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13.
selle
box 449
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1. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien 1, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Der Morgen, Wien
Ausschnitt aus:
38
vom
260
Das Akademische Gymnasium jubiliert:
Zeugnisse seiner berühmten Schüler
Das alte Akademische Gymnasium, dessen
mals Ordinarius der achten Klasse, emp¬
Tradition bis in das 13. Jahrhundert
fahl dem Vater Engländer einen Hausleh¬
zurückgeht, feiert in den nächsten Tagen
rer für den Sohn Richard zu engagieren,
das 70jährige Jubiläum seines neuen
da sonst an ein Bestehen der Reiseprüfung
Gebäudes am Beethoven=Park. Eine un¬
nicht zu denken sei. Der Mitschüler
glaublich große Zahl der bedeutendsten
Richards, heute Bundeskulturrat Professor
Männer sind aus dieser Anstalt hervor¬
Dr. Frankfurter, übernahm diese undank¬
gegangen; auf den Bänken, auf denen auch
bare Rolle. Er erzählt, daß Richard Eng¬
heute die Schüler sich drängen, saßen in
länder bei der Reifeprüfung zwar in Ma¬
ihrer Schulzeit einst Staatsmänner und
thematik und Physik mit Mühe und Not
Dichter, in den von klosterartigen Spitz¬
bestehen konnte, in Latein aber jämmerlich
bogen überkuppelten Gängen tollten einst
versagte und die Prüfung wiederholen
Jungen, die später als Gelehrte und
mußte. Den ganzen Sommer lernten die
Wissenschaftler nicht nur ihren Namen,
beiden Freunde in Vöslau, wo die Fa¬
sondern auch den ihrer Heimat in aller
milie Engländer zur Erholung weilte.
Welt populär machten.
Beim zweitenmal gelang es dem Schüler
Bauernfeld und Nestroy,
Richard dann, das zur Reiseerklärung not¬
Peter Altenberg, Schnitzlei
wendige „befriedigend“ zu erkämpfen.
Hofmannsthal, ein Be¬
Der Schüler Engländer,
Hofmann und ein Graf
unter diesem Namen fast
Taafe, ein Wilhelm Sche¬
unbekannt, hat sich
als
rer und ein Fournier fin¬
Peter Altenberg dann spä¬
den sich da in den alten
ter in die Herzen seiner
Katalogen,
Leser und Anhänger ge¬
neben einer Unzahl anderer Namen, die
dichtet, gesungen und ge¬
heute ebenfalls der Geschichte, der Kultur¬
chwärmt.
geschichte Österreichs, angehören.
Als zehn Jahre nach seinem Tode eine
Wenn man zur Mittagsstunde die Jun¬
Gruppe von Freunden das schlichte Grab
gen ins Freie stürmen sieht, froh, den Fol¬
auf dem Zentralfriedhof aufsuchte, da
gen einer nicht gemachten Präparation
waren Hunderte gekommen, die das An¬
entgangen zu sein, da denkt man vielleicht
denken an den „schlechten Schüler Eng¬
daran, ob wohl auch unter diesen jungen
länder" treu gewahrt hatten.
Burschen der eine oder der andere berufen
Ein anderer, mit dem Peter Altenberg
ist, dereinst Bedeutendes zu leisten. Denn
nach dem Abgang aus der Schule so man¬
anders als diese Jugend sind auch die
chen Abend im Café Central, dem Wiener
Großen nicht gewesen, die - ebenso froh
Literatur=Café, verbracht, hat mit den
einst durch den gleichen Eingang drang¬
Fundamenten des humanistischen Wissens
ten. Wenn man in den alten Katalogen
keinen so schweren Strauß zu bestehen ge¬
der Anstalt blättert, findet man es be¬
habt: Hugo von Hofmannsthal. Da steht
stätigt.
in dem Katalog, in dem die Ergebnisse der
Da gab es zum Beispiel einen Schüler
Reifeprüfungen verzeichnet sind, ein Zeug¬
Richard Engländer, der vertrug sich
nis, wie jede Mutter es von ihrem Sohn
viel besser mit den Bäumen und Vögeln
sich wünschen möchte.
im kleinen Beethoven=Park als mit der
Religion: Vorzüglich
Mathematik und den Formen des lateini¬
Latein: Vorzüglich
schen Verbums. Professor Greistorfer, da¬
Griechisch: Vorzüglich
Geschichte und Geographie Vorzüglich
Mathematik: Lobenswert
Propadetik: Ausgezeichnet
Für Deutsch und Physik schienen den
Prüfern die vorgeschriebenen Noten gar
nicht belobend genug. Da finden sich Zu¬
sätze, wie: „Vorzügliche Beweisführung
und Auffassung", „besonders anerkennens¬
werte Gedanken“. Der Schüler, der dieses
Zeugnis errang, sieht auf dem Gruppen¬
bild, auf dem er mit seiner Klasse aufge¬
nommen ist, seltsam ernst, seltsam asketisch
aus. Noch in seiner Schulzeit hatte er
unter dem Namen „Loris“ Gedichte ver¬
öffentlicht und einen regen Briefwechsel
mit verschiedenen Persönlichkeiten der
Kunst= und Geisteswelt geführt. Seltsame
Briefe, in denen neben ernster Kritik und
frühreifer Lebensauffassung Sätze stehen,
die von Schulaufgaben berichten, Prüfun¬
gen und all den großen, kleinen Sorgen
des Schülers Hugo Edler von Hofmanns¬
thal.
Sitten: Lobenswert
Religion: Befriedigend
Latein: Befriedigend
Griechisch: Vorzüglich
Deutsch: Lobenswert
Geschichte und Geographie: Lobenswert
Physik: Lobenswert
Mathematik: Lobenswert
Propadetik: Vorzüglich
Matura abgelegt: Mit Auszeichnung
Dieser Schüler, der schon
im Gymnasium durch die
gute Note sein Interesse
für Psychologie und Philo¬
sophie bezeugt, ist Arthur
Schnitzler.
Nachdem er in kleinen Gedichten und
Novellen, die er neben den Schulaufgaben
heimlich geschrieben, seine Reise viel früher
schon kundgetan, legt er auch die offizielle
„Reifeprüfung“ mit Auszeichnung ab.
Gute und schlechte Schüler, damals, so
wie heute. Ein klosterartiges Haus, das
zurückblickt auf eine große, auf eine sehr
große Vergangenheit. Sieht man die Jun¬
gen, die zur Mittagstunde ins Freie stür¬
men, froh, den Folgen einer nicht gemach¬
ten Präparation entgangen zu sein, wird
die Hoffnung wach, daß auch unter ihnen
der eine oder der andere berufen sein
werde, dereinst...
Herbert III.