,
hat sich nie der Konjunktur
unterworfen, sondern immer nur
geschrieben, wenn er die innere
Berufung fühlte. Unberührt von
allen praktischen Erwägungen,
gab es für ihn auch keinen
Termin, zu dem er irgendein
Drama fertigstellen sollte. So ist
zum Beispiel seine große Trilogie
„David, die er vor nunmehr
achtzehn Jahren mit
Jaakobs
Traum“ begann, bis heute un¬
vollendet geblieben. Er ist keiner
der Dramatiker, die dem
Bühnenruhm und der Tantieme
Richard Beer=Hofmann
nachlaufen. Er wartet still in
seinem Poetenstübchen, bis man ihn und sein Werk auf die
Bühne holt.
In Wien geboren, wo er auch das juridische Doktorat errungen
hat, ist Richard Beer=Hofmann als Theaterdichter zuerst mit dem
Drama „Der Graf von Charolais hervorgetreten, das
seinerzeit Max Reinhardt im Deutschen Theater in Berlin aus der
Taufe hob. Es war wohl ein eigenartiger Zufall, daß gleichzeitig
mit ihm in dem erwähnten Schauspiel die große Kunst Alexander
Moissis entdeckt wurde. In Wien ist dieses Schauspiel zunächst
gelegentlich eines Gastspiels des Reinhardt=Ensembles zur Auf¬
führung gelangt, um dann viel später in den Spielplan des Burg¬
theaters übernommen zu werden. Als zweite Blüte seines edlen
Schaffens ist dann an der ersten Bühne Wiens und Deutschlands
das erwähnte Drama „Jaakobs Traum“ zur Aufführung
gelangt. Das zweite Stück der großen Trilogie um David, die seine
Lebensaufgabe darstellt, „Der junge David, ist wohl vollendet,
aber bisher nicht zur Aufführung gelangt. Neben seinem dramatischen
Schaffen lernte man Beer=Hofmann auch in der Novelle „Der
Tod Georgs" als feinsinnigen Epiker kennen, und zuletzt trat er
mit einer köstlichen Blüte der Poesie, dem „Schlaflied für Myriam,
vor die Oeffentlichkeit.
Große Verdienste um das Theater erwarb sich Richard
Beer=Hofmann auch als Regisseur, in welcher Eigenschaft er
sich durch einen inbrünstigen Dienst am Dichter hervortut. Man
hat ihn in den letzten Jahren zunächst im Theater in der
Josefstadt als Regisseur des tiefsinnigen Schauspiels „Ueberfahrt“
von Sutton Vane und dann durch eine klassischen Geist mit
moderner Auffassung vereinigende Inszenierung von Goethes
„Iphigenie" am Werke gesehen, die mit Helene Thimig in der
Titelrolle unvergeßlich ist. Dem Burgtheater hat er vor wenigen
Jahren seine Bühnenbearbeitung des „Faust" geschenkt, die beide
Teile des Kolossalwerkes Goethes in einem Abend zusammen¬
zieht. Auch diese von hoher Begeisterung für dieses Werk er¬
füllte Bühneneinrichtung hat er selbst in Szene gesetzt.
Still und zurückgezogen lebt Richard Beer=Hofmann in
Wien, und es können sich nur wenige rühmen, von diesem welt¬
abgewandten Poeten näheren Umganges gewürdigt zu werden.
Jeder aber, der wahrer Dichtkunst Verständnis entgegenbringt,
muß seine Bedeutung für die moderne Wiener Literatur voll
erkennen.
F. F.