I, Erzählende Schriften 43, Der Sekundant, Seite 6

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43. Der Sekundant
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11. Januur, 10 Uhr abends, ein Konzert amerikanischer Radio=Stars.
Unter anderem werden auftreten: Tony
Mons, The Mills Brothers
(Neger=Quartett), The Street Singers,
The Boswell Sisters und
Male Chor.
Zum Besten des Oesterreichischen Hilfsvereins veranstaltet die Funk¬
stunde unter Leitung von Erich Kleiber Montag, 11. Januar, 8 Uhr,
ein Konzert des Funkorchesters, das von beiden Sadern übernommen
wird. Solistin: Margarete Frank=Witt.
Die Offenbach=Oper „Vert — Pert“ (Bear eitung von Karl
Kraus) wird von der Funkstunde Donnerstag, 14. Jenuar, 7½ Uhr, ge¬
sendet. Mitwirkende: Margret Pfahl, Jarmila Novotna, Roma Bahn,
Cäcilie Looosky, Leo Reuß, Georg Alexander, Peter Lorre, Ernst Pröckl,
Leopold Hainisch. Regie: Cornelis Bronsgeest.
mit irgendeinem Herrn an mir vorbei. Ich saß im Dunkel.
so bemnerkten sie mich anfangs gar nicht. Plötzlich aber ent¬
deckte mich Agathe, und im Vorübergehen glitt sic, wie
zum Spaß, mit der Hand durch mein Haare, brachte sie in
Unordnung und war wieder davon. Das fiel mir weiter nicht
auf. Denn in dieser Weise benahm sie sich manchmal. Recht
ungezwungen, aber immer mit wundervoller Anmut — wie
sie auch die meisten Freunde des Hauses selten beim Namen
oder gar mit einem Titel zu nennen pflegte, sondern für
jeden irgendeine Bezeichnung gefunden hatte, die leineswegs
immer zu dessen Art und Wesen passen mochte, ja oft geradezu
das Gegenteil oder überhaupt nichts ausdrückte Mich zum
Beispiel — und das hatte einen gewissen Sinn, denn ich sah
damals mit meinen dreiundzwanzig Jahren noch jünger
aus, als ich war — nannte sie „das Kind“
Ich blieb ruhig auf meiner Bank im Dunkel sitzen und
wartete, daß die beiden wieder an mir vorüberkämen; was
nickte Agathe mir zu, ohne daß sie doch meine Züge deutlich
zu erkennen imstande war. Das tat sie oft zum Gruß immer
Arr hatte ich sie grüßen gesehen, wenn sie in der Schoimm¬
anstalt am Geländer lehnte, in ihren blauen Bademantel
gehüllt; so auf Spaziergängen, wenn ein Bekannter ihr be¬
gegnete; in gleicher Weise aber nickte sie Blumen zu, ehe sie
sie pflückte, und ebenso grüßte sie eine Almhütte, ehe sie ein¬
trat; es schien ihr eingeboren, also mehr als ein Gewohn¬
heit, sich mit allen Menschen und Dingen, zu denen sie in
eine noch so flüchtige Beziehung trat, durch einen Gruß gleich¬
sam persönlich bekannt zu machen. Dieser ihrer Eigenart
ward ich mir jetzt erst so deutlich und zum erstenmal
bewußt, während ich im sommerlich durchschatteten Salon ihr
Kommen erwartete, und meine Finger ohne Sinn mit den
Fransen des indischen Schals spielten, der als Klavierdecke
diente.
Plötzlich hörte ich Frauenstimmen, Schritte über den Kies,
alles immer näher, dann ein Frauenlachen, dann Schritte die
Stufen hinauf — und das Herz stand mir stille.
„Wer ist denn das?“ rief Agathe fast ein wenig erschrocken.
Aber da sie mich erkannte, fügte sie gleich heiter hinzu: „Das
Kind“, und reichte mir die Hand. Ich verbeugte mich tiefer,
als es sonst meine Art war, und küßte ihre Hand. Sie
wandte sich gleich zu Aline, die ein wenig hinter ihr stand,
—. 01
esich Prosessor
Schuchhardt gedacht hat (Unterhaltungsblatt vom 8. Dezem¬
ber. Nr. 578). Unmittelbar vor Ausbruch des Weltkrieges in
König
hohem Alter dahingegangen, gehört Conze einer Epoche an, die

abgeschlossen hinter uns liegt. Es war wie im allgemeinen Wirt¬
4. 10.
König, As O
schaftsleben so auch in der Wissenschaft eine Epoche glanzvollen
König 4
Aufstieges, und Conze ist als Archäaloge einer der Führer dieses
Aufstieges gewesen. Als Direktor der Antikenabteilung an den
Berliner Staatlichen Museen hat er die von Carl Humann aus
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Pergamon gesandten Reliefproben zuerst in ihrer vollen Beden¬
B
tung erkannt und die Erforschung der Stätte durchgesetzt, die den
großen Altar mit seinen Friesen wieder schenken sollte. Wer jetzt
Pik ist Atout. A spielt a
Auflösung der
und meinte: „Nun bleibt ihr gleich beide zum Essen da.“ Und
wieder zu mir: „Ich bin nämlich allein. Eduard ist seit
1. Karo 4, 9, 2, König.
gestern auf einer Bergtour.“ Und mit einem nicht ganz
2. Herz-Dame, 3, 7, Köni
heiteren Lachen: „Wer's glaubt!“
5. Pik 3, 6, 10, 8.
Indes hatte ich auch Alinen die Hand geküßt, und als ich
meinen Blick wieder erhob, sah ich den ihren mit einer Art
mir unerwünschten Einverständnisses lustig in mein Auge
4. Pik 2, 9, 4, König.
sprühen. Da standen sie nun beide, die dunkle Aline ganz
in leuchtendes Gelb, die blonde Agathe in sanftes Hellblau
sommerlich gekleidet, und in all ihrer Gegensätzlichkeit fast
schwesterlich anzusehen. Beide trugen die breitkrempigen
5. Herz-Bube, As, Treff
Florentinerhüte, wie sie damals modern waren, Agathe nahm
6. Treff 3, 7. Dame, 2.
den ihren ab und legte ihn auf das Klavier.
7. Karo-As, Herz 9, Kard
8. Pik 5, 7, As, Dame.
„Nein Liebste“, sagte Aline, „ich kann leider nicht bleiben.
9. Pik-Bube.
Ich werde daheim zum Essen erwartet.“
Agache redete ihr wohl noch ein wenig zu, aber es klang
10. Treff 6, König, As, Bu
nicht sehr überzevgend. Und während sie zu der Freundin
11. Treff 10, Herz 10, Herz
prach, streifte mich ein fragender, ein verheißungsvoller, ja ein
Karo-Bube.
so lockender Blick, daß mich beinahe schwindelte. Und ich wußte
plötzlich, daß es keineswegs der erste Blick dieser Art war,
den sie mir sandte. Aline verabschiedete sich. „Auf Wieder¬
sehen, gnädige Frau“, sagte ich und war mir bewußt, daß
es das erste Wort war, das ich sprach, und so hörse ich es über¬
trieben hell, g'richsam schmetternd durch den Raum klingen.
2. Treff 2, 3, König, As
Agathe begleitete die Freundin über die Veranda und die
3. Pik 3, 6. 10, 8.
Stufen in den Garten hinaus.
4. Pik 2, 9, 4, 7.
5. Treff 5, Dame, 9, 6.
Warum habe ich nicht gesprochen, solange Aline da war,
6. Pik 5, König, As. Dar
dachte ich. Wäre es nicht tausendmal leichter gewesen? Schon
7. Pik-Bube, Treff 7, Kal
im nächsten Augenblick stand Agathe wieder vor mir.
8. Karo 5, 10, As.
„Gnädige Frau“, begann ich, „ich habe Ihnen eine traurige
9. Herz-König. Bube, 3, 7
Botschaft zu bringen.“ — Nein, ich sprach die Worte nicht
10. Herz 4. Pame, As, Tre
aus. Für einen, der Gedanken zu lesen vermocht hätte, wären
Herz 5, Karo-Bube, Tr
die Worte ganz vernehmlich gewesen, doch über meine Lippen
Treff-Bube.
kam kein Laut. Agathe stand vor mir, das hellblaue Kleid
durchleuchtete mild die tiefen Schatten des Raums, sie lächelte
nicht, ja mir war, als hätte ich ihr Antlitz niemals so ernst
gesehen. Nun, da sie mit mir allein war, ich fühlte es deut¬
lich, sollte alles, was auf Oberflächlichkeit, auf Koketterie, ja,
auf etwas rein Gesellschaftliches hindeutete, ausgeschaltet
Richtige Auflösungen san
sein.
J. Nathan, Th. Reiche, He
„Ich freue mich ja so, daß Sie da sind“, sagte sie.
von Morgen, G. Thomann,
Fortsetzung morgen in der Sonntag=Ausgebe
Unterhelfungsblaft ö.Ucb. 1a Nr.Z 24 4432