43. Der
box 6/7
Sekundant
einigung iu Bühern gewann ft.
zinischen Fakultät lehrten später Virchow, Rokitansky,
Röntgen u. a. Ein Teil der Universität ist noch heute in den
historischen Räumen der 1582 bis 1591 erbauten alten Universität
untergebracht, einem schönen Renaissancebau mit Kirche, deren
prächtiger Turm als Sternworte dient.
Die Festveranstaltung der Berliner Winterhilfe
in der Krolloper beginnt heute, Sonnabend, um 10 Uhr abends.
In der Besprechung der „Troubadour“=Uebertragung aus der
Städtischen Oper (Abendblatt vom 29. Dezember) wurde Sigrid Onegin
als Azucena genannt. Es sang aber Melitta Amerling.
Der Sekundant
Novelle von
ARTHUR SCHNITZLER
Copyright 1931 by Heinrich Schnizier
1. Fortsetzung
Mülling zuckte die Achseln. „Ich glaube nicht. Jedenfalls
hat sie von dem bevorstehenden Duell nichts geahnt und
weiß bis zu dieser Stunde nicht, daß ihr Mann tot ist.“
Jetzt erst mit einer Art von Schrecken verspürte ich, daß
uns der fahrende Zug der unglücklichen Frau immer näher
brachte. „Wer soll es ihr sagen?“ fragte ich.
„Es wird wohl nichts übrig bleiben, als daß wir beide —“
„Wir können unmöglich zu zweit antreten wie Komitee¬
mitglieder“, dachte ich, „die eine Balleinladung überbringen.“
„Wir hätten doch gleich von dort aus telegrafieren sollen“,
sagte ich laut.
„Die Depesche“, sagte Mülling „hätte ja doch nur eine Art
von Vorankündigung sein können. Ueber die mündliche Be¬
richterstattung kommen wir doch nicht weg.“
„Ich will es übernehmen“, sagte ich.
Darüber gab es dann noch eine längere Diskussion. Sie war
noch nicht zu Ende, als unser Zug im Bahnhof Ischl einfuhr.
Es war ein herrlicher Sommertag, auf dem Bahnsteig ein
Gedränge von Ankommenden, Ausflüglern, Erwartenden,
auch Bekannte waren darunter, es war nicht ganz leicht, aus
dem Stationsgebäude ungehindert auf die Straße zu gelan¬
gen; aber endlich saßen wir im Wagen, ohne daß einer an
uns herangekommen wäre und sausten auch schon davon. Der
Staub wirbelte hinter uns her, die Sonne brannte heftig,
wir waren froh, als der Ort hinter uns lag und wir auf die
Landstraße und bald in den Wild bogen.
Noch ehe wir von der letzten Straßenbiegung aus die ersten
Bauernhäuser des Dorfs erblickten, hatte sich Doktor Mülling
damit einverstanden erklärt, daß ich als der Fernerstehende
Frau Agathe Loiberger die Trauernachricht bringen sollte.
Der See lag da glitzernd von tausend winzigen zerrissenen
Sonnen. Vom gegenüberliegenden Ufer her, das im Dunste
der Ueberhelligkeit sich verschleierte, näherte sich spielzeughaft
das putzige Dampfschiff, dessen Schaukelwellen das badende
Unterheitungsblaft J.Ucb. 1a Nr.Z 21 1432
Prache nder Städte, Mdietes und über — ihn, daß er muntel
ührung mit se
nach: nicht sein
wird, eine Stulle ißt und eine halb leer getruntene Flasche
sich um den K
Bier an den Mund setzt. Während Philine unten im Cornet
Juden, der, um
liest: „Da sind sie alle einander nah, die aus Frankreich
und nach Abente
Da fällt ihr ein, daß sie
kommen und aus Burgund ...
Volkes wiederfir
in Berlin doch reiten lernen möchte. In einem Tatterfall.
(der anwesend #
Was das wohl kosten wird? „Das haben wir alles schon als
Musik. Der
Kinder gelernt“ sagt Manola. „Besonders das Reiten.“
Gegenwart, den
abends 8 Uhr.
Sie nennt es nur „Reiten“, ihren Beruf, der auch kühnen
jemand erblick
junge Volk sich immer entgegenfreute. Bald hielten wir vor
zu holen und
dem Gasthof, der sich ohne zureichenden Grund als „Grand
Agathe die gr
Hotel“ bezeichnete, ich stieg aus, Doktor Mülling ließ sich von
war.
dem Kutscher weiterfahren zu der Villa, in der er ein Zimmer
gemietet hatte, drückte mir die Hand und erklärte, daß er mich
Da trat aus
um vier Uhr nachmittag aufsuchen wolle.
die Veranda u
von innen geh
Ich vertauschte den Touristenanzug, der mir für meine
einer blauweiß
Mission doch wenig angemessen schien, mit einem dunkel¬
hinab mir ent
grauen und wählte mit Bedacht eine schwarzgestreifte
Krawatte. Ich war am Ende nur auf meinen Geschmack, ja
„Die Herrsch
auf meine Intuition angewiesen, denn für einen Besuch, wie
ist schon gestern
er mir bevorstand, gab es begreiflicherweise keine allgemein
See unten.“
gültigen Vorschriften. Bedrückten Herzens machte ich mich
fügte er hinzu
auf den Weg.
gedulden wolle
da sein.“
Seitab hinter dem Gasthof führte ein abkürzender Pfad
mit gelegentlichen Ausblicken auf den See an etlichen kleineren
„Ich werde
Landhäusern vorbei zu der weißen, für meinen Geschmack
Der Diener
etwas zu großartigen Villa, die Loiberger, natürlich nach
ihm die Starrh
eigenen Angaben, für sich hatte erbauen lassen. Ich ging
und mit rasch
übertrieben langsam, damit nicht gleich ein zu rascher Atem
und bemerkte:
mich verriete, doch fühlte ich mich im ganzen ziemlich ruhig
bestellen“, und
oder wenigstens gefaßt. Ich sagte mir, daß ich einfach eine
Pflicht zu erfüllen hatte — das wollte ich in möglichst guter
Seite, der di
Haltung tun; von meiner in erlichen Beteiligung durfte ich
vorbei, wies
nicht mehr merken lassen, als gute gesellschaftliche Form
schiedenen Sitz
forderte und erlaubte.
zimmer, wo
8
Das Gartentor stand offen, das kunstvoll geordnete Blumen¬
Gedecken, schlo
parterre leuchtete bunt, auf den weißen Bänken rechts und
links lag die Sonne, über die breite Veranda mit den grell¬
ich in dem
roten Korbsesseln war die rotweißgestreifte Markise gespannt,
In ebenholzen
darüber im ersten Stockwerk standen die Fenster offen, der
Piano da und
kleine Balkon vor der Mansarde lag im schiefen Sonnen¬
nahen Musik¬
glanz. Kein Mensch war zu sehen. Alles ringsum war
begleitete ihr
still, nur der Kies unter meinem Schritt knirschte überlaut,
Lied. Ich s
wie mir schien. Die Speisestunde war nah, vielleicht saß
schweben, ja
man schon beim Mittagmahl, vielmehr Agathe allein, denn
hören: „Dir
Eduard b,and sich ja auf einer Dolomitentour. Ja, dies
während die
war mein erster Gedanke, noch ehe es mir schreckhaft zu
blieben war,
Bewußtsein kam, daß er zu dieser Stunde in der Leichen¬
lauen Nachtlu
kammer einer kleinen Garnisonsstadt aufgebahrt laa. Und
pagner, der b#
plötzlich empfand ich, was mir für die nächsten Minuten bevor¬
fehlte, leicht b
stand, als so grotesk, so unerträglich, so undurchführbar, daß ich
mich ernstlich versucht fühlte, umzukehren, noch ehe mich ich sogar; un
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Sekundant
einigung iu Bühern gewann ft.
zinischen Fakultät lehrten später Virchow, Rokitansky,
Röntgen u. a. Ein Teil der Universität ist noch heute in den
historischen Räumen der 1582 bis 1591 erbauten alten Universität
untergebracht, einem schönen Renaissancebau mit Kirche, deren
prächtiger Turm als Sternworte dient.
Die Festveranstaltung der Berliner Winterhilfe
in der Krolloper beginnt heute, Sonnabend, um 10 Uhr abends.
In der Besprechung der „Troubadour“=Uebertragung aus der
Städtischen Oper (Abendblatt vom 29. Dezember) wurde Sigrid Onegin
als Azucena genannt. Es sang aber Melitta Amerling.
Der Sekundant
Novelle von
ARTHUR SCHNITZLER
Copyright 1931 by Heinrich Schnizier
1. Fortsetzung
Mülling zuckte die Achseln. „Ich glaube nicht. Jedenfalls
hat sie von dem bevorstehenden Duell nichts geahnt und
weiß bis zu dieser Stunde nicht, daß ihr Mann tot ist.“
Jetzt erst mit einer Art von Schrecken verspürte ich, daß
uns der fahrende Zug der unglücklichen Frau immer näher
brachte. „Wer soll es ihr sagen?“ fragte ich.
„Es wird wohl nichts übrig bleiben, als daß wir beide —“
„Wir können unmöglich zu zweit antreten wie Komitee¬
mitglieder“, dachte ich, „die eine Balleinladung überbringen.“
„Wir hätten doch gleich von dort aus telegrafieren sollen“,
sagte ich laut.
„Die Depesche“, sagte Mülling „hätte ja doch nur eine Art
von Vorankündigung sein können. Ueber die mündliche Be¬
richterstattung kommen wir doch nicht weg.“
„Ich will es übernehmen“, sagte ich.
Darüber gab es dann noch eine längere Diskussion. Sie war
noch nicht zu Ende, als unser Zug im Bahnhof Ischl einfuhr.
Es war ein herrlicher Sommertag, auf dem Bahnsteig ein
Gedränge von Ankommenden, Ausflüglern, Erwartenden,
auch Bekannte waren darunter, es war nicht ganz leicht, aus
dem Stationsgebäude ungehindert auf die Straße zu gelan¬
gen; aber endlich saßen wir im Wagen, ohne daß einer an
uns herangekommen wäre und sausten auch schon davon. Der
Staub wirbelte hinter uns her, die Sonne brannte heftig,
wir waren froh, als der Ort hinter uns lag und wir auf die
Landstraße und bald in den Wild bogen.
Noch ehe wir von der letzten Straßenbiegung aus die ersten
Bauernhäuser des Dorfs erblickten, hatte sich Doktor Mülling
damit einverstanden erklärt, daß ich als der Fernerstehende
Frau Agathe Loiberger die Trauernachricht bringen sollte.
Der See lag da glitzernd von tausend winzigen zerrissenen
Sonnen. Vom gegenüberliegenden Ufer her, das im Dunste
der Ueberhelligkeit sich verschleierte, näherte sich spielzeughaft
das putzige Dampfschiff, dessen Schaukelwellen das badende
Unterheitungsblaft J.Ucb. 1a Nr.Z 21 1432
Prache nder Städte, Mdietes und über — ihn, daß er muntel
ührung mit se
nach: nicht sein
wird, eine Stulle ißt und eine halb leer getruntene Flasche
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Bier an den Mund setzt. Während Philine unten im Cornet
Juden, der, um
liest: „Da sind sie alle einander nah, die aus Frankreich
und nach Abente
Da fällt ihr ein, daß sie
kommen und aus Burgund ...
Volkes wiederfir
in Berlin doch reiten lernen möchte. In einem Tatterfall.
(der anwesend #
Was das wohl kosten wird? „Das haben wir alles schon als
Musik. Der
Kinder gelernt“ sagt Manola. „Besonders das Reiten.“
Gegenwart, den
abends 8 Uhr.
Sie nennt es nur „Reiten“, ihren Beruf, der auch kühnen
jemand erblick
junge Volk sich immer entgegenfreute. Bald hielten wir vor
zu holen und
dem Gasthof, der sich ohne zureichenden Grund als „Grand
Agathe die gr
Hotel“ bezeichnete, ich stieg aus, Doktor Mülling ließ sich von
war.
dem Kutscher weiterfahren zu der Villa, in der er ein Zimmer
gemietet hatte, drückte mir die Hand und erklärte, daß er mich
Da trat aus
um vier Uhr nachmittag aufsuchen wolle.
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Ich vertauschte den Touristenanzug, der mir für meine
einer blauweiß
Mission doch wenig angemessen schien, mit einem dunkel¬
hinab mir ent
grauen und wählte mit Bedacht eine schwarzgestreifte
Krawatte. Ich war am Ende nur auf meinen Geschmack, ja
„Die Herrsch
auf meine Intuition angewiesen, denn für einen Besuch, wie
ist schon gestern
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gültigen Vorschriften. Bedrückten Herzens machte ich mich
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Landhäusern vorbei zu der weißen, für meinen Geschmack
Der Diener
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eigenen Angaben, für sich hatte erbauen lassen. Ich ging
und mit rasch
übertrieben langsam, damit nicht gleich ein zu rascher Atem
und bemerkte:
mich verriete, doch fühlte ich mich im ganzen ziemlich ruhig
bestellen“, und
oder wenigstens gefaßt. Ich sagte mir, daß ich einfach eine
Pflicht zu erfüllen hatte — das wollte ich in möglichst guter
Seite, der di
Haltung tun; von meiner in erlichen Beteiligung durfte ich
vorbei, wies
nicht mehr merken lassen, als gute gesellschaftliche Form
schiedenen Sitz
forderte und erlaubte.
zimmer, wo
8
Das Gartentor stand offen, das kunstvoll geordnete Blumen¬
Gedecken, schlo
parterre leuchtete bunt, auf den weißen Bänken rechts und
links lag die Sonne, über die breite Veranda mit den grell¬
ich in dem
roten Korbsesseln war die rotweißgestreifte Markise gespannt,
In ebenholzen
darüber im ersten Stockwerk standen die Fenster offen, der
Piano da und
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glanz. Kein Mensch war zu sehen. Alles ringsum war
begleitete ihr
still, nur der Kies unter meinem Schritt knirschte überlaut,
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man schon beim Mittagmahl, vielmehr Agathe allein, denn
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Bewußtsein kam, daß er zu dieser Stunde in der Leichen¬
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kammer einer kleinen Garnisonsstadt aufgebahrt laa. Und
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plötzlich empfand ich, was mir für die nächsten Minuten bevor¬
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mich ernstlich versucht fühlte, umzukehren, noch ehe mich ich sogar; un