I, Erzählende Schriften 35, Therese. Chronik eines Frauenlebens, Seite 65

35. Therese
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erese
würdiger zu gestalten“. Wohl die chronikartige Aneinanderreihung der Le=[Grotes, Studentinnen“ (Carl Rei߬
chschnittsmädchen, nicht hübscher bensstationen der einsamen Erzieherin, deren ei=ner, Dresden). Als Problemroman sehr auf¬
cht extravaganter als ihre Kol=genes Dasein über den Anforderungen des frem=lschlußreich, drückt es sein Niveau durch den
unterscheidet sich von den mei= den verkümmert. Auch wenn der Roman nicht Mädchenschuljargon, in dem es geschrieben ist,
dadurch, daß sie deutlich emp= den tragischen Ausgang durch die uneheliche
so weit herab, daß die großen Gesichtspunkte
hrem Glück fehlt. Alle Seiten
Mutterschaft Theresens besäße, wäre er ein Werk nach und nach unter einer Fülle von Einzel¬
enproblems werden von Lewis echter Tragik. Stofflich stehen ihm nahe die schilderungen verschwinden, die bedenklich an die
er tief freilich als durch die
Lehrerinnenromane Clara Viebigs und verflossenen „Pensionsgeschichten“ erinnern. Das
mmierung glänzend beobachte=[Grete von Urbanitzkys. Viel ernster zu ist um so bedauerlicher, als Gertrud Grote zum
nleuchtend. Das Buch ist Weih= nehmen als Grete von Urbanitzkys schwüler, im erstenmal und, wie man auch in der wenig glück¬
er dem Titel „Der Erwerb“ Gartenlaubenstil die Geschichte einer unglaublich lichen Form noch erkennt, mit sicherm Empfin¬
deutsch erschienen. Daß es viel weltfremden Wiener Oberlehrerin erzählender
den die besondere Problematik des Studentin¬
Roman „Der wilde Garten“ (Hesse &
darauf läßt der etwas kolpor¬
nendaseins literarisch erfaßt hat. Der „liebe¬
schließen. Der heutige Lewis
Becker, Leipzig) ist das Buch Klara Viebigs:
leeren Routine“ des Berufs entspricht bei der
„Die mit den tausend Kindern“
nden gordischen Knoten dadurch
Studentin die Trockenheit des wissenschaftlichen
die kleine Stenotypistin zu ei= (Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart). Klar und Lernstoffes und die Schwunglosigkeit des gan¬
häftsfrau werden und gleichzei=scharf sieht die Verfasserin das Doppelgesicht des
zen Universitätsbetriebs. Was den erotischen
iebe wiederfinden und heiraten
Junggesellinnendaseins, warmherzig, lebendig
Konflikt betrifft, so erhält er seine besondere
und interessierend weiß sie es zu gestalten. Wenn
Nüance durch eine gewisse Weltfremdheit der
dem Roman trotzdem die letzte Vollendung fehlt, Studentin, eine theoretische Voreingenommen¬
von Romain Rolands
so ist es weil er einer Gefahr nicht ganz ent= heit gegen das wirkliche Leben. Eine Aus¬
te Seele“ (I. Band 1922,
Wolff, Leipzig, 1924) ab, weil gangen ist, die typisch für diese Art Noman zu
nahme=Studentin ist demnach die stud. chem.
lin nicht als Typ, sondern als sein scheint. Der Wunsch nach eindringlicher Ge¬
Helene Willfüer“ der Vicki Baum,
erfall darstellt, so ist der Jung=staltung des Seelenlebens der Heldin hat un= die als lebenstrotzendes Geschöpf ihren blassen
merklich den Horizont des Romans verschoben,
Schwestern gegenübergestellt wird. Sie versteht
kerst in den letzten beiden Jah¬
de gekommen; heute aber liegt und schließlich steht man unter dem Eindruck,
es, trockene, rein sachliche Arbeit mit Begeiste¬
dezu in der Luft. Den Reigen daß die Verfasserin nicht mehr mit ihren eige=rung zu tun, und ihr Liebeserlebnis wird nicht
rSchnitzle mit der aue nen weitschauenden Augen sieht, sondern nur durch theoretische Hemmungen zersetzt. Was sie
ndrucksstarken Lesenschronik der noch mit denen der gewiß sympathischen, aber durchzumachen hat, ist ein durch äußere Fakto¬
erese“ (Fischer, Berlin). Die doch ein wenig engstirnigen und kleinbürgerli=Iren bedingtes Schicksal, das vielleicht bis an die
Kargheit des Buches würde ihmschen Berliner Volksschullehrerin.
Nerven, nicht aber bis an die gerade in ihrer
Noch stärker beeinträchtigt wird durch diese Unkompliziertheit starke und unzerstörbare Seele
ne farbigere und-gelöstere Dar¬
ium das Zwingende gehabt wie Verengung des Horizonts das Buch Gertrudjgeht.