I, Erzählende Schriften 45, Abenteurernovelle, Seite 4

45. Abenteurernovelle

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I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
S: Stunde, Vien,
vom:
7. Februar 1933.
Schnitziers „Abenteuer¬
novelle“
Zum ersten Male gelesen von Heinrich
Schnitzler.
#in der „Neuen Galerie“ las Samstag nach¬
mittags Heinrich Schnitzler ungemein
wirkungsvoll eine Nachlaß-Novelle seines
Vaters vor, ein fast vollendetes größeres
Werk von eigentümlichstem Zauber. Es ist
die Geschichte eines jungen Edelmannes, der
aus der Peststadt Bergamo entflieht und
nach mannigfachen Abenteuern in einen
magischen Kreis eintritt. Echt schnitzlerisch
riumphiert das Schicksal über den
Menschen, der einer Prophezeiung zu ent¬
gehen sucht. Schnitzlerisch ist auch die
Rätselhaftigkeit der Frau, die Zusammen¬
hanglosigkeit alles Geschehens, das Spiel
nit dem Tod, die Leugnung jeder Konti¬
nvität des Lebens. Das Fragment und die
vorhandene Skizze des Fehlenden dürfte
bald veröffentlicht werden und dann viele
Freunde finden.
P. Stf.
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Artur Schnitzlers „Abenteurernovelle“.
Das Fragment einer Novelle aus Artur Schnitzlers
Nachlaß, das bei einer Veranstaltung in der Neuen
Galerie Heinrich Schnitzler mit schöner
warmer Intensität vorlas, umfaßt zwei ausge¬
führte Kapitel einer Novelle, die, wenn man der
Skizze des weiteren Fortganges glauben kann,
deren ungefähr fünf oder sechs hätte zählen sollen.
Das Fragment, das sicher nicht aus des Dichters
späteren Lebensjahren stammt, weist gegenständlich
und dem Milieu nach in die Nähe des Beatrice¬
Dramas und ist in seiner Thematik den Novellen
des Bandes „Dämmerseelen“ verwandt. Ja es
wäre gut vorstellbar, daß die „Abenteurernovelle
ursprünglich als ein Teil dieses Zyklus gedacht ge¬
wesen ist, der nicht zur Vollendung kam, während
ihr Hauptmotiv dann in die Novelle „Weissagung
übergegangen ist. Mit jener feinen, bis in die zwie
spältigsten und verästeltesten Stimmungen hinein
erhellenden Klarheit schildert das erste Kapitel den
Schicksalstag eines Jünglings, der, in dem pest¬
verseuchten Pergamo am gleichen Tag beider
Eltern beraubt, dadurch verwaist, aber gleichzeitig
auch aller Bindungen ledig wird. Von dieser für
Schnitzler typischen Ausgangssituation beginnt sein
Weg in das Leben und Schicksal, der gewissermaßen
als ein Aufblühen des Individuums, eine Negation
der Hemmungen, ein Flug in die Buntheit der
unendlichen Möglichkeiten gedacht war. Schon das
erste Kapitel enthält ein erotisches Erlebnis von
starken Farben und hohem Wärmegrad, das aber
gleichwohl nur die Pforten zu dem künftigen
Abenteurerschicksal öffnet. Im folgenden Kapitel
dann setzt zunächst nur leise, scheinbar als Begleit¬
erscheinung eingeführt, das eigentliche Thema an,
das erst in den Schlußsätzen des Kapitels zu seinem
vollen Gewichte gelangt. Es ist das Thema der ge¬
nannten „Dämmerseelen“=Novelle, die Weissagung
der Todesstunde, unter deren Dominanz sich die
weiteren Ereignisse der Novelle vollziehen sollten.
Sie werden indes nur von den Grundlinien des
erhaltenen Planes angegeben, die aber doch deut¬
lich genug die Fülle und Farbigkeit eines nicht
zu Ende gediehenen Werkes verraten, worin sich
die aus vielen vollendeten Werken Schnitzlers be¬
kannten Elemente mit einer ganz besonderen,
wieder für den Autor charakteristischen Pointe ver¬
binden sollten; die Prophezeiung nämlich war falsch,
war willkürliche Erfindung des Vorhersagenden,
geht aber trotzdem in Erfüllung. Wie jedes, einem
echten Dichter aus dem Herzen entsprossene Werk,
so erweist sich auch diese Novelle, deren Inhalt ja
zum großen Teil nur andeutungsweise zu erfassen
ist, als ein Kreuzungs= und Kristallisationspunkt
seiner künstlerischen Lebenselemente. Es ist das
Puppenspielertum, es ist das große Gebiet erotischer
Möglichkeiten und Verknüpfungen, es ist das
Motiv der dämmernden Seele, des überschattenden
Todes und am stärksten und deutlichsten der Ruf
des Lebens darin. Es ist echter, typischer Schnitzler
eine Dichtung von starkem Gehalt, die aber trotzdem
dem Meister der Form vielleicht aus einem Be¬
denken gegen nicht ganz vollendete kompositionelle
Balance heraus als der Ausarbeitung nicht würdig
erschien. Was vor diesem strengen Richter nicht be¬
stehen konnte, durfte man in der schönen Vorlesung
R.
doch dankbar als edle Gabe empfangen.
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WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Arheiterseltune, Wieg
vom:
28.0KI.
Schnitzler=Vorlesung. Heinrich Schnitzler,
Rezissen—amDeutschen Volkstheater, liest
morgen um 20 Uhr im Arbeiterheim Alser¬
grund, Dreihackengasse Nr. 7, aus dem Nach¬
laß seines Vaters das unveröffentlichte
Fragment „Abenteurernobelle“.
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Alpelierzeilung, Wier
vom:
3 NOV. 195
itzlers Nachlaß
Aus Artur Sci
Im Arbeiterbildungsverein
Alsergrund las der junge Schauspieler und
Regisseur Heinrich Schnitzler eine un¬
gedruckte und auch unvollendete Novelle seines
Vaters. Aus dumpfen Eingangsakkorden erhebt
sich ein farbenprächtiges Bild stürmisch auf= und
niederwogenden italienischen Renaissancelebens.
Ein edler Jüngling, durch die Pest eltern= und
heimatlos geworden, verläßt tränenlos die
Schwelle des verseuchten Vaterhauses und zieht,
geschwellt von Lebenslust und durchschauert vom
Ahnen der süß lockenden Ferne, in die Welt.
Schon der erste Tag bringt unwahrscheinlich
düstere Abenteuer, doch mit kühnem Mut und
keckem Degen zerstäubt der Wanderer all die
schaurig balladesken Schatten, die sich an ihn
drängen. Und dann geht es weiter in ein un¬
bekanntes Land, dessen Geheimnisse tiefe, gleich¬
öffnen ihm willig ihre Arme, doch in die Nacht
wunschlos müden Genusses fällt immer allzu
rasch der Schatten rauhen Lebens= und Ruhmes¬
kampfes, gleitet der frostige Hauch der Ver¬
gänglichkeit, des Todes. Nicht wirkliche Menschen
hat der sonst als Meister der Seelengestaltung
verehrte Dichter hier in den Schmuck seiner matt¬
seidig glänzenden Sprache gekleidet, sondern
schemenhaft ziehen Verbrecher und Weise,
Krieger und Mönche, Dirnen und Jungfrauen
vorbei. Auf und nieder, unenträtselbar, schwankt
das Leben; das Schicksal spielt und mehrmals
rollen symbolhaft die Würfel um den höchsten
Einsatz: um Glück und Bestehen. „Wir spielen
immer; wer es weiß, ist klug“, dieses Leitmotiv
von Schnitzlers Schaffen ist auch in dem
kurz „Abenteurernovelle“ genannten, duftigen