I, Erzählende Schriften 43, Der Sekundant, Seite 7

43. Der Sekundant
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wesen, für Förderung und Sicherung des Tarifvertrags¬
Geliebte. Ihr Ge
Trotzdem ist die Episode des Volksbundes nicht vergeblich
rechts. Daß er neben diesen Fragen des Arbeiterrechts für
Augen — den ein
gewesen. Aus den Kreisen, die sich damals mit Ernst
die durch den gewerkschaftlichen Zusammenschluß bereits er¬
Oberlippe schatten
Francke zu gemeinsamer Arbeit fanden, sind die Männer ge¬
starkten Arbeiterschichten auch die wirtschaftlich Schwächsten
aber nicht stehen, di
nicht vergaß und sich für den Schutz der Heimarbeiter, der kommen, und die Parteien entstanden, die das deutsche Volk
Jugendlichen, der Kinder mit aller Güte seines Herzens ein= nach dem äußeren und inneren Zusammenbrechen vor dem hat, und er erinner#
Chaus gerettet haben. Auch die Demokratische Partei ge= Manchmal ge#e
setzte, ist selbstverständlich. Ebenso übernahm er während des
hörte zu diesen Parteien, und Francke war ihr von Anfang Galerie, wo die K
Krieges zu seinen vielen großen Arbeitsgebieten auch noch
an beigetreten. Und der vom Volksbund vertretene Ge¬
lange Zeit und seuf
die Leitung des Arbeitsausschusses für Kriegerwitwen= und
danke, der auch das Lebenswerk Franckes beseelte: „Inter¬
Waisenfürsorge und hat dort, unterstützt von der bekannten
empfand ich mein Hiersein, dieses Aug in Aug=Sitzen und
allen Seiten aus, o
vielleicht verraten
Sprechen mit Agathe, das leise Flattern der Fenstervorhänge,
Der Sekundant
das schweigsame Erscheinen und Verschwinden des Dieners
sind ja lauter frem
Novelle von
ein Indianer sitzt ar
keineswegs als traumhaft, sondern eher als eine andere,
Federnschmuck auf
geringere Art von Wirklichkeit. Aus dieser andern Wirk¬
ARTHUE SCENITZLER
lichkeit schrillte auch das Pfeifen des kleinen Dampfers zu
Wie, sie ist uns na
uns her, in dieser Wirklichkeit wußte ich den See liegen
Also fort, fort.
Copyright 1931 by Heinrich Schnitzler
2. Fortsetzung
unten im Mittagsglanz, in diese andere war auch Aline
wendet sich nach m
Ich erwiterte nichts, denn kein Wort wäre das rechte ge¬
wieder zurückgekehrt, und dort lag auch der Mann, den
wieder rast der Zu
wesen. Allerlei blasse Erlebnisse der letzten Tage leuchteten in
ich heute morgens tot am Waldesrand hatte hinsinken sehen.
Fenster blickt irgen
Wirklicher als all das war, was zwischen Agathe und mir
meiner Seele plötzlich auf. Es fiel mir ein, wie sie sich auf
Er klammert sich o
jenem Ausflug neulich in meinen Arm gehängt hatte und
hin und her schwebte, war, nicht was ich sagte, doch der
Er hält ein Stück
mit mir den Waldpfad hinuntergelaufen war, dann er¬
Ton ihrer Stimme, war ihr Blick, ihr Wunsch war unser
wiß. Ich stürze de
innerte ich mich wieder, wie sie mir nachts im Garten mnit
Verlangen.
weiß nicht wohin —
ihren schmalen Fingern durch die Haare gefahren war, und
Glück, daß Agathen
Das Mahl war zu Ende. Der Diener kam nicht wieder,
jenes Grußwort klang mir zärtlich durch den Sinn: „Kind.“
ja ein großes englis
wir waren allein.
Ich hatte all das nicht verstanden, zu verstehen nicht gewagt.
darin, sieht sich die
Agathe stand vom Tische auf, sie trat auf mich zu, nahm
Denken Sie, wie jung ich war! Es war das erste Mal,
das den Spielsaal
meinen Kopf in beide Hände und küßte mich auf die Lippen.
daß eine schöne, junge Frau, eine Frau, die ich für eine
unter den Spielern
Es war kein glühender Kuß, er war eher milde, mehr Güte
liebende und geliebte Gattin hielt, mir das Geschenk ihres
ihr Mann dieses B
als Leidenschaft war in ihm, er war geschwisterlich und doch
Herzens zu bieten schien. Wie hätte ich das erwarten dürfen?
uns geschehen? Wi
berauschend, er war Feierlichkeit und Wollust zugleich.
Und wenn sie nun ihrer Freude über mein Kommen so un¬
Und später, von ihrem Arm umschlungen, glitt ich in
verhahlen Ausdruck gab, so bedeutete das nichts anderes, als
tausend Träume.
Und mit einem
daß sie mich für ungeduldig und für verliebt genug hielt, um
Wir lagen auf einen Wiesenhang hingestreckt; es war der
Zimmer, auf den
zu
mit voller Ueberlegung die Abwesenheit ihres Gatten
zleiche, auf dem sie neulich erst an Eduards Seite gelegen
lich und zugleich do
diesem unvermuteten und verwegenen Besuch zu benützen.
war. Ich wundere mich, daß sie so ruhig ist, ohne jede
bin, ich träume, da
Angst, irgend etwas Furchtbares ist ja geschehen — ich weiß
„Es ist serviert, gnädige Frau.“
zu den flatternden
nicht was, denke auch nicht darüber nach, aber ich weiß, daß
Eine leichte Bewegung Agathens. Ich wandte mich um.
langsame Schritte
wir fort müssen, so weit als möglich. Dann sitzen wir in
Wir traten ins Nebenzimmer. Es war Agathens Boudoir,
daß man jetzt die
einem Eisenbahncoupé; das Fenster ist offen, die Vorhänge,
das Fenster stand offen, weiße Gardinen schlossen uns gegen
fliehe. Ich bin au
nicht befestigt, fliegen hin und her, zerrissene Bilder wechseln¬
draußen ab, Garten und Luft schimmerten mit unbestimmten
über die Stufen.
der Landschaften rasen vorbei, Wälder, Wiesen, Zäune, Felsen,
Ich sehe sie nicht.
Farben durch.
Kirchen, vereinzelte Bäume, unbegreiflich schnell und ohne
und daß es mir un
Wir saßen einander gegenüber, Agathe und ich. Der
jeden Zusammenhang. Rasch genug, niemand kann uns nach,
stehe ich im Garte
Diener, jetzt in dunkelblauem Lüstersakko mit Goldknöpfen,
700
nicht einmal die Leute, die im gleichen Zug fahren; es ist unfa߬
licher Garten, es ist
ging aus und ein und servierte. Es war mit erlesenem
bar, aber doch ist es so. Plötzlich höre ich ihren Namen
es ist genau der G#
Geschmack edeckt. Ein einfaches Mahl, und als Getränk nichts
draußen rufen, ich weiß, es ist ein Telegraphenbote, der sie
zum Geburtstag ge
als Champagner. Unser Tischgespräch war völlig harmlos
sucht. In mir ist nur die Angst, daß sie es hören könnte.
gar nicht gewußt, di
und mußte es sein, dabei aber gänzlich ungezwungen, nicht
Auch kleine Vögel.
nur von ihrer, sondern auch von meiner Seite. Doch wäh¬
gun, und der Sag rcs relter. Uer reiten a. die ruisen
rend wir von den Alltäglichkeiten des Landlebens sprachen,
weil ich sie bemerk#
von abgetanen un' geplanten Ausflügen, von der bevor¬
es wird wohl Monte Carlo sein. Wie kann ich nur
stehenden sonntäglichen Regatta, der voraussichtlichen Teil¬
Lehergen derstnltg
zweifeln? Natürlich ist es Monte Carlo. Agathe sitzt am
nahme und den Chancen Loibergers — obwohl ich keinen
daß er tot ist und
Spieltisch mitten unter anderen Leuten, sie ist schön, sie ist
Augenblick vergaß, daß Eduard tot war, und daß ich nur
mantel an. Ich m
ganz ruhig, sie spielt, sie verliert, sie gewinnt, ich schaue nach
hergekommen war, um es seiner Gattin zu berichten
Unterhaldugsblaft d.Von etg Nc-3 2.4.1422