I, Erzählende Schriften 35, Therese. Chronik eines Frauenlebens, Seite 71

Therese
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n vollkom=menden Jubilaum und
Dem kreinen L.
Wünsche für ein weiteres Gedeihenaus!“
grünen Rasenfläche besteht, wehte eine frische Abenerem
George Popoff.
ESPERIA“
in das Zimmer, und die Sonne beleuchtete das feine,
tr. Hodernster Kom¬
üche. Kompl. Pension
gütige, vergeistigte Gesicht des Dichters. Wir sprachen
ig. Kabane. Prospekte.
über die Forsytes, über die so merkwürdige, bodenstän¬

und Lehrerinnen
sicht Unterstützung genießen, damit ihr das letztte bißchen
und Namen einbüßen kann. Daß der Name eines „Fräu¬
oft vielleicht
Menschenwürde nicht genommen werde, das in ihr lebt.
lein Mutter“, das durch ehrliches Streben eine Position
die feinfühlige
Der Staat kann doch nicht jedem Fräulein
sich errang und Wählerin geworden ist, nun bis zur näch¬
har sofort wahr¬
Mutter einen Mann und jedem illegitimen Kind einen
sten Wahl mit einem Schmutzfleck an der Wand kleben
Alusdruck bringt.
Vater geben...
muß, zum Gaudium der maliziösen Hausbewohner, er¬
sellschaft zu täu¬
gibt sich von selbst. Sind das die humanen Fortschritte,
Das war die Rede eines Mannes! Also spre¬
grau auszugeben,
die freisinnigen Errungenschaften, die menschenfreund¬
chen fast alle Männer. Selbst solche, die, wie Sie, lieber
n zu entgehen.
lichen Reformen? Was man tun soll? Ich habe die Ge¬
alter Freund, meinen, daß Sie die „Lebensfrage der
okurzsichtig und
setze nicht gemacht und kann keine neuen machen. Ich
Nationen“ mit Wärme erfassen, sind in der Theorie weit¬
ögen, in solchen
denke aber, daß man das französische: „Toute recherche
herzig, in der Praxis aber engherzig. „Fräulein Mutter“
sweisen — kein
de la paternité est interdite“ bis zum letzten Buch¬
soll die Wohltaten der Menschenliebe empfangen, die
wacht auch der
staben ausrotten, daß man Betörer und Verführer zur
Männerwelt jedoch soll dabei keine Zugeständnisse ma¬
stattfinde. Der
Erfüllung ihrer menschlichen Pflichten zwingen könnte,
chen und der Staat auf keine seiner Einrichtungen ver¬
amtliche Auf¬
daß es Mittel und Wege gäbe, um die ledige Mutter und
zichten; mit anderen Worten, die ledige Mutter und
sie ein Fräulein
das uneheliche Kind derart zu schützen, daß dies wirklich
das illegitime Kind sollen weiter leiden, der „natürliche
eliches ist. Was
und wahrhaftig Mutter= und Kinderschutz wäre, mit einem
Vater“ — natürlich nicht. Man jammert allenthalben
Lualen zu leiden
Wort, daß man des schönen Wortes eingedenk sein sollte:
über das Einkind= und Keinkindsystem und behauptet,
n sind und Tag
„Mit dem Kinde zugleich bildet die Mutter ihr heili¬
daß die wichtigste Lebensfrage aller Nationen in der Er¬
ann nur eine
geres Ich.“
starkung und Vermehrung der Bevölkerung ihre Lösung
ben fühlen und
Verzeihen Sie, teure Freundin, jetzt bewegen
finden könne. Die ledige Mutter und das uneheliche
leider, — und
Sie sich im Luftreich der Theorien und verlieren den
Kind bleiben aber geächtet. Warum müssen sie leiden?
festen Boden der Praxis.
Sie sind doch nicht freiwillig, nicht aus freien Stücken
n, daß zahlreiche
Mein lieber Freund, sagte die greise Frau, sich
in ihr Elend geraten, und daß sie ihr Los ertragen, ihrem
schon betonte,
erhebend, das eben ist kennzeichnend und traurig für
jammervollen Leben kein Ende bereiten, ist oft erstaun¬
den Staat ver¬
unsere Gesellschaft und unsere Zeit, daß Sie, der Sie
lich, oft bewundernswert. Was die Gesellschaft, was der
inderschutz mehr
doch dem gleichen Ziele zustreben, wie ich, meine selbst¬
Staat tun soll und kann? fragen Sie, lieber Freund. Ich
din, dürfen, in¬
verständlichen Wünsche für unerfüllbare Phantasien hal¬
gebe zu, daß der Staat nicht jedem sogenannten gefallenen
verkennen, daß
ten, während ich in Ihren praktischen Erwägungen
Mädchen einen Gatten und jedem illegitimen Kind einen
roße Fortschritte
nichts anderes als theoretische Schaumschlägereien sehen
Vater zu geben vermag. Aber eines kann er sicherlich, näm¬
kann. Wenn wir beide, treue alte Freunde, aber zu kei¬
lich die bei jedem Anlaß wiederkehrenden amtlichen Vexa¬
der Humanität
nem Einverständnis gelangen, wie können wir fordern,
tionen aus der Welt schaffen, die ein uneheliches Kind
wie in der so¬
daß trotz den schönen und rührenden Bemühungen der
von der Wiege bis zum Grabe begleiten. Haben Sie be¬
ten „Fehltritte“
Dichter Gesellschaft und Staat die armen Geschöpfe zu
merkt, daß in den letzten Tagen wieder einmal die Be¬
waltigt wurden)
sich emporheben sollen, die mit dem Namen: Fräulein
hörden verfügten, die Namen aller Wähler müßten in
s bestraft? Soll
Mutter gezeichnet und geächtet unter uns wandeln, be¬
den Häusern plakatiert werden, dazu das Alter der Wäh¬
entationen prei¬
schämend für sie, aber ebenso beschämend für uns.
ler, die Namen der Eltern — ein förmlicher Steck¬
hrt man, ist die
Eine gute Frau! sagte sich der alte Herr, als ihn
brief! —, so daß selbst ein Mensch, der vor 40 oder
on einem Mann
die Dame verließ, eine gute und edle Frau ist sie, und
50 Jahren als uneheliches Kind geboren wurde und seit¬
en, allein in der
der liebe Himmel hat ihr Geist und Gemüt gegeben; —
her durch Fleiß und Arbeit sich Ansehen und Namen er¬
Kinder erhalten
nur vielleicht in zu großen Dosen.
ch in jeder Hin= warb, jetzt der boshaften Neugier preisgegeben, Ansehen!