Therese
box 6/2
35. Annnnnn.
k eines
banateren Stationen der Liebe wie sie — aus Cha¬
i, Tochter
rakter und sozialem Schicksal schließlich zu einer er¬
ants Fa¬
schreckenden Gleichgültigkeit kommt, die kaum mehr
ziellosen
die Sehnsuchtsschreie ihrer Seele und ihres Körpers
ißratenen
durchläßt. Ein typisches Schicksal insofern, als mit¬
in solches
telmäßige, belanglose Schicksale immer typisch sind,
wiß nicht
Aber diese Frau, die sich bald mehr verführen läßt
Schilde¬
als
verführt wird, ist nur typisch, nicht symbolisch.
außer¬
Mit der Fingerfertigkeit des Technikers zählt Schnitz¬
Aber
ler die verschiedenen Dienststellungen auf, die The¬
ngewöhn¬
rese als Erzieherin oder Kindermädchen begleitet: die
nschwer¬
Häuser und Familien, in denen sie ein= und aus¬
tapferer
geht, die Kinder, die sie betreuen muß. Es ist eine
Anekdote
fast unübersichtliche Galerie von Familien= und Ein¬
uslaufend
zelporträts; vielfarbig, aber doch bleibt keiner dieser
luch hier
Köpfe in der Erinnerung haften. Ja, gerade diese
ig „Chro¬
Schilderungen wirken auf die Dauer ermüdend, fast
ller, klu¬
langweilig. Eine große dichterische Kraft, hätte hier
öbnlichen
ein Bilderbuch des ganzen sozialen Lebens geben
nörkelten
können, hätte hier anekdotisch an der Fülle dieser
de dieser
Menschen die Verstricktheit dieses heutigen Lebens
aufgezeigt, oder hatte sich begnügt, Menschen blut¬
voll zu geben. Auch das wäre eine Gnade des Dich¬
Therese,
ters gewesen. Aber bei Schnitzler sind es private Schick¬
d ihrer
sale die kaum interessieren, weil sie nicht mit dich¬
billen der
terischer Gewalt, sondern mit schriftstellerischer
sen rund
Routine aufgeschrieben sind. Die Kapitel=Geschehnisse
Schnitzler
werden zum Klischee. Nur gelegentlich in kleinen Si¬
ner Ele¬
tuationen, wenn Therese ihren vergeblichen Kampf
herese
um die Liebe ihres mißratenen Sohnes ausficht,
ze
oder wenn ihre Mutter ihr am Bahnhof gesteht, daß
0=
Theresens Lebenswandel durchschaut ist, fühlt man
ie
die Hand des Dichters auch in der Zartheit, mit der
es
er gefährliche Dinge andeutet.
Ein Zeitproblem
sen ver¬
suchte Schnitzler zu gestalten, aber gestehen wir es:
en wird.
es blieb
ei der Anekdotensammlung, bei einer un¬
izipation
gemein schriftstellerisch gefingerten Improvisation, die
ndei ent¬
in ihrer kühlen Gekonntheit nicht überzeugt, allen¬
Freiheit
falls nur interessiert, bis man erkennt, daß an
für solche
Schnitzler nur im Ahnen der Problem=Fülle ste
in allen
bleibt und nicht zur dichterischen Klarheit di
Schnitz¬
drang. Dem nur in Einzelheiten formal vornehr
wie man im ganzen banalen Buche, in dem Schnitzler
enzerwei= psychologische Spürfähigkeit auszubreiten suchte, fe
re Posi¬
ial rich= das letzte; es interessiert gelegentlich, aber es über¬
zeugt nicht. Und das ware nötig, wenn man ein
eMän¬
Frauenschicksal schildert. Die ganze Spannung des
r selbst] Buches besteht nur in der Erwartung, daß endlich
auf weite
im nächsten Kapitel der dichterische Einsatz kommt.
nnerhalb
So wurtet man bis zum Schluß vergebens.
t leiden¬
1d, wie
Abgrün¬
zu Stufe
u immer!
M nnennenenenengen
Ne
ARGUS SUISSE ET INTERNATION4J.
DE LA PRESSE S. A.
2a, rue du Rhöne — Genève
Adr. télégr.: Coupures-Genève — Tél. Stand 40.05
IBureau International de coupures de journaux
Traductions de et en toutes langues
Corres# ndants dans toutes les grandes villes
Ertrait du Journal:
A4-
Bücherwarte, Berlin
Ausschnitt aus der Nummer vom: 0KI. 1925
Erzählende Literatur
Arlhur Schnitzler: Therese. Chronik eines Frauenlebens. Verlag S. Fischer.
Berlin802 Seiten.-Preis 5 Mk.
Eiß/Roman, dssen Heldin jeder kennt: die Erzieherin der Kinder aus
„besserem Hlausgss de bleiche, verhärmte, müde Frau in den abgetragenen
Kleidern und vertreienen Schuhen, die freudlese Frau, die ihr Leben den
Kindern der andefen opfert. Sie ist eine Offizierstochter, ihre Mutter schreibt
sentimentale Kitschromane. Phr Leben ist eine ununterbrochene Wanderung
von Haus zu Hlaus, von Enttäuschung zu Enttäuschung, von Mann zu Mann.
Sie ist ja nur jagdbares Wild, Gefährtin flüchtiger Liebesstunden; ihre Sehn¬
sucht nach Liebe ihre Sehnsucht nach einem Kameraden kennen die Väter
und Brüder der Kinder, die sie erzicht, ja nicht. Und sie selber ist schon so
zermürbt vom Leben, so arm an Illusionen, dast sie nicht mehr begehrt als
eine Stunde der Leidenschaft, die den Hlunger ihres Blutes, den Aufruhr ihrer
Sinne beschwichtigt.
Indes sie aber den Kindern der Reichen lebt, verkommt ihr eigenes. Indes
sie den Kindern der Reichen Umgangsformen lehrt, wird ihr Sohn Dieb und
Zuhälter. Das ist die tiefste Tragik ihres Daseins; nach einem Leben der Ent¬
behrung und Enttäuschung, nach unsäglicher Mühe mit hunderten Kindern,
tritt ihr der eigene Sohn als Erpresser, als Nüchtiger Verbrecher entgegen, wird
sie vom eigenen Sohn erwürgt.
Auf ihrer Wanderung aber entrollte sich vor ihr wie ein Panorama das
Leben der bürgerlichen Welt, die Ilerrschaft des Geldes, die Lüge der Ehe, der
falsche Glanz, die auf Leid errichtete Herrlichkeit. Selber Tochter einer
Bürgerfamilie, nur durch ihren Beruf, noch nicht durch Seelengemeinschaft
mit der Klasse Proletarierin geworden, kann sie nicht Revolutionärin sein,
erkennt sie nur mit wehem Ilerzen den Unterschied der Menschen, die un¬
gerechte Verteilung von Glück und Schmerz, wird ihr nur bewulft, das sie
um ihr Aurecht am Leben betrogen wurde.
Schnitzler nennt diese Dichtung „Chronik eines Frauenlebens“,
Mit einer fast feierlichen Sachlichkeit, die nicht Kunstmode ist, sondern Forde¬
rung tiefster dichterischer Wahrhaftigkeit, erzählt er dieses Frauenschicksal,
das nicht nur ein Schicksal von gestern bleibt. Denn wenn auch Gesell¬
schaft des alten Oesterreich versunken st, der Lebensweg der Erzieh#in führt
heute noch durch keine wesentlich freundlicheren Gelilde. Menschlich und
dichterisch, psychologisch und sozial ist dieses neue Buch Schnitzlers zu den
bedeutendsten Erscheinungen auf dem Gebiet des neuen deutschen Romansg
zu zühlen.
Fritz Rosenfeld.
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banateren Stationen der Liebe wie sie — aus Cha¬
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rakter und sozialem Schicksal schließlich zu einer er¬
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schreckenden Gleichgültigkeit kommt, die kaum mehr
ziellosen
die Sehnsuchtsschreie ihrer Seele und ihres Körpers
ißratenen
durchläßt. Ein typisches Schicksal insofern, als mit¬
in solches
telmäßige, belanglose Schicksale immer typisch sind,
wiß nicht
Aber diese Frau, die sich bald mehr verführen läßt
Schilde¬
als
verführt wird, ist nur typisch, nicht symbolisch.
außer¬
Mit der Fingerfertigkeit des Technikers zählt Schnitz¬
Aber
ler die verschiedenen Dienststellungen auf, die The¬
ngewöhn¬
rese als Erzieherin oder Kindermädchen begleitet: die
nschwer¬
Häuser und Familien, in denen sie ein= und aus¬
tapferer
geht, die Kinder, die sie betreuen muß. Es ist eine
Anekdote
fast unübersichtliche Galerie von Familien= und Ein¬
uslaufend
zelporträts; vielfarbig, aber doch bleibt keiner dieser
luch hier
Köpfe in der Erinnerung haften. Ja, gerade diese
ig „Chro¬
Schilderungen wirken auf die Dauer ermüdend, fast
ller, klu¬
langweilig. Eine große dichterische Kraft, hätte hier
öbnlichen
ein Bilderbuch des ganzen sozialen Lebens geben
nörkelten
können, hätte hier anekdotisch an der Fülle dieser
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Menschen die Verstricktheit dieses heutigen Lebens
aufgezeigt, oder hatte sich begnügt, Menschen blut¬
voll zu geben. Auch das wäre eine Gnade des Dich¬
Therese,
ters gewesen. Aber bei Schnitzler sind es private Schick¬
d ihrer
sale die kaum interessieren, weil sie nicht mit dich¬
billen der
terischer Gewalt, sondern mit schriftstellerischer
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Routine aufgeschrieben sind. Die Kapitel=Geschehnisse
Schnitzler
werden zum Klischee. Nur gelegentlich in kleinen Si¬
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tuationen, wenn Therese ihren vergeblichen Kampf
herese
um die Liebe ihres mißratenen Sohnes ausficht,
ze
oder wenn ihre Mutter ihr am Bahnhof gesteht, daß
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Theresens Lebenswandel durchschaut ist, fühlt man
ie
die Hand des Dichters auch in der Zartheit, mit der
es
er gefährliche Dinge andeutet.
Ein Zeitproblem
sen ver¬
suchte Schnitzler zu gestalten, aber gestehen wir es:
en wird.
es blieb
ei der Anekdotensammlung, bei einer un¬
izipation
gemein schriftstellerisch gefingerten Improvisation, die
ndei ent¬
in ihrer kühlen Gekonntheit nicht überzeugt, allen¬
Freiheit
falls nur interessiert, bis man erkennt, daß an
für solche
Schnitzler nur im Ahnen der Problem=Fülle ste
in allen
bleibt und nicht zur dichterischen Klarheit di
Schnitz¬
drang. Dem nur in Einzelheiten formal vornehr
wie man im ganzen banalen Buche, in dem Schnitzler
enzerwei= psychologische Spürfähigkeit auszubreiten suchte, fe
re Posi¬
ial rich= das letzte; es interessiert gelegentlich, aber es über¬
zeugt nicht. Und das ware nötig, wenn man ein
eMän¬
Frauenschicksal schildert. Die ganze Spannung des
r selbst] Buches besteht nur in der Erwartung, daß endlich
auf weite
im nächsten Kapitel der dichterische Einsatz kommt.
nnerhalb
So wurtet man bis zum Schluß vergebens.
t leiden¬
1d, wie
Abgrün¬
zu Stufe
u immer!
M nnennenenenengen
Ne
ARGUS SUISSE ET INTERNATION4J.
DE LA PRESSE S. A.
2a, rue du Rhöne — Genève
Adr. télégr.: Coupures-Genève — Tél. Stand 40.05
IBureau International de coupures de journaux
Traductions de et en toutes langues
Corres# ndants dans toutes les grandes villes
Ertrait du Journal:
A4-
Bücherwarte, Berlin
Ausschnitt aus der Nummer vom: 0KI. 1925
Erzählende Literatur
Arlhur Schnitzler: Therese. Chronik eines Frauenlebens. Verlag S. Fischer.
Berlin802 Seiten.-Preis 5 Mk.
Eiß/Roman, dssen Heldin jeder kennt: die Erzieherin der Kinder aus
„besserem Hlausgss de bleiche, verhärmte, müde Frau in den abgetragenen
Kleidern und vertreienen Schuhen, die freudlese Frau, die ihr Leben den
Kindern der andefen opfert. Sie ist eine Offizierstochter, ihre Mutter schreibt
sentimentale Kitschromane. Phr Leben ist eine ununterbrochene Wanderung
von Haus zu Hlaus, von Enttäuschung zu Enttäuschung, von Mann zu Mann.
Sie ist ja nur jagdbares Wild, Gefährtin flüchtiger Liebesstunden; ihre Sehn¬
sucht nach Liebe ihre Sehnsucht nach einem Kameraden kennen die Väter
und Brüder der Kinder, die sie erzicht, ja nicht. Und sie selber ist schon so
zermürbt vom Leben, so arm an Illusionen, dast sie nicht mehr begehrt als
eine Stunde der Leidenschaft, die den Hlunger ihres Blutes, den Aufruhr ihrer
Sinne beschwichtigt.
Indes sie aber den Kindern der Reichen lebt, verkommt ihr eigenes. Indes
sie den Kindern der Reichen Umgangsformen lehrt, wird ihr Sohn Dieb und
Zuhälter. Das ist die tiefste Tragik ihres Daseins; nach einem Leben der Ent¬
behrung und Enttäuschung, nach unsäglicher Mühe mit hunderten Kindern,
tritt ihr der eigene Sohn als Erpresser, als Nüchtiger Verbrecher entgegen, wird
sie vom eigenen Sohn erwürgt.
Auf ihrer Wanderung aber entrollte sich vor ihr wie ein Panorama das
Leben der bürgerlichen Welt, die Ilerrschaft des Geldes, die Lüge der Ehe, der
falsche Glanz, die auf Leid errichtete Herrlichkeit. Selber Tochter einer
Bürgerfamilie, nur durch ihren Beruf, noch nicht durch Seelengemeinschaft
mit der Klasse Proletarierin geworden, kann sie nicht Revolutionärin sein,
erkennt sie nur mit wehem Ilerzen den Unterschied der Menschen, die un¬
gerechte Verteilung von Glück und Schmerz, wird ihr nur bewulft, das sie
um ihr Aurecht am Leben betrogen wurde.
Schnitzler nennt diese Dichtung „Chronik eines Frauenlebens“,
Mit einer fast feierlichen Sachlichkeit, die nicht Kunstmode ist, sondern Forde¬
rung tiefster dichterischer Wahrhaftigkeit, erzählt er dieses Frauenschicksal,
das nicht nur ein Schicksal von gestern bleibt. Denn wenn auch Gesell¬
schaft des alten Oesterreich versunken st, der Lebensweg der Erzieh#in führt
heute noch durch keine wesentlich freundlicheren Gelilde. Menschlich und
dichterisch, psychologisch und sozial ist dieses neue Buch Schnitzlers zu den
bedeutendsten Erscheinungen auf dem Gebiet des neuen deutschen Romansg
zu zühlen.
Fritz Rosenfeld.