I, Erzählende Schriften 43, Der Sekundant, Seite 3

43. Der Sekundant
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dritte und vierte Band des Allgemeinen politischen und historischen
unglücklichen Köpfe
Briefwechsels folgen.
und sie folgten alle
Rundfunk: Katholische Kirche zum Eigen¬
kene Frau in ihrem
tumsbegrikk. In einer neuen Reihe „Weltanschauung und
te war zu Ende ge¬
Eigentumsbegriff“ wurde die Stellung des Katholizismus zum
ingen langsam auf
Thema von drei Fachgelehrten geklärt. Im Hauptreferat betrachtete
in um ihre Schulter
Professor Heinrich Weber, Münster, die verschiedenen Aspekte
e zwei Gläser Bier
des Eigentums: seinen Doppelcharakter als privates und kollek¬
t# und sagte „Bitte
tives, Eigentums=Recht, =Form und =Gebrauch. Auf“ omas
Fechen, und der alte
von Aquino fußend erklärten noch die letzten Päpste in Enzykliken
n. Er hatte seinen
tigkeit von ein#e gewissen, in Mitteleuropa neu eingeführ¬
geplanter Kletter¬
ten japanischen Strauchart, die er auch in seinem eigenen
wozu eben jetzt
Garten anzupflanzen beabsichtigte und aus dem Wagen
fürdigen Anlaß bot.
sprang er mit jener Elastizität, die man damals in Zeitungs¬
ken ihn in den alt¬
notizen immer wieder als besonderes Attribut regierender
wo wir ihm das beste
Fürsten erwähnt las. Das fiel mir ein und ich lächelte
nahmen zusammen
unwillkürlich. Loiberger soh mich in diesem Augenblick an,
ten angeregt, tran¬
und ich schämte mich ein wer##.
auf, auch nicht den
Das Duell selbst ist mir beinahe wie ein Marionettenspiel
der gegenüberliegen¬
im Gedächtnis geblieben; als Marionette lag Eduard Loi¬
richtete Doktor Mül¬
berger da, als die Kugel seines Gegners ihn auf den Boden
# morgen stattfinden
hingestreckt hatte, und eine Marionette war auch der Regi¬
wie vom Schicksal
mentsarzt, der den Tod feststellte, ein hagerer, ältlicher Mann
in kleines Wirtshaus
mit polnischem Schnurrbart. Der Himmel über uns war
kiter bemerkte, schon
wolkenlos, aber von einem merkwürdigen matten Blau. Ich
en hatte. Dies aber
sah auf die Uhr — es fehlten zehn Minuten auf acht. Das
c unserer Anwesen¬
Protokoll und die sonst üblichen Formalitäten waren rasch
r für den nächsten
erledigt. Eigentlich war ich froh, daß wir noch die Möglich¬
der auch Loiberger,
keit hatten, den Neun=Uhr Schnellzug zu erreichen, es wäre
sollte — von einem
unerträglich gewesen, auch nur eine Stunde länger in der
dem er, von Beruf
unglückseligen Stadt bleiben zu müssen.
glichen anderen Ge¬
Auf dem Perron gingen wir schweigend und ziemlich un¬
hatte — von einer
bemerkt auf und ab — zwei elegante Touristen auf einer
einen nahen Gipfel,
Sommerreise; dann, während ich einen Kaffee trank, berich¬
von einem Pro¬
tete Mülling aus einer Zeitung, daß in den nächsten Tagen
führen hatte und in
der König von England und sein Premierminister zum Be¬
dem Spiel zu stehen
suche unseres Kaisers in Ischl erwartst würden. Wir ge¬
n, bis Doktor Mül¬
rieten in ein politisches Gespräch — es war eher ein Vor¬
bemerkte: „Es wäre
trag von Doktor Mülling, den ich nur überflüssigerweise durch
tnie bei solchen Ge¬
ziemlich verständnislose Einwürfe unterbrach. Als der
st, auch nicht den Se¬
Wiener Zug einlief, atmete ich erleichtert auf, ungefähr so, als
von Loiberger und
könne nun alles Geschehene ungeschehen und Loiberger wieder
ren aber spazierten
lebendig werden. In unserem Abteil blieben wir allein;
noch ein Stündchen
erst nach langem Schweigen bemerkte Doktor Mülling wie zur
nächtlichen Gang ist
Entschuldigung, daß er nicht schon früher gesprochen: „Man
flieben als ein tief¬
faßt es nicht gleich, so sehr man auch vorbereitet gewesen
er auf dem Haupt¬
sein mag.“ Dann sprachen wir beide von allerlei anderen
arfen, und nichts von
Zweikämpfen, an denen wir als Sekundanten beteiligt ge¬
wir von dem morgi¬
wesen waren, harmlosen und weniger glücklichen — keiner
en.
von uns hatte bisher ein tödliches Duell mitgemacht. Wir be¬
genfahrt am nächsten
handelten das heutige, so; rig beendete zuerst keineswegs
sentimental, sondern eher
as Hufgeklapper der
# ästhetisch=sportlichen Stand
Straße zur Wald¬
punkt. Loiberger, wie n
nders zu erwarten war, hatte
sich famos gehalten, der
übertriebener Wich¬
neister war minder ruhig und
An der Sorbonne ist der erste Lehrstuhl für moderne fran¬
zösische Literatur errichtet worden. Ordinarins wurde der als
Pascal=Kommentator sowie als moderner Literatur=Kritiker be¬
kannt gewordene Gelehrte Fortunat Strowski, Mitglied der
Académie Française, ernannt. Er liest im ersten Semester über
Victor Hugo.
Der Aegyptologe Professor Georg Steindorff, der kürzlich seinen
70. Geburtstag feierte, wird seine Lehrtätigkeit an der Universität
Leipzig über seine Emeritierung hinaus vertretungsweise auf
ein weiteres Jahr ausüben.
viel blässer gewesen, ja, man hatte deutlich gemerkt, daß vor
dem ersten Kugelwechsel seine Hand zitterte. Beide schossen
zugleich, keine Kugel traf; beim zweiten Gang war die Kugel
des Rittmeisters hart an Loibergers Schläfe vorbeigegangen
und Loiberger hatte unwillkürlich nach der Stelle hingefaßt
und nachher gelächelt. Beim dritten Gang aber, gleich nach
dem Kommando, war er niedergesunken, noch ehe er selbst ge¬
feuert hatte.
Und nun erst, als wäre er von einem gegebenen Worte
entbunden, bemerkte Doktor Mülling: „Die Wahrheit zu
sagen, ich habe es kommen gesehen; alle dings hatte ich es
schon im vorigen Jahr erwartet. Beive, sowohl unser
Freund Loiberger als Frau von Urpadinzky — Sie haben
ja die Frau des Rittmeisters nie gesehen, schade — benahmen
sich so unvorsichtig wie nur möglich. Der ganz Ort wußte
von der Sache, nur der Rittmeister selbst, obwohl er gar nicht
selten aus seiner Garnison zu Besuch nach St. Gilgen kam,
hatte keine Ahnung. Erst im Winter soll er anonyme Briefe
erhalten haben, dann ging er der Sache nach und endlich,
offenbar unter der ewigen Marter seiner Fragen, scheint
seine Frau ges anden zu haben. Dann machte sich das übrige
von selbst.“
„Unbegreiflich“, sagte ich.
„Inwiefern unbegreiflich?“ fragte Mülling.
„Wenn mun eine solche Frau hat wie Loiberger — ich
hielt es für die glücklichste Ehe.“ Ich sah Frau Agathe vor
mir, die aussah wie ein junges Mädchen, wie eine Braut,
wahrhaftig, wenn man sie beide zusammen sah, Eduard und
Agathe, hätte man sie eher für ein Liebespaar halten können
nach einer vier= oder fünfjährigen Ehe — als für ein Ehe¬
paar. Der Ausflug vor vierzehn Tagen auf den Eichberg,
als wir mittags in der Sonne lagerten — wir waren sieben
oder acht Personen — eigentlich hasse ich ja diese Massen¬
ausflüge und ich für meinen Teil hatte mich nur wegen
Mademoiselle Coulin angeschlossen — Agathe schien zu
chlummern oder sie schloß nur die Augen, weil die Sonne
sie blendete, er strich ihr mit den Fingern über Hea# und
Stirn, sie lächelten und flüsterten wie ein junges verl#ebtes
Paar.
„Und glauben Sie“, sagte ich zu Mülling, „daß Frau
Agathe irgend etwas geahnt hat?
Fortsetzung in der Abend=Ausgabe vom Sonnabend
Unterhaltungs btatt d. Voss 443 Nr. 4 4. 4.4132