I, Erzählende Schriften 35, Therese. Chronik eines Frauenlebens, Seite 70

Therese
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33. J
einmal
Lesen Sie
semann
e, spie¬
täglich die Kleinen Anzeigen im Pester Lloyd (Morgen¬
blatt), Sie finden da in den verschiedenen Rubriken
ng des
wichtige Anzeigen. die Sie interessieren werden.
Schreier
— Sie sprechen wie ein Mann, der, ich wiederhole,
Kind,
keine Ahnung vom wirklichen Wesen einer Frau hat. Ich
Und
kenne die beiden Romane, von denen Sie als Mann be¬
einige
geistert sind, doch ich bezweifle, daß viele Frauen Ihren
ücher).
Enthusiasmus teilen werden. Gewiß, der Roman Schnitz¬
nt es.
lers ist ein Meisterwerk, eine Darstellung des realen
dchens,
Lebens, wie sie nicht grausamer sein kann. Aber welche
rsprach.
Frau soll sich mit dem Schicksal der armen „Therese“ ab¬
nun,“
finden? Sie wird von einem Offizier verführt, fällt
unge¬
bald darauf einem Schwindler in die Hände, der sie ver¬
fahren,
läßt, als er bemerkt, daß sie Mutterfreuden — „Mutter¬
wäre,
freuden!“ welch deplaciertes Wort — entgegensieht. Sie,
te. Ob¬
eine bedauernswerte Erzieherin, muß sich von ihrem
rin sich
Kinde trennen, von Haus zu Haus wandern und die
Pebens¬
Beute vieler Männer werden. Alle diese Männer betrü¬
r Mit¬
gen sie und keiner wird dafür eine Strafe erleiden. Nur
s, und
sie muß büßen. Und ebenso traurig wie das Leben The¬
resens verläuft dasjenige Jennies. Die Amerikanerin hat
und die
allerdings mehr Glück als die Oesterreicherin. Wohl stirbt
ihr als
der Vater des Kindes dieser ledigen Mutter, ehe er dem
ggenüber
Kinde seinen Namen geben konnte. Doch sie wird die Ge¬
an die
liebte eines Millionärs, der sie einige Jahre als seine
nMut¬
Frau betrachtet und auch so behandelt, schließlich aber —
Galgen
eine andere heiratet. Die Amerikaner glauben genug ge¬
brohten,
tan zu haben, wenn sie einem Fräulein Mutter Geld
n ihrer
geben, die Oesterreicher und mit ihnen auch die meisten
res in
Europäer entziehen sich selbst dieser Hilfeleistung. Dabei
dachten
spielt das Geld hier wahrhaftig eine ganz nebensächliche
auf dem
Rolle. Ein Mädchen, das ein uneheliches Kind
s übrig,
zur Welt bringt, das als Fräulein Mutter in der
auszu¬
Gesellschaft zu leben bemüßigt ist, bleibt immer ein
ertra¬
unglückliches Geschöpf, und nicht nur sie, auch ihr Kind
emp¬
muß unter dem mit Verachtung gemischten Mitleid, das
dauern.
uch von man ihnen widerwillig schenkt, schließlich zusammen¬
schwan= brechen. „Fräulein Mutter“ wird überall kalt aufgenom¬
über¬
men. Sie erhält erst nach Erniedrigungen eine Beschäf¬
nieder.) tigung, man gewährt ihr nur ungern Platz in einem Amt,
en zum und selbst eine Wohnung wird ihr oft aus dem Grund
beschöpf, verweigert, weil ihr ein Mann die Ehre geraubt hat, frei¬
cher im lich ohne dadurch selbst an Ehre gewonnen zu haben.
Und erst das arme Kind! In der Schule schon weiß man,
Lange auf sich warrentun
nn selbst unsere Generation vollkom=smend
Wün
en gewiß sein...
„VILLA ESPERIA“
Auf der Hlauptstr. Modernater Kom¬
LIoO-VENEDI Trt. Wiener Küche. Kompl. Pension
v. Lire 22.— Eig. Kabane. Prospekto.
sicht U
daß es „keinen Vater“ hatte. Die Lehrer und Lehrerinnen
Mensch
bekunden dem kleinen Wesen gegenüber — oft vielleicht
unbewußt — eine gewisse Antipathie, die die feinfühlige
Mutte
und leider auch oft grausame Kinderschar sofort wahr¬
Vater
nimmt und in brutalerer Form zum Ausdruck bringt.
Vergebens sucht die ledige Mutter die Gesellschaft zu täu¬
schen, sich als Witwe, als geschiedene Frau auszugeben,
chen fa
um den Nadelstichen und Keulenhieben zu entgehen.
alter
Abgesehen davon, daß die Mitmenschen, so kurzsichtig und
Nation
borniert sie auch hin und wieder sein mögen, in solchen
herzig,
Fällen immer den feinsten Spürsinn aufweisen — kein
soll die
Polizeihund hat eine feinere Nase —, wacht auch der
Männ
Staat darüber, daß keine Falschmeldung stattfinde. Der
chen us
Meldezettel wird nachgeprüft, und jede amtliche Auf¬
forderung belehrt die ledige Mutter, daß sie ein Fräulein
das ill
Mutter, und das Kind, daß es ein uneheliches ist. Was
Vater“
eine Mutter, was ein Kind unter diesen Qualen zu leiden
über d
haben, die oft und oft brennend zu fühlen sind und Tag
daß di
für Tag aufs neue drohen, das kann nur eine
starkur
Frau fühlen und mitfühlen, wenn sie eben fühlen und
finden
mitfühlen kann. Nicht jede Frau kann es leider, — und
Kind
leider überhaupt kein Mann...
Sie sit
Sie werden nicht bestreiten wollen, daß zahlreiche
in ihr
hervorragende Männer, vor allem, wie ich schon betonte,
jamme
edelmütige Dichter, die Gesellschaft und den Staat ver¬
lich, o
anlassen wollen, für den Mutter= und Kinderschutz mehr
Staat
zu tun als bisher, und Sie, liebe Freundin, dürfen, in¬
gebe z
sofern Sie gerecht sein wollen, nicht verkennen, daß
Mädch
die Menschheit auch auf diesen Gebieten große Fortschritte
Vater
gemacht hat.
lich di
— Soll ich es vielleicht als Triumph der Humanität
tionen
rühmen, daß man heutzutage nicht mehr, wie in der so¬
von de
genannten „Heroenzeit“, die sogenannten „Fehltritte“
merkt,
armer Mädchen (die betört oder gar vergewaltigt wurden)
hörden
durch Tötung der Mutter und des Kindes bestraft? Soll
den Hä
ich die armseligen Dotationen und Alimentationen prei¬
ler, di
sen? Die Grundlage des Staates, so lehrt man, ist die
brief!
Familie. Gut. Aber eine arme Frau, die von einem Mann
50 Ja
oder selbst von mehreren Männern betrogen, allein in der
her du
Welt steht, sich und ihr Kind oder ihre Kinder erhalten
und ernähren muß, sollte vom Staate doch in jeder Hin= warb,